Alis
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Post by Alis on Jun 7, 2015 19:51:47 GMT
Wie konnten sich zwei Wochen so lange hinziehen? Es schien, als wären die Jahre zuvor viel schneller verflogen. Sie folgte dem Weg, den Maximinianus genommen hatte noch einmal, meistens so, dass man sie nicht beachtete und ihr auswich, manchmal sichtbar und verließ ihn dann an einer Ecke abrupt, um in den tiefen Schatten einer Gasse zu verschwinden. Nach einigen Schritten hielt sie inne, weil sie einen Teil einer Silhouette ausmachen konnte, die sich gegen verräterisches Mondlicht abzeichnete und sich in einen Hauseingang drückte. Was sie sehen konnte, war der Teil, der trotzdem etwas von der Gasse sehen wollte. "Giana, ich hab keine Lust mehr, hier kommt niemand durch.", flüsterte ein Mädchen. "Ja, es ist viel zu dunkel, lass uns ne andere Stelle nehmen.", beschwerte sich ein weiteres. "Nein, wir bleiben jetzt hier. Ysa, geh da raus, und lock eben einen von den Seeleuten hier rein." Alis zog die Brauen hoch und nickte zustimmend, während sie nach oben zu den Dächern sah. Dort war aber niemand zu sehen, weder vor ihr, noch hinter ihr. "Nein! Die laufen mir zu fünft hinterher und dann kann ich wieder rennen sehen, wie ich sie abhänge! Geh du doch, du erwischst höchstens einen, der zu betrunken ist, um dich richtig zu sehen." "Psst!!" Alis legte sich eine Hand über die Augen, und ging ein paar Schritte rückwärts, bevor sie den Schutz der Verdunkelung verließ und wieder auf den Hinterhalt zuging, wo es nun auch plötzlich ganz still war. Drei mit Lumpen vermummte Gestalten, von denen die größte etwas kleiner war als sie selbst versperrten ihr...wie erwartet...den Weg. "Geld her!", forderte die, die eben mit Giana angesprochen worden war. Alis verschränkte die Arme und verlagerte das Gewicht locker auf den linken Fuß. "Ich hab aber keins bei mir. Nur das hier..."
Sie das nahm Messer, das sie dem betrunkenen Seemann abgenommen hatte, der es ihr an die Kehle gehalten hatte, und hielt es ihrerseits den vermummten Gestalten mit dem Griff voraus hin. "Ist nichts besonderes, aber ist vielleicht hilfreich in eurem Geschäft hier."
Dabei zuckte sie die Schultern und sah nicht im Geringsten so aus wie jemand, der sich bedroht fühlte. "Gehört einem Matrosen, ders....verloren hat, also vielleicht nicht rumzeigen. Weiß nicht, ob der noch da ist."
Einen Moment lang geschah...nichts. Dann wurde eine Hand sehr schnell ausgestreckt und griff nach dem Messer.
"Ach ja, wäre auch hilfreich, wenn ihr von da oben runterspringen würdet...oder einfach mehr wäret. Oder beides."
Die Gesichtsausdrücke der Mädchen waren nicht zu erkennen, wohl aber, dass sie sich verstohlen ansahen. "Darf ich jetzt durch, ja?"
Vielleicht waren sie gerade zu verwirrt oder fanden, ein Messer wäre ohnehin mehr, als sie erwartet hatten, aber sie traten zurück. Rückwärts, um dann hinter dem nächsten Haus zu verschwinden. Die Vampirin blieb etwas stehen und lauschte den rennenden Schritten, die schnell in den Geräuschen von Platealonga unterging.
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Post by Alerio on Jun 8, 2015 1:09:12 GMT
Alerio hatte sich in dieser Nacht unter eine kleine Gruppe von Jungen gemischt. In Etwa alle so alt wie seine Erscheinung. Breit grinsend hatte er mehrere kleine Beutel voll „Diebesgut“ mitgebracht um sie mit den anderen Kindern zu teilen. Es war nicht viel, da es schwer war mehr als ein paar Äpfel, Käse und Brot unter seinem Mantel zu verstecken. In Wahrheit war natürlich nichts davon gestohlen, doch es musste zumindest so aussehen. Mit der Übertriebenheit und Eifer eines Kindes, schilderte er den anderen Jungen wie er den Tag über fette Händler auf dem Marktplatz bestohlen hätte ohne dass die das mitbekommen hätten. Wie dumm die doch sind.
