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Post by Benedetto on Nov 15, 2014 14:37:50 GMT
Die Sommernächte waren mild, aber kurz - und Benedetto beabsichtigt, die Zeit gut zu nutzen. Nach der Komplet hängte er sich rasch seine Ledertasche um, nahm den Wanderstab zur Hand und stapfte los, um zeitig in Genua anzukommen. Draußen sog er die Luft ein. Seine dicken Wangen verzogen sich zu einem Lächeln. Es war noch immer warm und es roch nach den Blumen am Wegesrand, nach den Olivenbäumen, welche in einiger Entfernung wuchsen. Es roch nach Leben.
Es kostete ihn einige Überwindung, diese Nacht nicht einfach mit seinen vampirischen Sinnen zu genießen. Doch er hatte zu tun und so seufzte er leise und machte sich auf den Weg. Als er sich der Stadt näherte, kam ein leichter Wind auf und trug ihm dieses ganz andere Aroma zu, diesen strengen Geruch, der von menschlichem Leben und sterblichem Schaffen kündete. Auch diesen Geruch nahm er auf, analysierte ihn. Andere hätten es Gestank genannt, aber für ihn lagen Informationen, lagen Geschichten darin.
Benedetto klappte seine Schreibtafel auf und begutachtete im Licht der Fackeln des Stadttores noch einmal die Zeichnung, die er angefertigt hatte. Ein menschlicher Körper war dort angedeutet. Die Organe waren mit kleinen Ziffern versehen und auf der gegenüberliegenden Seite standen Anmerkungen zu den Ziffern. Ein zufälliger Beobachter hätte sich allerdings verwirrend gefunden. Neben der Ziffer für die Hand etwa standen Worte wie "Handwerker, Stadtwache" und neben der Ziffer des Herzen stand "Marktplatz?"
Und so machte der Dicke sich auf in das Gewirr der Straßen, blieb vor diversen Gebäuden stehen und dachte nach, notierte weitere Zahlen, weitere Worte...
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Titus
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Post by Titus on Nov 16, 2014 22:47:21 GMT
Die Reise war erst in der vorangegangenen Nacht beendet gewesen und er hatte sich von seiner Reisebegleitung getrennt. Er war sich sicher, dass sie in dem Gasthaus nicht überfallen werden, in die sie sich einquartiert haben. Der alte Wirt machte einen rechtschaffenen Eindruck und die sich aufbauende Gestalt und die warnenden Worte des Kappadozianers hatten ihr übriges dazu beigetragen, dass die Pilger zumindest heute Nacht seinen Schutz nicht brauchten.
Somit war für Titus in dieser Nacht die Möglichkeit da, einmal durch die Straßen Genuas zu gehen, die zu dieser Zeit weitgehend leer waren. Hier und da huschte Gesindel in mehr oder weniger sündiger Absicht von Schatten zu Schatten. Titus hatte sich einen kurzen Kapuzenumhang über seine Rüstung gezogen, um sein bleiches Antlitz zu verdecken. Der große Anderthalbhänder war fest auf seinem Rücken geschnallt. Seinen Schild hatte er in der Herberge gelassen. Der Mond erhellte die Nacht ein wenig, so dass es ihm ohne große Schwierigkeiten möglich war, die Stadt zu begutachten.
Eine Katze, die seinen Weg kreuzte, machte einen Buckel, bevor sie dann fauchend Reißaus nahm. Titus beachtete sie nicht...seine Schritte führten ihn auf einen kleinen Platz mit Brunnen. Die Gebäude ringsherum waren größten Teils beschädigt oder völlig zerstört. Schweigend stand Titus da und betrachtete sie. Er griff an seine Brust und betastete den Rosenkranz. Dann begann er leise vor sich hinmurmelnd zu beten. Er betete das Vater Unser für die Leute, deren Heim diese Gebäude waren und vertrieben oder getötet wurden.
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Post by Benedetto on Nov 16, 2014 23:20:39 GMT
Nach einer Weile konnte der Krieger schwere Schritte hinter sich hören und das leichte Pochen eines Wanderstocks, der auf den Boden gestoßen wurde. Es war ein fetter Mönch, der dort den Platz betrat. Seine leichenblasse Haut stand in starkem Kontrast zu der schwarzen Kutte und obgleich sein Gesicht rundlich war, wirkte es doch seltsam unmenschlich. Zu aufgedunsen war es, unangenehm an einen Toten erinnernd.
