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Post by Il Narratore on Jan 11, 2015 15:24:09 GMT
Der Allesfresser setzte sich, schwerfällig, ächzend und langsam an eine ihm altbekannte Tafel, die eigentlich nicht ihm gehörte und die dieses Mal auch nicht gedeckt worden war. Im Hause des Peppe Ghiraldi herrschte, wie so oft, wenn der gräfliche Sklaventreiber vorbeikam, eine gewisse Grabesstille, die Luccio nicht durch Späße und Grausamkeiten aufzulockern gewillt war. Er war ausnehmend schlechter Stimmung und machte es daher kurz. "Keine Sorge, Ghiraldi. Bin nicht in der Stimmung für Späßchen. Wie kommt's eigentlich, dass ich immer wieder bei dir auftauch'n muss, he?", fragte Luccio Il Onnivoro mit einem unterdrückten Lachen, das schnell in Stöhnen überging. Schließlich winkte er ab. "Schwamm drüber, ist nicht mein Tag. Such einen Kumpel von dir. Pietro. Mach dir nich in's Hemd, hat nichts ausgefressen, aber er weiß was vielleicht was über die Schweine, die mich abgestochen haben. Was soll'n das jetzt heißen? Ist er jetzt öfter am Mercato unterwegs oder nicht? Na dann hol ihn. Pronto, per favore!" Und in der Tat dauerte es auch nicht lange, ehe besagter Pietro gefunden und vor den Allesfresser gestellt war, der sich mühevoll wieder erhob, dem Milizhauptmann Ghiraldi ein grantiges "Grazie" entgegengrunzte und dann mit Pietro wieder hinausging, flankiert von den gräflichen Wachen. Pietro selbst wurde auch wirklich über sein Wissen eine gewisse Bande nördlich des Mercato und östlich der Via Bernardo ausgefragt, doch er wechselte das Thema schnell zu wirklich wichtigen. Der Ghoul des Alerio Cesario wurde ohne Umschweife darüber aufgeklärt, dass sein "kleiner Herr" an den Kalenden des nächsten Monats erwartet werden würde, dass die hohe Herrin ihn zu diesem Zeitpunkt empfangen und über sein weiteres Verweilen in der Domäne richten würde. Wie auch über den zweifellos relevanten Fakt, dass an diesem Abend eine Vorstellung seinerseits, ein gewisses Maß an Benehmen, Gewaltlosigkeit und selbstverständlich auch ordentliche Kleidung erwartet worden, sowieso eine Vielzahl weiterer Dinge, die man für selbstverständlichen mochte. Dennoch teilte der Ghoul der Prinzessin sie dem Diener von Alerio in aller Ausführlichkeit und mit allem Ernste mit, der nur ein wenig von seinem herablassenden Lächeln geschmälert wurde, mit dem er "kleiner Herr" wiederholte. Als er geendet hatte, verabschiedete er sich höflich von Pietro und machte sich mit seinen Mannen auf den Weg zu anderen Verpflichtungen.
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Post by Alerio on Jan 12, 2015 14:01:57 GMT
Pietro hatte seinem Herrn alles mitgeteilt, was der Allesfresser ihm gesagt hatte und so fand sich Alerio am besagtem Tag vor den Toren der Villa ihrer Majestät, ein. Selbstverständlich war er diesmal allein gekommen. Sicherlich hätte er Pietro auch mitnehmen und hier warten lassen können, doch hätte ihm das keinen Vorteil gebracht. Zur Villa hin fand er noch alleine, dank dem Kappadozianer Benedetto; und den wenigen Sterblichen die sich des nachts noch herum trieben, konnte er gut genug aus dem Weg gehen. Wie verlangt, hatte er auch feinere Kleidung gewählt, als die die er sonst trug. Kleidung, die er nicht oft trug. Eine knielange dunkelbraune Cotte aus feingewebter Wolle mit dezent geschmücktem Saum, in der Taille mit einem Ledergürtel geschnürt. Die Beine wurden von dunklen Leinen Bruech und Kniehohen Beinlingen bedeckt. Seine Füße steckten in halbhohen Lederstiefeln. Zu guter Letzt hatte er auch den grobwolligen Mantel gegen ein feineres Modell eingetauscht. Alerio selbst legte keinen großen Wert auf schöne Kleidung, praktikabel musste sie zu allererst sein. Doch wenn die Prinzessin ordentliche Kleidung verlangte, dann würde er sich auch daran halten. Man wollte ja nicht direkt den ersten Eindruck ruinieren. Schließlich war sein seine Vorstellung vor der Prinzessin ja entscheidend für seinen weiteren Aufenthalt in Genua. So trat er also an die Wachen des Tores heran und erbat um Einlaß um bei ihrer Hoheit vorstellig zu werden.