Die kleine Gruppe hielt sich gerade vor den Stufen eines baufälligen Hauses auf, dass noch aus der Zeit der Angriffe herrührte und immer noch nicht reparariert war, als eine kleine Gruppe Mädchen die Straße herauf kam. Kichernd und tuschelnd, liefen sie dicht gedrängt und hielten dabei etwas in der Hand, was ständig von einer zur anderen wechselte. Das blieb den Jungen natürlich nicht verborgen und einer von ihnen rief ihnen daraufhin zu. „Hey, was habt ihr denn da?“ Ertappt blickten sie plötzlich auf und eine von ihnen lies den Gegenstand schnell in ihrer Tasche verschwinden. „Nichts“ sagte sie schnell. „Doch, ihr habt da was, ich habs doch ganz genau gesehen.“ „Halt die Schnauze, Knirps. Nichts hast du gesehen!“ blaffte ihn eine andere an. Schnell flüchteten die Mädchen in einen Eingang auf der anderen Straßenseite.
Neugierig hatte Alerio die Mädchen und den Wortwechsel beobachtet, dann schnappte er sich ein wenig zu Essen und ging damit auf die Behausung der Mädchen zu. Die anderen Jungen riefen ihm hinterher er solle die Weiber doch in Ruhe lassen. Die haben das gar nicht verdient. Doch er ignorierte das und ging hinein. Seine Schritte waren wie stets lautlos und so wurden die Mädchen ziemlich erschreckt, als sie ihn plötzlich bemerkten. Reflexartig hatte eines der Mädchen nach dem Messer gegriffen und auf Alerio gerichtet, bis es merkte dass er nur einer der Kinder war. „Was willst du? Verpiss dich!“ „Das war es also? Ein Messer?“ fragte Alerio rethorisch. Er musterte das Messer, es schien von recht guter Qualität zu sein. „Wo habt ihr das her?“ „Gestohlen...“ sagte eines der Mädchen, unsicher. Eine offensichtliche Lüge. „Wollt ihr was zu essen?“ fragte Alerio und lächelte freundlich, während er ein Stück Käse aus einem Beutel hervorholte. „Dafür möchte ich aber wissen woher ihr das Messer habt.“ Die Mädchen bedachten ihn eine Weile unsicher und tuschelten dann untereinander. Bis sich doch eine dazu durchrang zu reden. „Ein anderes Mädchen hat es uns gegeben. Drüben am Hafen in der kleinen Gasse hinter der Bäckerei.“ „Ein anderes Mädchen gibt euch einfach ein Messer?“ fragte er ungläubig aber warf den dreien dennoch das Essen zu. „Ja! Einfach so. Sie hat uns sogar Tipps gegeben, wie wir am besten jemanden überfallen.“
"So so" murmelte Alerio leise und verließ die Mädchen, um besagte Gasse aufzusuchen. Auch wenn die Chancen schlecht standen jetzt noch jemanden dort anzutreffen.
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Alis
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Post by Alis on Jun 8, 2015 12:00:52 GMT
Alis stand in der Tat nicht mehr lange in der dunklen Gasse, sondern zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und suchte sich die nächste Möglichkeit, um auf ein niedriges Dach zu klettern. Ein Fass, eine unregelmäßige Mauer, hervorstehende oder fehlende Steine waren hier nicht schwer zu finden, dann schlich sie geduckt und so leise wie möglich zu einer Stelle, die vom Hafen und der Gasse aus vermutlich, soweit sie es beurteilen konnte, nicht so gut zu sehen war. Zumindest nicht, solange sie nicht aufstand. So saß sie inzwischen mit überkreuzten Beinen auf dem Dach der Bäckerei und betrachtete die Dächer des Hafenviertels.
Der Mond war nur halb voll, und manchmal zog eine Wolke darüber und tauchte die Gegend in völlige Dunkelheit, aber sonst reichte das Licht, um die Gegend von oben zu betrachten. Zumindest aus dieser Perspektive, denn der andere Teil versank wegen des Lichtes in umso tiefen Schatten.