Der Dicke betrachtete Titus für einen Moment und kniff dabei die blassen Augen zusammen. Seine Zunge fuhr wie eine fette Schnecke über die Lippen. Aber dann schien etwas anderes seine Aufmerksamkeit zu erfordern und er trat an eines der zerstörten Gebäude heran. Er holte aus einer Umhängetafel eine Schreibtasche und begann dann, etwas zu notieren.
Der Blick des Mönches glitt an den Fassaden entlang, abschätzend und studierend. Den Krieger schien er völlig vergessen zu haben - nur das Zucken der Ohren verriet, dass der Fette aufmerksam auf seine Umgebung lauschte.
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Titus
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Post by Titus on Nov 17, 2014 23:21:56 GMT
Als er der Gegenwart des Mönches gewahr wurde stockte das Murmeln kurz in seinem Fluss. Das Runzeln, das über seine Stirn huschte, blieb unter der Kapuze verborgen. Mit leiser Stimme beendete er sein Gebet.
"In nomine patris et filii et spiritus sancti, amen!"
Diese Worte wirkten aus seinem Mund so auffällig anders, als bei gewöhnlichen Gläubigen und so manchem Priester. Eine pure Wahrheit und eine tiefer Glaube, der nur unter den frömmstesn Sterblichen zu finden war, wenn überhaupt. Eins war klar, ein gewöhnlicher Mensch war das nicht, der dort auf dem Platz stand und die heiligen Worte sprach. Dabei bekreuzte er sich, hob anschließend das kleine Kreuz an seinem Rosenkranz an die Lippen und küsste es. Anschließend fasste er den Mönch in den Mittelpunkt seiner Aufmerksam keit und dieser mochte den borenden Blick spühren.
Er schwieg zunächst, beobachtete nur und blieb darüberhinaus reglos stehen.
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Post by Benedetto on Nov 18, 2014 20:54:43 GMT
Es war nicht deutlich, ob der Mönch die Worte - oder ihre besondere Intonation - vernommen hatte. Er beendete seine Notizen, klappte die Wachstafel zu und verstaute sie vorsichtig in seiner Umhängetasche. Dann wandte er sich um und wollte gerade schon den Platz verlassen, als er noch einen Blick auf den Krieger warf.
Der Mönch hielt inne. Ein offensichtlich kriegerisch veranlagter Mann, aber gläubig. Eine interessante Kombination. Es war lange vor den Kreuzzügen und die Idee heiliger Ritterorden würde noch einige Zeit auf sich warten lassen. Daher faszinierte den Dicken dieser Streiter. Er trat näher und nickte freundlich. "Einen guten Abend wünsche ich, mein Sohn. Was führt dich an diesen Ort?"
Um sie herum lagen die Ruinen, tot und still.
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Titus
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Post by Titus on Nov 18, 2014 22:46:00 GMT
Er schob die Kapuze ein wenig zurück und im blassen Licht konnte man ein sehr bleiches Gesicht erkennen, er schien eine sehr helle Hautfarbe zu haben, die durch das fahle Mondlicht fast weiß erschien. Als krassen Kontrast dazu der Dreitagebart, der eher ungepflegt aussah, aber pechschwarz. Mit ruhiger Stmme antwortete er dem Mönch.
"Gott zum Gruße, Bruder. Ich bin am Abend mit einer Gruppe Pilger in diese Stadt gekommen. Ich hörte, dass die braven gläubigen Bürger hier Schutz gegen die Ungläubigen aus dem Süden benötigen. Ich habe mein Schwert in den Dienst Gottes gestellt und möchte helfen, so ich es denn vermag."
Das Runzeln auf seiner Stirn kehrte jedoch zurück und so fuhr er fort.
"Es treibt sich allerlei Gesindel des Nachts durch diese Straßen. Ich bin zwar nur wenige Stunden hier, doch konnte ich dies schon erkennen. Ihr scheint ein hohes Vertrauen in Gottes Hand zu haben, dass Ihr Euch so gänzlich unbewaffnet des Nachts aus dem Schutz Eures Klosters begebt."
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Post by Benedetto on Nov 19, 2014 0:33:05 GMT
Der fette Mönch rieb sich das Doppelkinn. "Oh, ich habe Vertrauen in Gott. Und du musst bedenken, dass das Gesindel ebenfalls um sein wachendes Auge weiß und sich deshalb fein von mir fernhält." Er lächelte. "Oder sie wissen, dass bei Mönchen wenig zu holen ist. Wie dem auch sei, bisher wurde ich nicht ernsthaft belästigt." Er nickte dem anderen zu. "Ich bin Bruder Benedetto."
