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Post by Benedetto on Jan 5, 2016 20:30:45 GMT
Es war einige Zeit vergangen, seit sich der Kappadozianer und der kleine Lasombra zuletzt gesehen hatten. Nicht nur, weil Alerio die Gegenwart des bleichen Nekromanten nach Möglichkeit gemieden hatte. Auch Benedetto war seinerseits erleichtert gewesen, dass die Angelegenheit mit Niccolo erledigt war. Und so widmete er sich wieder mit Eifer seinen Forschungen.
Doch nun hatte ihm ein Kainskind der Stadt etwas mitgeteilt, das für Alerio von Interesse sein mochte. Und so fand Citus erneut seinen Weg zu dem kleinen Lasombra, um eine kurz gehaltene Botschaft zu überbringen: "Werter Liktor Alerio, neue Erkenntnisse verlangen nach Reaktion. Im Interesse aller Kainskinder Genuas bitte ich euch, mich bei nächster Gelegenheit aufzusuchen. Benedetto."
An dem von Alerio gewählten Tag würde der kleine Lasombra dann wiederum von Citus an der Klosterpforte in Empfang genommen und ins Heiligtum der Anlage geführt - zumindest, wenn es nach Benedetto ging: In die Schreibstube. Der fette Kappadozianer wartete bereits dort. Er schaute auf eine Pergamentseite, auf der eine Buchmalerei begonnen worden war. Für den Normalsterblichen mochte sie kunstvoll wirken, aber Benedettos Stirn war gerunzelt.
Es war die Zeichnung eines Mannes, der auf seinem Rücken eine gewaltige Last trug, die ihn zu Boden drückte. Der Gesichtsausdruck war gequält und leidend.
Als er Alerio bemerkte, legte Benedetto die Zeichnung jedoch ab und nickte. "Liktor. Es ist gut, euch zu sehen." In der Stimme schwang wenig Emotion mit, aber die Geste war durchaus höflich. Er schien nach einem passenden Gesprächseinstieg zu suchen und entschied sich schließlich für: "Habt ihr neue Erkenntnisse gewinnen können, was den Mord an eurem Freund angeht?"
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Post by Alerio on Jan 6, 2016 10:17:55 GMT
Alerio hatte ihr letztes Treffen nicht vergessen und wenn er gekonnt hätte, wäre er dem Kappadozianer auch weiterhin aus dem Weg gegangen, doch die Worte des Mönches schienen eine gewisse Dringlichkeit auszudrücken. Er war darüber nicht sehr erfreut.
Im Interesse aller Kainskinder nannte er Citus also einen geeigneten Termin und begab sich sodann in eben dieser Nacht zum Kloster. Er begrüßte den Mönch an der Pfore mit einem kühlen "Guten Abend" und ließ sich von ihm zu Benedetto führen.
In der Schreibstube angekommen, nickte er dem Kappadozianer grüßend zu. "Benedetto" erwiderte er ebenfalls knapp und freudlos. "Nein, leider nicht." antwortete er auf dessen Frage. "Ihr?"
"In eurer Botschaft erwähntet ihr neue Erkenntnisse. Welcher Art denn?"
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Post by Benedetto on Jan 6, 2016 10:30:57 GMT
Benedetto schien sich nicht daran zu stören, dass der kleine Lasombra erneut sehr direkt war. Tatsächlich schien ihm das sogar zu gefallen, denn er blickte zustimmend. Dann schüttelte er den Kopf. "Bedauerlicherweise nicht. Mir geht es heute nicht um Niccolo. Sondern um eine andere, besorgniserregende Tendenz." Er wies zum Tisch. "Bitte, setzt euch."
Am Tisch faltete er die Hände. "Seht ihr, ich habe erneut eine Nachricht von Maximinianus erhalten. Der eigentliche Inhalt ist nicht besonders wichtig - ich für meinen Teil denke, er hat unseren Waffenstillstand gebrochen und er sieht das anders - aber ein anderer Teil des Abkommens war eine Information seinerseits. Es geht um die Kirche am Markt in Platealonga, vormals unter meiner Kontrolle, durch den Priester Ludovico. Maximinianus hat diesen damals vor dem Prozess ermordet." Kein Vorwurf diesmal, Benedetto listete Fakten auf.
"Ich habe ihm die Kirche überlassen, weil ich damals den Frieden suchte, und Teil der Abmachung war, dass er mir mitteilte, warum er darauf bestand. Nun hat er es mir mitgeteilt. Die Könige beanspruchen Platealonga für sich." Er rieb sich das Kinn. "Wenn ich zudem bedenke, dass das Abkommen besagte, dass er sich aus dem Dorf Burgus fernhält und ich mich aus Mascharana und dass zudem Godeoc nun Clavicula als seine Domäne kontrolliert dann liegt ein Gedanke nahe."