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Post by Alerio on Jun 8, 2015 23:51:17 GMT
Alerio näherte sich vorsichtig der Gasse und spähte hinein, während er sich hinter der Häuserkante verbarg. Doch es war zu dunkel um irgendetwas zu erkennen. Langsam ging er also stattdessen hinein und suchte die Dunkelheit ab, ob sich jemand in den Schatten verbarg. Doch nachdem er ganz hindurch war, war er sich sicher, dass sie verlassen war. Kein Mädchen mehr da. Die Chancen standen auch allzu schlecht. Unsicher was er jetzt tun sollte, ließ er den Blick über die Umgebung schweifen. Auch nach oben über die Dächer, doch eigentlich ging er nicht davon aus, dass sich dort jemand befand, weshalb sein Blick eher unaufmerksam darüber hinweg glitt. Doch er überlegte sich ob er von oben nicht mehr sehen würde. Vielleicht war sie ja noch nicht allzu weit weg. Er war nicht gerade athletisch und elegant sah sicher anders aus, aber nach ein paar Minuten hatte er ein Dach an einem Ende der Gasse erklommen und hockte da ein paar Momente, während sein Blick Richtung Hafen und gen Osten ging. Erst dann drehte er sich herum und schaute auch in die Richtung aus der er gekommen war. In die Richtung in die sich die Bäckerei befand, die circa drei-vier Häuser entfernt war.
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Alis
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Post by Alis on Jun 11, 2015 7:28:02 GMT
Da war etwas. Eine Bewegung auf einem der Dächer. Einige Häuser weiter. Sie erstarrte und versuchte dann aus Gewohnheit, wieder zu verschwinden, wenn schon nicht vom Dach, dann aus der Wahrnehmung. In der Hoffnung, dass der andere Kletterer sie noch nicht bemerkt hatte, starrte sie mit verengten Augen in seine Richtung und versuchte mehr zu erkennen. Wenn er es hatte...nunja, dann war es eben so...dann würde sie es aber vermutlich auch daran sehen, was er tat. Immerhin...war er zu sehen. Das war ja schon mal was. Sie stand auf, ohne die Silhouette aus den Augen zu lassen, und schlich über das Dach in seine Richtung, vorsichtiger als noch eben die Schritte setzend. So dicht gedrängt, wie die Häuser hier waren, war es nicht so schwer auf das Nachbardach zu gelangen. Für das dahinter müsste man allerdings über einen schmalen Durchgang zwischen den Häusern springen, der eben auch nicht schwer gewesen war - da war es ihr allerdings nicht so wichtig gewesen, ob sie jemand bemerkte.
Sobald ihre Füße auf dem hölzernen Dach auf der anderen Seite landeten, hielt sie inne, lauschte, beobachtete die kleine Gestalt und schlich dann weiter, bis sie nahe genug war, um etwas ausmachen zu können. Das war...ein Junge. Jung genug, um als Kind zu gelten. Scheinbar. Nicht, dass das ungewöhnlich gewesen wäre in hren Augen. Aber vielleicht hatte sie auch jemandem auf die Füße getreten, der jemanden geschickt hatte. Oder gleich selbst erschienen war.
Während sie noch einen Moment hin und her überlegte, trat sie vorsichtig an den Rand des Daches, von wo man im Zweifelsfall leicht in die Dunkelheit springen und verschwinden konnte. Oder fallen, im schlechteren Zweifelsfall. Dann ging sie wieder in die Hocke: "Von hier ist der Ausblick auf den Himmel nicht so...von Häusern verstellt, nicht?" Sie flüsterte fast, sprach nur gerade so laut, dass der Junge es hören können musste.
In Verdunkelung auf anderes Dach springen und so MIak5sWF6d10
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Post by Alerio on Jun 13, 2015 10:28:30 GMT
Die Dächer waren leer. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass hier jemand sein würde. Suchend hatte er sich den Straßen unter sich zugewandt und versuchte etwas in der Dunkelheit auszumachen.
Als er plötzlich die Stimme hinter sich vernahm zuckte er erschrocken zusammen und verlor auf der Dachschräge den Stand. Das Dach war zum Glück nicht so steil gewesen und so rutschten nur seine Füße ein Stück unter ihm weg und er musste sich mit den Händen abfangen. Doch der Schreck saß und hatte das Tier aufgeweckt und unruhig werden lassen.