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Post by Il Narratore on Jan 14, 2015 17:42:13 GMT
Die zwei Männer am Durchlass in der Mauer - wie der Zufall es wollte eben dieselben, die dort schon bei seinem letzten Besuch Posten bezogen hatten - blickten ihn recht verwirrt an. Offenkundig hatten sie mit dem größer gewachsenen Mann als Besucher gerechnet. Nach kurzer Diskussion untereinander, hauptsächlich über den Kopf des kleinen Lasombra hinweg, ließen sie ihn schließlich passieren. "Ihre Majestät heißt euch willkommen!", riefen sie dabei und schlugen schließlich ihre Handschuhe gegen ihre beharnischte Brust und die Hacken zusammen.
Alerio betrat dann ein Fläche Feldes, die sich zwischen der eben passierten, für ihn etwa bauchnabelhohen Mauer und den in einiger Entfernung befindlichen Gebäuden befand. Er wurde von einem Kiesweg durch eine Lücke zwischen zwei Wirtschaftsgebäuden in einen Hof geführt, um den herum sich alle Gebäude der Villa befanden - Scheunen, Lagerräume, Wohnhäuser für Gesinde und Knechte, Werkstätten, Mühlen und allerlei andere Notwendigkeiten eines größeren Gehöftes befanden sich hier. Mit einem Unterschied: Es schien kein Leben hier zu herrschen. Niemand lief zu dieser Uhrzeit noch herum, es ertönte kein freudiges Geplapper aus den Wohnhäusern her und keine Kinder spielten auf dem Hof.
In der Mitte dieser Anordnung und gleichsam von den Häusern wie von einer Mauer beschützt befand sich die eigentliche Villa: Ein eckiges, langgezogenes Anwesen, gänzlich aus Stein errichtet. Der Weg endete vor einigen Stufen, die zu einem doppelflügligen Eichenportal hochführten, das sich gerade in dem Moment zu öffnen begann, da Alerio seine Orientierung abgeschlossen hatte. Heraus trat, in leichter und weiter Kleidung, ein Mann so breit wie hoch, von ausgemachter Fettleibigkeit, bleichem, weichem Fleisch, ohne Haare auf dem Kopf, mit kleinen, wässrigen Schweinsäuglein tief hinten im Schädel und einem so breiten und fleischigen Mund, dass Alerio ohne zu zögern sämtliche Gerüchte für wahr halten konnte, die ihm das Fressen von Kindern vorwarfen. Sein Name musste zu ihm passen: Allesfresser. Luccio Il Onnivoro. Ganz offenkundig litt er noch unter seinen Verletzungen, denn er hinkte leicht und vermied es, allzu rasche Bewegungen auszuführen als er die Treppe herunterschritt. Auch verneigte er sich nicht so tief, wie dies bei Alerio nötig gewesen wäre, und indem er ein Bein nach hinten stellte um dabei leicht in die Knie zu gehen. "Seid willkommen, werter Alerio, tausendfach willkommen!", sagte Luccio dabei und richtete sich wieder auf. Mit einladender Geste deutete er auf das offenstehende Portal und fügte hinzu: "Ich bin Luccio Il Onnivoro. Bittet, tretet ein, die Herrin erwartet euch."