Benedetto lehnte sich zurück und faltete die Hände. "Die Könige beanspruchen und kontrollieren mittlerweile drei der Sestieri, die Hälfte der Stadt."
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Post by Alerio on Jan 6, 2016 20:36:59 GMT
Alerio nahm den gewiesenen Platz ein und hörte interessiert den Ausführungen des Mönches zu. "Kontrollieren ist ein sehr dehnbarer Begriff. Ich meine, die Könige können noch so gern behaupten sie würden Platealonga kontrollieren, solange noch andere Kainskinder darin Einfluss haben und ihnen das nicht abkaufen, hat das meiner Ansicht nach nicht viel Wert. Aber ich teile durchaus eure Bedenken. Eine Änderung dieses Zustands würde ich nicht gern sehen wollen. Es sollte nicht dazu kommen, dass ein Kainit oder eine Gruppe zu viel Macht erlangt" antwortete er ernst. "Was mich auch, nebenbei bemerkt, zum Thema Kirche bringt: Maximinianus hat anscheinend recht viel Einfluss in dieser und kann dabei fast ungestört allein agieren. Außer euch, hat da niemand nennenswerten Einfluss, oder?"
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Post by Benedetto on Jan 6, 2016 20:47:38 GMT
"Interessant, dass ihr das ansprecht. Tatsächlich habe ich mit dem Abtreten der Kirche vom Marktplatz massiv an Einfluss verloren. Maximinianus sagte mir zu, als Teil unseres Abkommens, den Abt von San Marcellino in den Bischofsrat zu bringen. Er hat diese Abmachung nun endlich erfüllt - aber erst nachdem er Ferrucio hat verdammen lassen. Dabei hatte ich deutlich gemacht, dass ich auf diese Weise solche Angriffe im Zaum halten wollte."
Er zuckte mit den Schultern. "Das ist übrigens unser Streitpunkt: Maximinianus pocht darauf, dass er diesen Teil des Abkommens erfüllt hat, ich sehe das anders. Zudem denkt er, dass ein Wortbruch seinerseits immer noch nicht die Aufhebung des Waffenstillstands bedeutet. Auch das sehe ich anders." Benedetto runzelte die Stirn. "Wie soll ich dem Wortbrüchigen vertrauen, wo dieses Abkommen doch zu nichts als mehr Konflikt geführt hat?"
Schnell hob er die Hand. "Aber beunruhigt euch nicht, Liktor. Mir liegt nichts ferner, als meinen Konflikt mit diesem Narren wiederaufzunehmen. Im Gegenteil: Mir gefällt der Zustand wie er ist. Nur sehe ich mich nicht mehr durch das Abkommen daran gebunden, sondern rein durch meinen Willen." Auf den Lippen erschien ein feistes Lächeln. "Ich werde zusehen, wie der Ventrue sich selbst in den Abgrund reißt. Irgendwann kann die Prinzessin seine Verfehlungen nicht länger ignorieren. Nepotismus hin oder her."
Dann hielt er inne. "Aber zurück zum Thema. Ich habe eine Idee, was Platealonga angeht. Derzeit streiten sich dort im Senat Peppe Ghiraldi und Guiseppe Brigori. Nun, ich weiß nicht, wer Brigori kontrolliert, aber es ist deutlich, welche Parteien dahinterstehen, nicht wahr?" Er blickte Alerio ernst an. "Was die restlichen Ratsherren angeht, muss ich euch zur Verschwiegenheit verpflichten und euch bitten, das was ich jetzt sage, nicht über diesen Raum hinauszutragen - es sei denn, ihre Majestät selbst befiehlt euch zu sprechen."
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Post by Alerio on Jan 7, 2016 18:12:26 GMT
"Zu erst einmal: Wenn ihr ohnehin die alte Fehde nicht wieder aufnehmen wollt und er weiter an dem Stillstand festhalten will, was tut es dann zur Sache ob euer Abkommen nun gebrochen ist oder nicht? Warum darüber streiten? Dass ihr ihm nun nicht wirklich vertrauen könnt, das steht auf einem anderen Blatt, aber ich bezweifel, dass ihr das je getan habt" teilte der kleine Lasombra seine Meinung mit. "Und ja, ich versichere euch, dass nichts von dem was ihr mir nun erzählen wollt an andere Ohren dringen wird." versprach er ernst.