Hastig, drehte er sich herum, kletterte das Dach herauf und sah sich plötzlich einer fremden Gestalt gegenüber. Ihr Gesicht war schwer auszumachen unter der Kapuze. "Wie?...wo bist du gerade hergekommen?" fragte Alerio erstaunt und bedachte die Gestalt mit einem unruhigen Blick.
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Alis
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Post by Alis on Jun 13, 2015 20:04:41 GMT
Nun ja, sie hatte damit gerechnet, dass er sich erschrecken würde, aber sie zuckte zusammen, als er abrutschte. Sie stand aus der Hocke auf, aber bevor sie wirklich etwas tun konnte, auf die eine oder andere Weise, hatte er sich schon wieder gefangen. Sie rührte sich nicht von der Stelle, als er das Dach wieder hochkletterte, sondern beobachtete ihn nur dabei.
Ihre nackten Füße waren vom Dreck der Straße ziemlich dunkel, da war nur ein Streifen helle Haut, bevor sie unter umwickelten Beinlingen verschwand. Die wiederum ab den Knien unter einer groben, vermutlich irgendwie grauen Tunika verschwunden. An ihrem Gürtel baumelte ein Paar Schuhe und, das, was man davon im Mondlicht sehen konnte, war sauberer als ihre Füße. Der Umhang, zu dem die Kapuze gehörte war über die Schulter geworfen und damit halb um den Oberkörper gewickelt. Genauso farblos und grau und an einigen Stellen abgewetzt und ausgefranst wie die Beinlinge. Sie war schmal, ein Stück größer als er und stand da an der Dachkante eher wie jemand, der es gewohnt war, so etwas zu tun, als wie jemand, der Angst hatte, das Gleichgewicht zu verlieren.
Kurz hob die Hände beschwichtigend vor sich, die verglichen mit den Füßen sauber und auch sehr hell waren..was am Mondlicht liegen konnte.
Dann ließ sie die Hände wieder sinken, sah kurz nach oben und zuckte die Schultern: "Ich bin geflogen, wie sonst?" Die Stimme klang nicht nur jung und nach einem schrägen Grinsen, in dem Italienisch lag auch an einigen Stellen die Melodie einer anderen Sprache. Die der Franken, vermutlich. Einen Augenblick später deutete sie dann aber schulterzuckend nach unten, in die dunkle Gasse, als wäre das eine weniger interessante Antwort auf seine Frage.
"Was machst du hier oben?", erkundigte sie sich dann, irgendwie...neugierig.
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Post by Alerio on Jun 13, 2015 22:22:07 GMT
"Ha ha.." sagte Alerio sarkastisch. Langsam erhob er sich aus der Hocke und blickte sie aus zusammengekniffenen Augen skeptisch an. "Das kann ich dich genauso fragen." Er musterte die Gestalt einen Augenblick. "Du bist ein Mädchen?" fragte er vorsichtig, anscheinend nicht ganz sicher, was das anging. "Und du kommst nicht von hier." Mit einem strengen abschätzenden Blick fixierte er sie. "Wie kommt eine ausländische Waise nach Genua?"
Der Junge vor ihr, schien sehr vorsichtig und abwehrend zu sein. Was für einen Jungen von der Straße völlig normal war. An einem Ort wo jeder versucht so gut es geht zu überleben, ist kein Platz für Vertrauen und Nächstenliebe. Eine Tatsache, die Alerio gerne ändern würde und doch war er nicht so dumm, jedem Fremden wohlwollend zu begegnen.
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Alis
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Post by Alis on Jun 14, 2015 13:50:58 GMT
Als er sie fragte, ob sie ein Mädchen sei, blickte sie kurz an sich hinunter und zuckte die Schultern, zog dann aber die Kapuze ein Stück zurück, unter der sie belustigt schmunzelte.
Sie war sicher ein paar Jahre älter als er, aber auch noch nicht wirklich alt genug um als erwachsen zu gelten oder gar ernst genommen zu werden von Erwachsenen. Ihre Züge waren fein und auf eine gewöhnliche Weise war sie recht hübsch zu nennen, auch wenn sie dafür eigentlich zu blass war, was am Mondlicht liegen mochte. Oder am Hunger und den generell erbärmlichen Umständen. Gerade schien sie allerdings diesen zum Trotz wirklich eher guter Laune zu sein schien, und wie um das zu betonen lief wippte sie auf den Fußballen herum.