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Post by Alerio on Jan 15, 2015 16:46:32 GMT
Das die Wachen ihn nicht ernst nahmen und über sein Erscheinen augenscheinlich erstaunt waren, kümmerte Alerio nicht. Es war nicht das erste Mal, dass dies geschah, schließlich sahen sie nur das Kind vor sich. Ohne darauf weiter einzugehen, nickte er den Wachen dankend zu und betrat den Hof. Dieser war größer als er es vermutet hatte mit weit mehr Gebäuden, als er geahnt hatte. Die Villa selbst, war ebenfalls ein imposanter Bau, gänzlich aus Stein und mit mächtigen Holztüren. Aus eben diesen Türen trat ein großer und breiter Mann, der sich ihm als Luccio Il Onnivoro vorstellte. Dies musste also der Mann sein, von dem die Wachen bei ihrem ersten Besuch gesprochen hatten. Der Hauptmann, der verletzt wurde. Tatsächlich, schien er noch nicht wieder ganz genesen. Alerio nickte dem Allesfresser ob seiner Begrüßung höflich zu, betrat die Villa und richtete dann selbst das Wort an ihn. „Habt vielen Dank, werter Herr Onnivoro. Ich hörte, dass ihr verwundet wurdet. Ich sehe, dass ihr euch bereits wieder erholt habt. Ich hoffe doch der oder die Verursacher haben bekommen, was sie verdient haben?“ Zwar erst als höfliche Konversation gemeint, war er doch auch interessiert, wie es dazu kam.
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Post by Il Narratore on Jan 16, 2015 19:51:44 GMT
Der Allesfresser verzog das Gesicht und trat ein wenig vor dem Kainskind in die Villa ein, um ihm den Weg zu zeigen. Ein kleiner Vorraum tat sich ihm auf, von dem links und rechts je eine Tür abging. Neben dem Portal standen Wachen, die es eiligst schlossen. Vor dem kleinen Jungen erstreckte sich ein großes Atrium, der halb überdachte Innenhof des Herrenhauses. Ein langer und breiter Saal, von dessen Wänden ein Dutzend oder mehr Räume abgingen. Der Fußboden war mit Marmor und Mosaiken geschmückt, die Wände schmucklos von einigen Fresken, Mosaiken und dezenten Öllampen abgesehen. Ein Säulengang zog sich an diesen Wänden entlang, schlanker Marmor stützte jene Seite des Daches, die sich zum Loch hin neigte. Unter diesem befand sich ein großes, stilles Wasserbecken, in dem sich in dieser Nacht der Vollmond spiegelte.
"Noch nicht. Doch bald schon. Rache serviert man kalt, werter Herr Alerio", versprach ihm Luccio. "Seid unbesorgt, dass meine Herrin ihre Hand schützend über mich und die Stadt hält. Ich werde das Nest von Mördern und Schandflecken bald ausgelöscht und der Stadt ein wenig ihrer Ruhe zurückgeben. Es ist euch möglich, einigermaßen unbehelligt zu bleiben?", fragte er dann höflich und sah zum ersten Male wirklich zu dem kleinen Vampir herunter. Seine fragenden Augenbrauen, seine besorgten Augen und die bloße Tatsache, dass er den Blick nicht recht zu lenken wusste, deuteten darauf hin, wie selten eine Erscheinung wie Alerio eigentlich war. "Gerade der Hafen ist nicht die ungefährlichste Gegend für..."
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Post by Alerio on Jan 16, 2015 22:32:42 GMT
"...für Kinder?" beendete Alerio den Satz des Allesfressers. Ein Schmunzeln zog sich über sein Gesicht. Er unterließ es den Ghul daran zu erinnern, dass er ja weit älter war, als seine Gestalt vermuten ließe, denn das wusste dieser ja. Stattdessen fuhr er mit einem leicht bitteren Unterton in der Stimme fort: "Keine Sorge, die dreckige, ungewollte Seite der Gesellschaft ist mir nicht fremd. Menschen tuen eben das was sie müssen, wenn sie überleben wollen. Leider übertreiben es einige von ihnen dabei in ihrer Verzweiflung und verlieren sich selbst in der Gier und dem Streben nach Macht."
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Post by Il Narratore on Jan 18, 2015 21:38:29 GMT
"Für die von unserem...eurem Geblüt", sagte der Allesfresser und versuchte, sich zu einem Lächeln durchzuringen. Seine Schritte hallten schwer und als einziges Geräusch durch den kühlen Innenhof, denn das leichtfüßige Kind neben ihm verursachte keine. "Was sonst gibt es im Leben, als Willen zur Macht?", fragte er und runzelte die Stirn.
