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Post by Acacia della Velanera on Aug 30, 2014 19:45:46 GMT
Die Sonne stand flammend am blau schimmernden Himmel und wärmte seine von Narben gezeichneten Hände, die locker auf der Reling lagen. In ihrem Licht glänzte der Rumpf des Schiffes beinah golden und ließ es prachtvoller erscheinen als es war. Rufe gellten durch die salzgeschwängerte Luft, während die Mannschaft wie kleine, fleißige Mäuschen über das Deck huschten und das Schiff langsam zum Halten brachten. Nur ein lächerlich kleiner Streifen funkelnden Wassers trennte die Pracht vom Elend. Gnadenlos hob das helle Licht jede dunkle Ruine, jeden Schandfleck, jede Lücke hervor. Genua war einst eine prächtige Stadt gewesen, doch die Mauren hatten davon nicht viel übrig gelassen.
„Señor?“ erklang die ehrerbietige Stimme des Kapitäns hinter ihm und war kaum wieder zu erkennen. Seine Männer hatte er gnadenlos im Griff, aber dieser Mann … dieser Jüngling machte ihm Angst. Alberico wusste, dass seine Züge noch jung waren. Gerade eben so erwachsen. Aber seine Lippen bildeten eine harte Linie und die haselnussfarbenen Augen blickten kalt. So als kümmerte es ihn einen Dreck ob der Mann vor ihm nun lebte oder starb. Was den Tatsachen entsprach.
Er löste sich von der Reling und für einen Moment blähte sich der dunkle Umhang und gab den Blick frei auf Leder und Ketten. Keine allzu schwere Rüstung, aber doch schwer genug. Ein Schwert hing an seiner Seite in einer schlichten, ledernen Scheide. Aber der Kapitän hatte die Klinge gesehen. Feine Ziselierungen zogen sich darüber und sie schimmerte blau im Licht. Ein Schwert, welches von den verfluchten Mauren geschmiedet worden war und tödlicher, als alles was sie hatten. Ebenso wie der Señor.
„Bringt die Kiste hinauf und seid gefälligst vorsichtig.“ Seine Stimme war dunkel und voll und er sprach leise. Er hatte es nicht nötig lauter zu werden. Man konnte auch so das Eis darin hören. Beinah lautlos schritt er über das Deck und kletterte dann behände in das Beiboot, welches ihn an Land bringen würde. Die Hände des Matrosen neben ihm zitterten, als er die mit schwerem Eisen beschlagene Truhe entgegen nahm und sie vorsichtig neben dem dunkel gewandeten auf den Boden des kleinen Bootes stellte.
Er befand sich nun schon seit zwei Wochen in der Stadt und die Suche zerrte an seinen Nerven. Er wusste nach was er Ausschau halten musste, wo man verräterische Anzeichen fand, aber diese Stadt …. sie war nicht seine Heimat.
Es dauerte noch einmal so lange bis sich endlich Erfolg einstellte. Er hatte Lucio der Allesfresser, il Onnivoro, die rechte Hand, Richter und Henker des Grafen, von dem man sagte, dass er mit finsteren Kräften im Bunde stand, aufgetrieben. Die Verhandlungen dauerten erneut an. Er wollte das Schreiben seiner Herrin nicht aus der Hand geben, der Allesfresser ihn nicht einfach so zur weißen Prinzessin lassen. Sie rangen um jeden Millimeter und einigten sich schlussendlich doch. Er wusste, dass seine Herrin nicht glücklich darüber sein würde, dass er so lange gebraucht hatte, aber immerhin hatte er es geschafft.
Als ihm schließlich gestattet wurde der Herrin der Stadt seine Nachricht zu überbringen, führte er eine kleine Kiste mit sich, sowie ein versiegeltes Schreiben. Beides übergab er widerstandslos an die Diener der Prinzessin und zog sich dann zurück um zu warten.
Der Brief war aus schwerem Pergament und mit blutrotem Wachs verschlossen, dieses mit Band und Siegel versehen. Das Papier trug den entfernten Geruch sommerschwerer Rosen und die königsblauen Buchstaben stachen präzise und klar hervor, nur mit einem Hauch weiblicher Weichheit versehen.