Auf seine letzte Frage, oder vielleicht auch den Blick, hörte sie plötzlich wieder damit auf und musterte ihn für einen langen Moment mit einem sehr aufmerksamem Blick, aus dem ihn etwas Wütendes zurückfixierte. Dann schnaubte sie und schob das Kinn etwas vor: "Mit nem Schiff. Als blinder Passagier. Dachte mir, es könnte hier nur besser sein als...dort." Sie wies vage Richtung Meer, sog scharf Luft durch die Nase ein, und zog dann immerhin einen Mundwinkel wieder hoch, auch wenn dieses schräge Lächeln einen genauso zynischen Unterton hatte wie ihre Stimme, als sie weitersprach. Auch nichts ungewöhnliches für ein Straßenmädchen. "Und ich bin hier oben, weil man hier oben kaum von irgendwelchen Kerlen in dunkle Gassen gezerrt wird. Und du?" In den letzten beiden Worten und einer fragend hochgezogenen Braue lag schon fast wieder eine Herausforderung...wenn auch eher eine spielerische. Immerhin war er ja...nur ein Kind.
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Post by Alerio on Jun 14, 2015 20:28:47 GMT
"Wo ist denn 'dort' ?" fragte er neugierig und immer noch skeptisch schauend. "Bist du schon länger hier?" Anders als Alis bewegte sich Alerio kaum, stand immer noch still an der selben Stelle und auch seine Mimik, blieb einfach immer die ganze Zeit skeptisch und abschätzend. "Ich suche nach jemanden" sagte er und legte den Kopf leicht schief. "Vermutlich dich... Hast du ein paar Mädchen ein Messer gegeben?"
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Alis
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Post by Alis on Jun 16, 2015 21:49:48 GMT
Sie musterte ihn mit einer sehr großen Aufmerksamkeit, als wollte sie jedes Detail durch die dunklen Augen aufsaugen. Und wenn man darauf achtete konnte auffallen, dass dieser Eindruck auch entstand, weil sie nicht blinzelte. Oder wirklich zu selten und zu absichtlich. Auf seine letzte Frage hin zuckten ihre Mundwinkel kurz nach oben, auch wenn sie gleichzeitig etwas erstaunt die Brauen hochzog und ihn mit leicht schräg gelegtem Kopf noch mal musterte. Als ergäbe das so ein anderes Bild: "Na...dort ist die Küste von Burgund. Toulon...", beantwortete sie seine Frage: "...und ich bin noch nicht lange hier. N paar...Tage." Die kurze Pause vor dem letzten Wort schien fast absichtlich zu sein. Möglicherweise zumindest. Dann lächelte sie schräg und sah ihn dennoch neugierig an: "Das haben sie dir tatsächlich gezeigt? Wieso?"
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Post by Alerio on Jun 16, 2015 22:33:04 GMT
Blinzeln war etwas, dass selbst Menschen nicht wirklich auffiel. Daher blinzelte auch Alerio nicht. Er achtete nicht einmal darauf ob er es tat, weil es gemeinhin niemanden auffiel. So viel ihm dies auch bei Alis nicht auf. Doch wenn sie besonders darauf achtete, mochte es ihr vielleicht auffallen.
Er hatte keine Ahnung von Geographie und da sie einfach so in die dunkle Nacht gedeutet hatte, woher sollte er da wissen wo Toulon ist. Doch es war ihm auch gar nicht darum gegangen...
"Und in Toulon hast du also italienisch gelernt? Ein Straßenkind?" fragte er sie mit offener Skepsis. Nachdenklich wiegte er den Kopf von einer Seite zur anderen, während er sie musterte. Bisher hatte er sie einfach nur seltsam gefunden, doch nun, schien er tatsächlich daran zu zweifeln, dass sie ein Waisenkind war. "Ich habe noch kein Straßenkind, Dieb oder Bettler gesehen, der etwas freiwillig herausrückt. Was dir einmal gehört, gibst du nicht wieder her. Ist das nicht so auf der Straße?" fragte er sie herausfordernd und ignorierte dabei bewusst ihre Frage. "Warum solltest du fremden Mädchen etwas schenken? Und ausgerechnet ein Messer, das du selbst benutzen könntest?"