Vor dem Vorhang angekommen, hinter dem sich die Ahnin verbergen musste, straffte er sich einen Moment und nickte Alerio erst zu. Dann zog er das Tuch beiseite und intonierte: "Ihre Majestät Aurore, Prinzessin Genua, Ahnin vom Blut der Könige. Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige. Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige. Kind des Ventru, erster seines Blutes. Kind des Enoch, des Weisen. Kind des Kain, des Vaters."
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Post by Alerio on Jan 19, 2015 17:31:22 GMT
„Das Leben bietet so viele Möglichkeiten, nach denen sich streben lässt. Macht hingegen ist ein Gefühl, dass einen glauben lässt man sei besser, stärker und erhabener als andere. Es distanziert einen von allen anderen. Man wird vielleicht respektiert, vielleicht gefürchtet, die Niederen schauen zu einem auf, doch ihr Vertrauen hat man nicht. Und im nächsten unachtsamen Augenblick blickt man auch schon dem Tod ins Antlitz.“ Die Verbitterung in seiner Stimme, lies darauf schließen dass es sich bei seinen Worten um mehr als bloße Phrasen handelte. "Wir besitzen schon Macht, die die Menschen nicht haben. Sie erhebt uns über sie bereits von dem Tag unseres Todes an. Warum sollte man nach noch mehr streben? Am Ende der Zeit bleibt einem nichts davon."
Als Luccio den schwarzen Vorhang zur Seite schob und ihre Majestät Aurore vorstellte, trat Alerio in den Raum hinein und lies sich wenige Schritte hinter dem Vorhang zu Boden gleiten. Das rechte Knie am Boden, das linke angewickelt, der Kopf demütig geneigt, richtete er den Blick auf den steinernen Boden und verharrte so, bis Ruhe eingekehrt war. Dann stellte er sich selbst vor:
„Mein Name ist Alerio Casari, Neugeborener des Clans der Schatten, Kind des Ancilla Francesco di Acqui, Kind des Ancilla Ancus d'Asti, Kind des Prinzen Totila di Milano, Kind des Ahn Gaius di Roma, Kind des Ahn Marcellus Rufus, Hüter von Las Medulas, Kind des Boukephos Kind des Lasombra, der Schatten, Kind des Irad, des Starken, Kind des Kain, unser aller Vater.“
"Ich danke euch für eure Zeit und die Möglichkeit dieser Audienz und verzeiht bitte, dass ich mein Erscheinen in eurer Domäne nicht vorher angekündigt habe."
Danach schwieg er und wartete gespannt, auf die Erwiderung der Prinzessin. Das Knien vor jemanden den er selbst nicht sehen konnte und dazu weitaus stärker war als er selbst, behagte ihm nicht, aber er versuchte sich dieses Unbehagen nicht anmerken zu lassen.
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Post by Il Narratore on Jan 22, 2015 18:47:20 GMT
"Ave, Valerius. Antiquam linguam potens es?", stellte eine herrschaftliche Stimme, deren Ursprung nur die Prinzessin sein konnte, getragen und routiniert ihre altbekannte Frage. Süß wie Nektar und zäh wie Honig tropften ihre Worte in der Sprache der alten Römer herab aus einem elegant geschwungenen Mund, der in einem der schönsten, nein des schönsten Gesichtes der Welt lag, welches wiederum auf einem makellosen Schwanenhals saß, der in einer schlanken und feingliedrigen Gestalt endete, die alle Erzählungen von Schönheit als Schwindel und Verleumdung verspottet. Die zierliche Gestalt der jungen Frau auf ihrem schwarzen Thron war, wiewohl von einem rosigen Teint beseelt, der ihr sanftes Rot auf die Lippen und die Wangen malte, marmorweiß und gertenschlank. Die lockere, weiße Tunika und die weite, purpurne Palla um ihre Schultern konnten dies nicht verbergen, wollten es wohl auch gar nicht, denn die weiße Prinzessin, wie sie wohl zurecht genannt wurde, demonstrierte den jugendlichen Leib recht keck. Sie hatte die Beine übergeschlagen und eine Hand gänzlich unprinzlich zur Stütze ihres Kinns verwendet, während sie die Sandale immer wieder gegen ihren in der Luft schwebenden Fuß schlappen ließ.