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Post by Benedetto on Jan 7, 2016 19:04:05 GMT
"Als er den Bischof ermordete, da war ich durch das Abkommen gezwungen, die Wahrheit zu verschleiern. Wisst ihr was das für mich...?" Er brach ab und blickte auf seine Hand. Sie war zur Faust geballt. "Aber ihr habt natürlich Recht. Es ist in der Fehde eigentlich irrelevant. Nur verbietet mir das Abkommen auch, Mascharana zu betreten oder Diener dorthin zu schicken. Und wenn ihr bedenkt, was Maximinianus dort planen könnte - ich wäre zumindest gerne vorbereitet."
Dann beugte er sich vor. "Ich werde euch nun mitteilen, welche Senatsmitglieder in Platealonga vor kurzem noch keine Blutsdiener waren - und hoffe, dass ihr einen davon unter eure Kontrolle bringt. Den Grund könnt ihr euch denken: Je mehr die Ratsherren unter den Kainskindern verteilt sind, desto weniger Einfluss können die Könige gewinnen."
Benedetto dachte kurz nach. "Nun, von Brigori und Ghiraldi wisst ihr bereits. Ich habe zudem erfahren, dass auch Marzio Sarto, der Schneider, ein Blutsdiener ist." Er hob die Hand. "Ihr müsst mir hier vertrauen, so wie ihr mir zuvor vertraut habt: Bisher sind weder Claudio Sultana, der Arduinici-Neffe, noch Tiziano Cremonesi von den Embriaci Blutsdiener."
Der fette Mönch verzog das Gesicht. "Ich vermute, dass ihr euch von den Arduinici schön fernhalten wollt? Dann wäre Cremonesi vielleicht ein Kandidat. Ich würde auch andere Kainskinder fragen, wollte euch aber im Interesse unserer guten Zusammenarbeit die erste Wahl lassen. Ich will nur diesen Schild gegen die Machenschaften... anderer."
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Post by Alerio on Jan 7, 2016 20:00:27 GMT
"hm, damit habt ihr wohl recht. Kein Wunder dass Maximinianus an dem Abkommen festhält, will er euch ja nicht nach Mascharana lassen. Aber dann hätte auch er Recht darauf in Burgus zu agieren." merkte er an und schaute dann nicht sehr glücklich. "Da alle Senatsmitglieder auch Mitglieder der großen Familien sind, tritt man auf jeden Fall jemanden auf den Fuß." Er neigte leicht den Kopf und dachte nach. "Keine Situation die mir sonderlich gefällt, aber ich sehe die Notwendigkeit in diesem Tun."
"Warum sollte ich mich von den Arduinici fernhalten? Es war eine unglückliche Situation, aber mittlerweile Jahre her. Man könnte es so auch...Genugtuung nennen." sagte er und lächelte. Bei der Erwähnung der guten Zusammenarbeit kamen direkt wieder Erinnerungen auf, die ihn nicht so fröhlich stimmten. "Das freut mich aber, dass ihr mir die erste Wahl lasst. Welchen anderen Kainiten habt ihr denn für Cremonesi im Sinn?"
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Post by Benedetto on Jan 7, 2016 20:03:23 GMT
"Angelique - sofern es nicht mit ihren Auflagen seitens der Prinzessin kollidiert. Sie muss Fuß fassen, sie hat in dieser Stadt noch keine wirklichen Verbündeten gefunden und sie steht sowohl mit mir als auch mit dem Ventrue auf freundschaftlichem... oder sagen wir, zumindest annehmbaren Fuß. Eine Art neutrale Partei, wenn ihr so wollt."
Er runzelte die Stirn. "Bedeutet das, dass ihr meinen Vorschlag annehmt und euch Arduinici nähern werdet? Ich bin nicht besonders gut darin, Sarkasmus zu erkennen."
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Post by Alerio on Jan 7, 2016 20:10:31 GMT
"Nichts davon war sarkastisch gemeint. Ja, ich werde den Arduinici-Neffen aufsuchen." stellte er noch einmal klar. "Wie ihr es vorgeschlagen habt."
"Angelique..." bemerkte er dann. "Interessante Wahl. Recht eigenwillig und lebhaft...ich würde gern sehen ob sie es schafft."
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Post by Benedetto on Jan 7, 2016 20:22:40 GMT
Benedetto nickte, sichtbar zufrieden. "Ich behalte meine Ruhe, ihr gewinnt Einfluss und der Hafen bleibt weiterhin Gemeinschaftsterritorium, Ansprüche von den Königen hin oder her. Ich denke, wir gewinnen alle... selbst die Könige. Denn schließlich wollen sie sich ja nicht alle anderen Kainskinder mit solchen Ansprüchen zu Feinden machen."