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Alis
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Post by Alis on Jun 17, 2015 17:57:39 GMT
Sie verschränkte angesichts seiner offenen Skepsis die Arme und überlegte einen Moment, bevor ihre Mundwinkel auf seine letzten Fragen hin überrascht zuckten und sie den Kopf schüttelte.
"Schenken? Na...ja, sie haben mich überfallen.", stellte sie fest, ohne, dass das empört klang. Es war einfach eine Feststellung, wenn auch in einem irgendwie zu sorglosen Ton für so einen bedrohlichen Zwischenfall. "...und da ich kein Geld dabei hatte, hab ich ihnen das Messer gegeben. War nicht mein einziges, und gehört auch eher einem Seemann, der...vielleicht nicht mehr hier herumläuft, oder doch....aber nach mehr haben sie nicht gefragt."
Als fände sie das auch etwas seltsam, zuckte sie die Schultern. "Außerdem hatten sie offenbar kein Einziges, was schlecht ist, wenn man Leute überfallen will. Wirkt nicht so überzeugend. Aber an sich fand ich ihre Idee immerhin schon besser, als die dämliche Idee, sich selbst zu verkaufen. Du nicht?"
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Post by Alerio on Jun 19, 2015 21:29:27 GMT
Er schaute sie aus leicht zusammengekniffenen Augen an. Sie war nicht auf seine Anmerkung eingegangen. "Obwohl du ein Messer dabei hast, gibst du es einer Gruppe unbewaffneter Mädchen, weil sie dich 'überfielen'? Das nenne ich schenken. Du hättest sie mit dem Messer locker verscheuchen können." "Natürlich ist das besser" antwortete er ihr mit einem finsteren Blick. "Du wolltest ihnen also helfen? Einfach so?" fragte er skeptisch, verwirrt aber auch neugierig. "Du bist seltsam" sagte er offen heraus, aber mit einem leichten Lächeln, das sogar etwas freundlich wirkte.
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Alis
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Post by Alis on Jun 20, 2015 18:58:29 GMT
Dass sie einfach vergessen hatte, auf seine Anmerkung einzugehen, erschien tatsächlich unwahrscheinlich.
Sie musste unweigerlich schmunzeln, als er darauf bestand, dass sie das Messer verschenkt hatte und auf seine letzte Feststellung lachte sie tatsächlich kurz auf. Es klang allerdings nicht nach auslachen, nur belustigt: "Aha, seltsam." Die Belustigung ging in ein Lächeln über, das auch freundlich wirkte.
"Es ehrt dich ja, dass du dir so viele Gedanken und Sorgen um die anderen machst, aber warum macht das nicht einer von den Älteren unter euch? Oder haben die dich geschickt?"
Einen Schritt trat sie nach vorne am Dachrand, der diesmal unter ihrem Fuß ein bedenklich knirschendes Geräusch von sich gab, so dass sie das Gewicht doch wieder auf den hinterem Fuß ließ.
"Und..." Sie sah etwas nachdenklich an ihm vorbei: "...bien, ich habs ihnen nicht einfach so gegeben, aber das hab ich ja schon gesagt, n´est-ce pas? Sie sollten sich selbst helfen können. Wer sollte es sonst tun? Ich hatte das zweifelhafte Glück, dass mir das wer gezeigt hat, aber...eben nicht einfach so." Ihre Miene verdunkelte sich, bis sie zu Alerio zurücksah. Dann nahm sie die verschränkten Arme auseinander und die dunklen Wolken über ihrer Miene wegwedeln. Was nicht ganz funktionierte: "Wenn man sich nicht selbst helfen kann, gibt immer irgendeinen...Erwachsenen, der die Lage ausnutzt, um...uns...wie kleine Hunde oder Mäuse abzurichten, für...seine eigenen Zwecke, nicht?" Es lag Wut in ihrer Stimme, knapp unter der Oberfläche, nicht offen genug, um sie lauter sprechen zu lassen und nicht gegen den Jungen gerichtet. Aber es spiegelte sich in ihren Augen wieder, ein schwarzer, unruhiger Funke, der in den Augen eines Menschen sehr beunruhigend gewesen wäre und dort vielleicht auch nicht hingehörte. Dann biss sie sich auf die Unterlippe und ballte die Hände zu Fäusten: "Gibts hier vermutlich auch, oder?"
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