Die nicht besonders große Kiste bestand aus poliertem und geöltem Olivenholz. Immer und immer wieder war das Holz erst geschliffen worden, ehe man es tausendfach geölt und poliert hatte bis man sich darin spiegeln konnte. Sie war schlicht von ihrer Gestalt, aber schwer und glatt. Der Deckel schloss perfekt und kein Scharnier war zu sehen. In der Kiste fand sich ein Bett aus weißer Seide auf rotem Samt und darin eingebettet ein Flakon aus Gold und Glas. Ein kunstvolles Stück Handwerkskunst, selten in seiner Perfektion und Ausführung. Der Stoff, auf dem er lag, war weniger Polsterung, als eine weitere Gabe. Genug davon lag, in sorgsame Falten gelegt, in ihr um daraus ein Kleidungsstück zu fertigen, wenn es nicht gerade ein prunkvolles Ballkleid sein sollte.
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Post by Il Narratore on Aug 30, 2014 20:54:57 GMT
Man hatte Alberico gestattet, sich bis zur Schwelle des Atriums vorzuwagen. Einen Blick hatte er werfen dürfen auf die Prinzessin, wie sie um das Regenbecken herumschlenderte. Welt und Gott vergessen nur mit sich beschäftigt und ihrem Spiegelbild im flachen Wasser war sie hinter den Säulen am anderen Ende des Atriums gewandelt, die zarten Füße blank auf dem alten Marmorboden und wie aus diesem eben erst gewachsen. Dann hatte sich ihm Lucio in den Weg gestellt, in all seiner Pracht. Allesfresser hieß er, doch war dies schon sein zweiter Name. Zuerst hatte man ihn als maiale, als Schwein beschimpft, weil er wie eines fraß. Weil seine kleinen Äuglein wie die eines Schweines aus dem kahlen, fettigen Gesicht starrten. Weil er dick und rosig war wie ein Ferkel und schon am Vormittag zu schwitzen anfing. Der breite Mann verdeckte den Blick auf die Prinzessin und grinste breit, dümmlich. "Du hättest sie mir gleich geben können", schien sein Gesichtsausdruck zu sagen, als er die schwere Kiste von Alberico entgegennahm und eine gewisse Häme strahlte von ihm aus, dass er im selben Raum wie seine Göttin sein durfte. Wie ein Lächeln war die Seide durch ihre Finger geflossen, auf und ab, das alte Gefühl genießend. Die Freude in ihrem zarten Gesicht und die selige Erinnerung stammte noch aus einer Zeit, in der man sich noch nicht für ein wenig Stoff ruinieren musste. Eine Zeit, in der sie öfters diese Wunder der Zivilisation getragen und darin getanzt hatte. Schließlich nickte sie. "Mir steht der Sinn danach", sagte sie und betrachtete weiter die Seide. Eine Woche später suchte Lucio den Sendboten der Lasombra auf. Er trug nichts am Leib als Eisen und sein eigenes, zu Leder gegerbtes Fleisch. Und eine Rolle Papyrus, ebenfalls mit rotem Wachs versiegelt. Dem Señor nickte er ohne große Freundlichkeit zu, auf einen Wink der fetten Hand hin fiel die Rolle in die erwartungsvolle Hand. "Ihrer Majestät steht der Sinn nach Gesellschaft", erzählte der Allesfresser. Die Schrift, die Alberico zurückbringen sollte nach Pisa, war denkbar klein und unscheinbar. Wie mit einem Keil getrieben - eckig und scharf. Das Siegel bestand aus zwei ineinander geschobenen Dreiecken, über denen ein Blitz aufleuchtete - ein stilisiertes Herdfeuer. Werte Acacia, Neugeborene vom Blut der Schatten,
euer Anliegen erfüllt mein Herz mit Freude, euer Geschenk schmeichelt meinem Sinnen. Seid mir willkommen in meinem Genova, willkommen in der Nacht und meiner Domäne! Segelt auf schnellen Winden, auf dass ihr bald meinen sicheren Hafen erreichen möget.
Aurore, Prinzessin Genua.