Ganz offensichtlich legte Aurore, Prinzessin Genua, es in diesem Moment nicht darauf an, eine sonderliche Aura von Würde zu versprühen, und auch ihre weiblichen Reize, die Alerio zumindest aus einem rationalen Verständnis heraus über die jeder anderen Frau stellen musste, hielt sie wohl zurück. Stattdessen hatte sie skeptisch eine Augenbraue hochgezogen - die linke - und blickte das drollig herausgeputzte Kainskind vor sich an, als würde die Ahnin jeden Moment von ihrem Thron herunter steigen, ihn in die Wange zwicken und ganz "herzallerliebst" finden. Als die Frage beantwortet war, fuhr sie fort - mit einem lobendem oder verdammendem Lächeln, je nachdem ob sie in Latein oder Italienischer Volkssprache sprechen musste. "Du bist nicht der erste und nicht der letzte, der es versäumt vor Eintritt in meine um Erlaubnis zu bitten", stellte sie dann fest. "Wenn auch bisher das Blut des Schatten sich große Mühe gegeben hat, mich in derlei Hinsicht zufrieden zu stellen. Gerade bei einem Kind aus der Linie des... Usurpators in Asti, wie einige ihn nennen würden, und des so vorsichtigen Totilas verwundert mich diese Eile doch sehr. Auch wenn die Jugend bisweilen zu solcher Rasche neigt."
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Post by Alerio on Jan 23, 2015 21:07:41 GMT
Nachdem die Prinzessin das Wort an ihn gerichtet hatte, erhob er sich und blickte sie zum ersten mal an. Er hatte nicht erwartet, dass sie so jung aussah.
Natürlich wusste er am besten, dass das Äußere bei einem Vampir nichts hieß, doch beeinflusste es in gewissem Maße den ersten Eindruck. Er konnte sich gut vorstellen, dass ihre jugendhafte Schönheit auf Menschen besonders wirken musste.
"Ja, eure Hoheit, ich bin der alten Sprache mächtig, doch spreche ich sie nicht häufig. Bitte verzeiht meine schlechte Aussprache daher." antwortete er der Prinzessin in gebrochenem Latein.
Während die Prinzessin sprach stand er still und schaute freundlich und aufmerksam drein. "Verzeiht, mein Erzeuger konnte mir leider nicht mitteilen wie ich euch erreichen konnte, daher zog ich es vor direkt nach Genua zu reißen und mich vor Ort zu erkundigen.
Mit kräftiger selbstbewusster Stimme fuhr er fort:
Ich bin gekommen um euch meine Hilfe anzubieten, die Stadt Genua wieder aufzubauen und das Leben der Bevölkerung zu verbessern. Ich kann euch leider nicht mit Soldaten gegen die Invasoren dienen, doch ich habe Möglichkeiten das Vertrauen der Armen und vor allem der Kinder zu erlangen. Ich kann sie führen und so einsetzen wie ihr es für richtig haltet und es dem Wiederaufbau der Stadt dient. Sie sind jung und können entsprechend angelernt werden."
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Post by Il Narratore on Jan 26, 2015 19:42:26 GMT
Ein leises, kaum unterdrücktes Kichern entrang sich der uralten Kehle des Mädchens auf dem Thron. "Oh, also kommst du in meine Domäne und bietest mir an, meine eigene Herde für mich zu pflegen? Nein, wie überaus rührend, geradezu herzerweichend mitleidig von dir. Verzeih bitte, denn im Augenblicke - ja, in der Tat die letzte Zeit über - ist meine Stadt ein rechtes Wirrwarr und ich scheine fürwahr wenig Einfluss in ihr zu besitzen, da käme deine Hilfe mir gerade recht."