Er faltete die Hände. "Ihr habt bereits mit Angelique gesprochen? Ich muss gestehen, ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Aber irgendetwas an ihr hat meinen Adlatus Marius... beeinflusst." Mit einem Stirnrunzeln blickte er zur Tür der Schreibstube. "Erst war er geradezu manisch, dann eine Woche lang depressiv. Völlig untypisch für ihn. Ich halte die beiden getrennt."
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Post by Alerio on Jan 9, 2016 20:22:01 GMT
Alerio schien ebefalls zufrieden. "Es freut mich, dass auch anderen unserer Art an Demokratie gelegen ist, wenn man bedenkt, dass es sie in unserer Gesellschaft eigentlich nicht wirklich gibt."
"depressiv?" Angeliques Nähe konnte zwar unter Umständen unschönen Einfluss auf jemanden haben, aber so schlimm dass man dadurch depressiv wurde? Andererseits würde Benedetto sicher nicht übertreiben. " Wie wir alle wissen, sind die Kinder des Mondes ja durchaus dem Wahnsinn nahe...vielleicht ist er ansteckend? Für Menschen?" Dann schien er noch mal zu überlegen. "Wohl eher nicht...dann könnten sie sich ja aber gar nicht unter ihnen aufhalten und es wäre bekannter."
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Post by Benedetto on Jan 9, 2016 20:53:14 GMT
"Nein, das glaube ich auch nicht. Und ich denke nicht, dass sie mit Absicht etwas gegen ihn unternehmen würde. Warum sollte sie? Sie will ja lernen - und weiß genau, dass ich ihr dann nicht länger als Instruktor zur Verfügung stehen würde." Benedetto wirkte ratlos. Aber dann hellte sich seine Miene auf. "Wie dem auch sei, ich denke, ich werde es irgendwann herausfinden. Ich muss einfach etwas übersehen haben."
Der fette Mönch faltete die Hände. "Demokratia ist ein gefährliches Konzept, fürchte ich. Schon die alten Griechen sind damit zugrundegegangen. Aber dennoch - ich halte es für das Beste, wenn die Stadt frei für alle Kainskinder bleibt. Die Könige in Kontrolle des Hafens... das wäre eine schöne Machtkonzentration." Er klang ernsthaft besorgt.
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Post by Alerio on Jan 11, 2016 20:18:10 GMT
Er zuckte unschlüssig die Schultern. "Vielleicht dachte sie, es würde nicht auf sie zurückfallen, oder es war ausversehen oder sie hat einfach nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Das halte ich für nicht sehr abwegig, wenn man bedenkt, wie sorglos sie sich oft verhält."
Der kleine Lasombra nickte zustimmend. "Da habt ihr recht. Darf ich euch fragen, was ihr in Bezug auf die kirchlichen Angelegenheiten zu tun gedenkt? Wie bereits erwähnt, halte ich Maximinianus' Einfluss auf die hiesige Kirche für ebenso besorgniserregend wie die Beanspruchung von Platealonga durch die Könige."
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Post by Benedetto on Jan 12, 2016 5:42:47 GMT
"Es wäre bedauerlich. Sie ist sehr wissensbegierig, ein schätzenswerter Charakterzug, trotz ihrer... Nun, jedenfalls muss ich einmal mit ihr darüber reden, fürchte ich. Marius ist ein zu wertvoller Diener, um seine geistige Gesundheit derart zu riskieren."
Benedetto tippte die Fingerspitzen aneinander. "Mein Vorschlag steht - euch Liktoren und der Prinzessin gegenüber. Der Bischof darf kein Ghul sein, im Bischofsrat müssen die Vertreter verschiedener Kainskinder sitzen. Sowohl der kirchenaffinen als auch derer, die nur eine Überwachungsfunktion wahrnehmen. Und kein Erlass des Bischofs sollte ohne Zustimmung dieses Rates erteilt werden."
Er verzog das Gesicht. "Gerade im Lichte der jüngsten Ereignisse aber bin ich auch weiterhin dafür, die wichtige Kirche am Markt, San Giorgio, erneut an den Clan der Kappadozianer zu geben. Da Maximinianus bei der Einflussnahme auf Platealonga allerdings auf Godeocs Geheiß handelt, der sich nicht viel um Neugeborene schert, vermute ich, dass dies nur per hoheitlichem Edikt geschehen kann."
Der fette Mönch zuckte mit den Schultern. "Dies würde allerdings zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Maximinianus' Einfluss auf das Viertel würde ebenso reduziert, wie auf die Kirche."
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