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Post by Acacia della Velanera on Aug 31, 2014 0:04:27 GMT
Es kümmerte Alberico wenig mit welcher herablassenden genugtung ihn der schweinische Mann behandelte. Viel mehr spürte er eine tiefe, alles verzehrende Freude, dass er den Auftrag seiner Herrin erfüllt hatte. Was war da schon der Spott eines fetten, übel riechenden Etwas gegen? Als er die kostbare Schrift schließlich – endlich – erhielt betrat er noch am selben Tag erneut das Schiff. Es hatte ihn schon zu viel Zeit gekostet und er wollte nicht noch eine Stunde mehr als nötig von IHR getrennt sein. Jedem Gestirn, um welches sein Leben sich drehte. Dennoch dauerte es noch weitere Wochen, ehe die grauen Segel mit dem schwarzen Wappen darauf, welches in der Mitte von einem goldenen Balken geteilt wurde, darüber zwei goldenen Sterne, darunter einer, erneut am Horizont zu sehen waren. Diesmal kam es jedoch nicht allein, sondern wurde von zwei waffenstarrenden Kriegsschiffen begleitet. Vielleicht mutete es übertrieben an, doch seine Fracht war viel zu kostbar um von irgendeinem dahergelaufenen Piraten aufgebracht zu werden. Sie ließ sich von Alberico von Deck helfen und betrat zum ersten Mal genuer Boden. Ruhig atemtete sie einmal tief ein, ohne dabei einen Laut zu verursachen. Sie wollte die Stadt kennen lernen, ihre Stimmung. Für einen Moment verharrte sie so und betrachtete nachdenklich die Stadt. Erst dann senkte sie sittsam den Schleier über die hellen Züge und schritt gelassen zu der wartenden Kutsche. Sie ignorierte die nervös tänzelnden Pferde und schwieg auf der gesamten Fahrt. Es dauerte nicht lang bis sie das Haus erreichten. Es zeigte beeindruckend wenige Beschädigungen und war doch groß genug. Erst im Innern konnte man erkennen, dass auch hier geplündert worden war und doch waren die meisten Spuren schon beseitigt worden. Ein paar leise Worte ihrerseits genügten um den ganzen Haushalt in Aufruhr zu versetzen, während sie sich zurückzog. Viele Dinge wurden herbei gebracht. Truhen, Möbel, Menschen, Tiere. Es dauerte seine Zeit ein ganzes Schiff zu entladen und doch war es am nächsten Abend geschafft und es war sogar so weit, dass Acacia kaum einen Mangel feststellte, als sie sich erhob. Erneut entsandte sie ihren treuen Diener eine Nachricht zu überbringen.
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Post by Il Narratore on Aug 31, 2014 9:06:57 GMT
Dieses Mal kam die Antwort schneller, der Gesandte aber gar nicht erst bis in die Villa. Lucio fing ihn am Eingang ab. Man erwartete ihn, denn man hatte die Segelschiffe bemerkt, die Pisani und den herausgeschleppte Hausrat. "Ihre Majestät wünscht, die verehrte Signora della Velanera an den Kalenden des nächsten Monats zu sehen", sagte er, ohne das Siegel der Lasombra erbrechen zu müssen.
Die zukünftige Via Garibaldi, das Herzstück Genuas, ein flirrender, summender Abgrund der Geschäftigkeit und der Dekadenz - ein Palast nach dem anderen, eine Villa schöner, größer als die vorherige. Damals lag sie noch ausserhalb der Stadtmauern und war so fern jeglicher Pracht, dass nur eine einzige Villa dort stand. Eine Villa Rustica, irgendein Landgut eines römischen Adligen, vor Unzeiten erbaut um einem armen Manne Zuflucht vor den Verpflichtungen des Geldes, des Standes und des Gemeinwesens zu bieten. Das Hauptgebäude war bereits restauriert worden entsprechend dem ausgefallenen Geschmack des Grafensohnes, der bis zur Fertigstellung seines Schlößchens dort residierte. Die Nebengebäude und Unterkünfte des Gesindes, die Kasernen und Unterkünfte für die gräfliche Wachen, Pferde, Schmiede und allen Rest eines wohlgeborenen Gefolges, standen funktionabel aber unschön darum herum. Sie schlossen das Hauptgebäude mit seinen gräflichen Zimmern in einer Art Hof ein. Umgeben war die ganze Ansammlung nocheinmal von einer hüfthohen Bruchsteinmauer, die mehr eine Abgrenzung als ein echtes Hindernis darstellte.