Innerhalb eines einzelnen Atemzuges des Allesfressers fiel die Maske von Freundlichkeit ab. Die blauen Augen legten sich fast verächtlich auf den kindlichen Vampir vor ihr, der Mund war spöttisch verzogen und ihr bis eben von Leben durchdrungener Leib erstarrte vor den Augen Alerios zu einer Statue. "Bist du ein Narr, Bursche?", fragte die Prinzessin mit maßregelnder Stimme, kaum lauter als ein Flüstern. Sie schien aber durchaus keine ehrliche Antwort zu erwarten und fuhr sogleich fort. "Was gibt dir die Frechheit anzunehmen, dass mich die Armen scheren oder ich jedem dahergelaufenem Welpen Befugnisse in meiner Stadt einräume?"
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Post by Alerio on Jan 28, 2015 23:41:15 GMT
Alerio war von der barschen Antwort der Prinzessin überrumpelt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so reagieren würde. Die Überraschung war ihm durchaus ins Gesicht geschrieben. Hatte er sich zu viel herausgenommen? Das Wort "Bursche" ärgerte Alerio mehr, als es sollte, doch er war klug genug sich nicht davon zu unüberlegten Worten hinreißen zu lassen. Demütigt sank er wieder auf die Knie und bat um Entschuldigung.
"Verzeiht eure Majestät, wenn ich euch erzürnt haben. Es war nicht meine Absicht euch irgendetwas zu unterstellen. Auf keinen Fall wollte ich euch, euren Einfluss oder eure Fähigkeiten beleidigen. Ich versichere euch, dass ich mich euch nicht aufdrängen wollte. Ich bot euch das einzige an, das ich euch geben kann: meine bescheidenen Dienste. Wenn ihr kein Interesse an diesen habt, so werde ich euch nicht weiter belästigen."
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Post by Il Narratore on Jan 29, 2015 22:12:15 GMT
"Was wären diese Dienste?", fragte die Ahnin, ihre Erregung so schnell verraucht, wie sie aufgeflammt war. "Ich habe wenig Liebe für die Diebe auf den Straßen und das Gewürm in Clavicula und die Bettler und Elstern am Hafen, die meine Händler vergraulen, meine Pfaffen berauben und meine Bürger belästigen. Es gibt bereits genug Redner und Schwätzer in meiner Domäne, zugegeben, sodass eine weitere Stimme im Gezänk nicht viel auffallen würde..." Anscheinend befand ihre Majestät sich in Plauderstimmung, denn sie fuhr mit dem Blick fest und neugierig zu Alerio gewand fort, einige allgemeinste Betrachtungen über ihre Domäne, die grauenhafte Bedrohung durch die Sarazenen und Mohammedaner sowie Neid, Missgunst und Zank unter ihren Untertanen anzustellen, wobei sie natürlich wiederholt betonte, dass unnütze Mäuler ihren Missfallen erregten, wie es auch über Gebühr verbleibende Gäste, unangemeldete Gäste und in der Tat allerlei auf Gastfreundschaft spekulierendes, junges Blut täte. Zu Alerios Erleichterung aber nahm sie die Maske des lebhaften Mädchens dabei wieder auf, die statuenhafte Anspannung wich aus ihr und sie begann erneut mit den Fingern zu trippeln, mit der linken Hand zu gestikulieren, Alerio das neuerliche Aufstehen zu erlauben und derlei Dinge mehr, die für gewöhnlich mit einem lebenden Wesen in Verbindung gebracht werden - und nicht einem Jahrhunderte mächtigen Leichnam.
"Nun sage mir also, Alerio aus der Linie Totilas: Gesetzt ich gestattete es dir, dich in meiner Domäne niederzulassen, dich am Blute meiner Schäfchen zu nähren. Gesetzt ich sähe darüber hinweg, dass du dich schadlos hälst am Abschaum der Straße und womöglich dein Übriges tust, um nicht zu kurz zu kommen im üblichen Spiele mit den anderen Jüngeren, ohne dabei mein Eigentum zu beschädigen. Gesetzt ich ignorierte die Tatsache, dass - wie du selbst sagtest - weder Schwert noch Soldat von dir zu erwarten sei. Wie würdest du mir diese Gunst vergelten? Ich brauche nicht die Armen - weder sind sie Bürger noch zahlreich genug, wie in Roms Zeiten, um Schaden anzurichten jenseits ihrer bloßen parasitären Existenz." In den blauen Augen ihrer Majestät Aurore funkelte es und Alerio meinte, eine Art verschmitztes Lächeln um ihre Mundwinkel spielen zu sehen, während ihre roten Lippen sich auffordernd schürzten und eine Augenbraue sich inquisitorisch in die Höhe schob.