Seine blassen Augen fuhren über die Gestalt des Kriegers, blieben am Schwert hängen. "Ein Streiter Gottes, sagst du? Aber sicherlich kennst du das Wort des Herren, den Feind zu lieben, nicht wahr?" Sein Tonfall klang skeptisch, aber interessiert. "Ich vermute, du hast schon viele Kriege gesehen, wenn du den Kampf gegen die Ungläubigen suchst..."
Dann blickte er erneut auf die Kulisse dieser nächtlichen Unterhaltung. "Aber meine Frage war eigentlich, was du hier suchst, in diesen Ruinen."
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Titus
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Post by Titus on Nov 19, 2014 22:48:32 GMT
"Ich habe versucht mir einen Überblick über die Zerstörung der Stadt zu machen. Doch habe ich das Bedürfnis verspürt für die Getöteten und Vertriebenen zu beten"
Titus entspannte sich ein wenig. Er war zunächst sehr angespannt gewesen, doch mochte ein gewisses Gefühl nicht weichen. Dieser Mönch war kein gewöhnlicher Mönch und so ganz genau konnte Titus noch nicht sagen, woran das lag.
"Mein Name ist Titus und ich komme aus dem Land, das im Umland der Stadt Neapel liegt. Dort hat es in den vergangenen Jahren viele Überfälle der Muselmanen gegeben. Sie haben Dörfer, Kirchen und Klöster beraubt, geschändet und niedergebrannt. Ich habe das ein oder andere Mal eine solche Gotteslästerung mit meinem Schwert verhindert. Ein Krieg war es nicht, eher ein Raubzug..."
Stimme und Miene verfinsterten sich spürbar, als er diese Sachen erzählte. Offenbar haben ihn dort einge Menschen oder Dinge sehr viel bedeutet.
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Post by Benedetto on Nov 20, 2014 1:03:17 GMT
Der fette Mönch schien einen Moment darüber nachzudenken, dann nickte er und verneigte sich leicht. "Dies ist ein gottgefälliges Werk, mein Sohn. Ihr habt gut daran getan." Die Freundlichkeit in seiner Stimme schien echt. "Wenn ihr ein erfahrener Kämpfer seid, dann werdet ihr hier in der Stadt genügend zu tun finden. Ihr könntet euch bei der Miliz verdingen, oder sogar euer Glück bei den gräflichen Wachen versuchen."
Er rieb sich das dicke Kinn und nickte langsam. "Ich habe den Anführer der gräflichen Wache bereits einmal getroffen und er sucht immer gute Männer. Sie nennen ihn den Allesfresser, vielleicht habt ihr von ihm gehört?"
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Titus
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Post by Titus on Nov 20, 2014 23:25:32 GMT
TItus zog die Augenbrauen nach oben...
"Dieser Name klingt verhängnisvoll...ich habe noch keinen Menschen getroffen, der sich so genannt hat."
Es gab in Neapel einige Nosferatu, die sich ähnliche groteske Namen gaben, aber das wollte er einem einfachen Mönch lieber nicht erzählen.
"Auch gehört habe ich von ihm noch nicht, aber ich bin auch erst vor kurzem in Genua eingetroffen. Aber ich ziehe den Dienst an der Kirche einem sterblichen Herrscher vor. In der Nacht versteckt sich vielleicht mehr als nur Beutel- und Halsabschneider."
Dabei fixierte er auf merkwürdige Weise die Augen des Mönches...versuchte darin zu lesen, zu verstehen. Die Körperhaltung spannte sich ein klein wenig an...kaum merklich.
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Post by Benedetto on Nov 21, 2014 11:37:08 GMT
Der Mönch zog eine Augenbraue hoch, während der andere ihn so anstarrte. Dann lächelte er breit. "Nun, ich bin sicher, es ist nichts, womit ein Mann eures Schlages nicht fertig wird..." Er machte einen Schritt zurück, dann noch einen. "Ich wünsche euch jedenfalls viel Erfolg bei euren Bemühungen." Sein Lächeln wirkte etwas starr und er ließ den anderen nicht aus den Augen.
"Geh mit Christus, mein Sohn."
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Titus
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Post by Titus on Nov 24, 2014 11:00:48 GMT
"Ich danke Euch Bruder. Lebt wohl."
Damit machte Titus kehrt und verließ den Platz in Richtung des Hafens, ohne Hast und mit ruhigem Schritt.
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Post by Benedetto on Nov 26, 2014 17:51:06 GMT
Der Mönch entfernte sich ebenfalls, recht eilig, wobei er mehrfach Blicke über die Schulter warf.
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