Acacias Sänfte würde sich gut eine halbe Stunde durch die Nacht schieben müssen, immer entlang der Weinberge des Dörfchens Maddalena und des kleinen Nebenbaches des Polcevera, ehe die Villa in Sicht kam. Die Nacht war erfüllt von der Schwüle des norditalienischen Wetters, dem feuchten, reichhaltigen Geruch der Trauben und dem sanften Rauschen von Wasser. Am Tor erwarteten zwei Wachen die Lasombra mit gekreuzten Speeren und erst die Nennung ihres Namens entlockte ihnen eine Reaktion. Sie traten zur Seite, die Speere knallten auf den Kiesboden und die Männer ihre Handschuhe vor die Brust. "Ihre Majestät heißt euch willkommen", intonierten sie gleichzeitig und gaben den Weg frei, der direkt zum Eingang der Villa führte. Dort wartete erneut Lucio, der die Treppenstufen herab zur Sänfte stieg, um den Gast zu begrüßen.
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Post by Acacia della Velanera on Aug 31, 2014 16:28:28 GMT
Beinah lautlos schwebte die Sänfte in der Nacht dahin, gehüllt in die erstickende Umarmung der Dunkelheit. Ihr Blick war beinah teilnahmslos auf die Landschaft gerichtet. Die Vorhänge nur einen Spalt geöffnet. Genug um zu sehen, aber zu wenig um gesehen zu werden. Ihr Name wurde genannt und sie blinzelte einmal wieder zurückkehrend in diese Welt.
Kurz darauf öffneten sich die schweren, samtenen Vorhänge und der stets hilfreiche Alberico reichte ihr die Hand. Als würde er zulassen, dass solch ein … Schwein wie Lucio seine Herrin berühren würde. Ehrerbietig hielt er den Kopf gesenkt, während sich die blasse, schmale Hand der Lasombra leicht auf seiner behandschuhten abstützte.
Der Stoff des schweren Kleides raschelte leise, als sie sich aufrichtete und sich das Kleid von ganz allein in perfekte Falten legte. Das Oberkleid bestand aus nachtschwarzem Brokat, dessen dunkle, silberfarbene Fäden zart im Licht schimmerten. Ein langer Schlitz ließ das dunkelgraue Untergewand erahnen, welches sich in seiner Schlichtheit von dem eher prunkvollen Obergewand abhob. Dennoch ließ der feine Glanz auf Seide schließen. Die Ärmel reichten bis zur Mitte ihrer Handrücken und waren am Handgelenk und Ellenbogen eng gefasst. Dazwischen waren sie weiter und erneut geschlitzt, so dass wieder der dunkelgraue Seidenstoff zu sehen war.
Schwarz schimmernder Obsidian umwand ihren Hals in einer dreifachen Perlenreihe und war an der Vorderseite mit einer filigranen, sternenförmigen Blüte geschmückt. Ein passender Ring zierte ihren rechten Ringfinger. Ihr Haar war unter einem feinen, schwarzen Schleier verborgen, welcher von einem Reif aus geschwärztem Silber gehalten wurde.
Ihr Blick aus kühlen, uralten Augen, welche die junge Haut und die straffen Züge Lügen straften, traf auf Lucian und für einen Moment schien sie über etwas nachzudenken. Dann erst drehte sie den Kopf zu Alberico. „Warte hier auf mich.“ Ihre Stimme klang leise und dunkel durch die Nacht. Eine passende Stimme für diese eher kühle Frau. Sie trat einen Schritt vor und blickte Lucia ruhig an. „Guten Abend.“
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Post by Il Narratore on Aug 31, 2014 18:09:57 GMT
Lucio deutete eine Verbeugung an, hob den Helm vom Schädel und legte ihn zum Gruß vor seine Brust. "Seid gegrüßt, werte Signora, und willkommen im Heim meiner Herrin", sagte er und richtete sich wieder auf. Mit einem Schritt zur Seite deutete er mit der linken Hand auf die Treppe, während die rechte weiterhin den Helm an seine Brust drückte. "Ich bin Lucio Il Onnivoro. Bitte, tretet ein - Sie erwartet euch bereits."
Die Stufen der schlichten Treppe führten zu einer doppelflügligen Holztür, die weit offen stand und den Blick durch den Flur freigab auf das Wasserbecken des Atriums. Der Flur war leer, abgesehen von den altertümlichen Mosaiken an den Wänden und dem feinen Fußboden, den man zu jener Zeit noch selten sah. Selbst oder auch gerade in diesem ausgebeuteten Norditalien. Das Atrium selbst war frei von aller Ablenkung, ein schlichter, leerer Hof um eine stille Fläche Wasser. Die Schritte Lucios und des Gastes hallten ein wenig darin, warfen sich von den Säulen wieder, schwebten eine Weile über dem Wasser und flüchteten sich schließlich durch das Dach in die Sternennacht hinaus. Direkt gegenüber des Eingangs befand sich der Tafelraum, ein Versprechen von Weiß. "Wir hoffen, eure Reise verlief angenehm?", fragte Lucio mit seiner öligen, schwerfälligen Stimme, um die Laufzeit zu überbrücken.