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Post by Alerio on Feb 1, 2015 14:32:02 GMT
"Vermutlich habe ich mich schlecht ausgedrückt. Mein Anliegen war es nicht, mich einfach nur um die Armen zu kümmern, sondern sie für euch nützlich zu machen. Menschen die nichts mehr haben in ihrem Leben, außer den Dingen, die sie am Körper tragen, sind verzweifelt und bereit alles zu tun um dieses Leben zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Sie stehlen und sie betteln, weil sie keine andere Möglichkeit sehen zu überleben. Wer bereit ist alles zu tun, kann auch für alles eingesetzt werden. Das einzige was sie brauchen ist ein Bereich in den man sie stecken kann und eine Motivation damit sie dort bleiben. Wenn ihr Soldaten für die Verteidigung der Stadt wollt, so können jene Arme durch entsprechendes Personal zu solchen ausgebildet werden. Arbeiter für Baustellen, Feldarbeit, Waldarbeiten, was auch immer."
Obwohl er innerlich weit mehr unsicher und nervös war, schaute er die Prinzessin mit festem Blick an und fuhr mit ebenso ernster Stimme fort: "Ihr wollt den Abschaum von den Straßen? Dann gebe ich euch genau das. Ich werde mich um Nahrung und Beschäftigungen kümmern, sodass dieser Abschaum wieder ein produktiver wertvoller Teil der Gesellschaft werden und so für die Verteidigung der Stadt nützlich sein kann. Das ist es, was ich euch bieten kann."
Nach einer kurzen Pause setzte er noch hinzu:
"Ich gebe zu, mein menschliches Leben hat mich das Stehlen gelehrt, doch greife ich nur darauf zurück, wenn es nicht anders möglich ist. Ich habe nicht vor eurer Domäne Schaden zuzufügen, noch euren guten Bürgern."
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Post by Il Narratore on Feb 5, 2015 17:38:37 GMT
Der Sturm auf der Prinzessin Gesicht klarte bei den Worten des jungen Lasombra auf. Stück für Stück und Muskel um Muskel lösten sich die schwarzen Wolken ihrer Aufregung und zurück blieb kaum mehr als ein makelloser Spiegel der Schönheit und der Herrschaftlichkeit. Nachdenklichen Blickes saß Aurore, Prinzessin Genua, auf ihrem Thron und hörte den Erläuterungen Alerios aufmerksam zu. "Ich habe vor kurzem", sagte sie und meinte damit einen Zeitpunkt vor etwa zehn Jahren, "ähnliches vernommen. Ein weiches Herz und die Idee der Verbesserung, der Erziehung von Menschen sind mir nicht unbekannt. Wenngleich ich die Menschlichkeit nicht auf Individuen beschränke, denn es ist die Pflicht eines Herrschers das große Ganze zu sehen." Die schöne Jungfrau lehnte sich ein wenig zurück, ihre nackten Unterarme auf das kühle Holz gelegt und mit ihrer linken Hand die Mähne eines hölzernen Löwen streichelnd, der ihre Armlehne trug. "Suche Antigonos, vom Blut des Troilus, der sich am Hafen niedergelassen hat. Auch er hatte vor Jahren vorgehabt, das Volk zu formen. Du magst ihn dabei unterstützen und mit ihm zusammen mir Rechenschaft ablegen über euer Verhalten. Es gibt einige hundert, ich denke Benedetto der Nekromant berichtete mir sogar von einigen tausend, Bettlern, Vagabunden, Obdachlosen et cetera. Es gibt also genug Arbeit für dich zu tun, wobei klarerweise eine kämpfende Truppe Vorrang hat. Nicht nur die Miliz muss gestärkt werden, wenngleich Antigonos mir dies als vorderstes versprach."
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