Schließlich vor dem Raum gegenüber des Eingangs angekommen, der von leichten Vorhängen verdeckt wurde, schlug Lucio die Hacken zusammen. Seine Linke zog den Vorhang zur Seite und er intonierte mit stolz geschwellter Brust: "Ihre Majestät Aurore, Prinzessin Genua, Ahnin vom Blut der Könige. Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige." Einen Moment holte er tief und scharf Luft, wie als Anlauf für eine weitere Liste an Titeln. "Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige. Kind des Ventrue, erster seines Blutes. Kind des Enoch, des Weisen. Kind des Kain, des Vaters."
Das Geschöpf, dem all diese Titel galten, sah bemerkenswert schlicht aus. Ein Lächeln in marmornem Gesicht, braunes Haar keusch über die Schulter geflochten, weißes Kleid bis auf den Boden. Ihr Gesicht zeigte sie offen und kein Schmuck, keine Tiara oder Ring versuchte mit ihrer eigenen Schönheit zu konkurrieren, die sich nur mit dem Wort perfekt beschreiben ließ. Es war leicht zu sehen, warum sie die Prinzessin war, über die in so kurzen Jahren eine Unzahl an Gerüchten emporgesprossen war: Ihr Lächeln allein hätte tausend Schiffe segeln lassen können. Sie hatte die Beine angewinkelt, sodass die Spitzen ihrer Sandalen gerade noch den Boden berührten. Der Thron unter ihr war so schlicht wie prunklos: dunkles Eichenholz mit purpurnem Samt bespannt. Ihre nackten Unterarme setzten sich von dem fast schwarzen Holz ab, so wie Milch sich von Tinte absetzt, und die Kuppen ihrer Finger ruhten locker auf der Mähne der Löwen am Ende der Armlehnen. Neugierig legten sich ihre blauen Augen auf die Lasombra.
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Post by Acacia della Velanera on Sept 4, 2014 17:23:04 GMT
Ihr Kopf neigte sich in dieser Art, wie sie es die Frauen aus den höchsten Kreisen im Blut zu haben schienen. Mit Grazie und Eleganz nahm sie seine Anwesenheit und seine Existenz wahr und befand sie doch mit dieser Geste als unter ihr stehend. Was vermutlich jeder tat, der nicht Gott war. Sie schritt neben ihm her und nur das leise Rascheln des Stoffes zeugte von ihren Schritten. Den Rücken kerzengerade hielt sie die Hände anmutig und sittsam vor dem Körper gefaltet. „Danke, sie war angenehm genug.“ Erwiderte sie in perfekter, kühler Höflichkeit auf seine Frage, jedoch ohne ihn anzublicken. Ihr Blick war auf die Szenerie am Ende des Ganges gerichtet, selbst wenn sie durch die Vorhänge praktisch nichts sehen konnte. Allerdings war praktisch nicht immer noch etwas und etwas ein paar Sekunden früher zu wissen, konnte durchaus entscheidend sein.
Als sie durch den Vorhang trat und das zackige Knallen hinter ihr erklang, richtete sich ihr Blick sofort auf die zarte Gestalt der Prinzessin. Doch nur für einen kleinen Augenblick ruhte ihr Blick auf der Gestalt. Die Zeit, die es brauchte, bis sie zwei Schritte von der ‚Tür‘ entfernt war. In einer fließenden Bewegung hoben die zartgliedrigen, weißen Hände den schwarzen Stoff an und sie versank in einem tiefen Knicks, ihr Nacken beugte sich ehrerbietig, während das Kleid sich elegant um sie herum aufbauschte. Ohne das geringste Beben oder Zittern in dieser unbequemen Position verharrte sie und lauschte der kurzen Liste an Namen, um sie sich sogleich einzuprägen.
Erst eine zarte Geste ließ sie aus ihrer Erstarrung erwachen und sie richtete sich wieder auf und blickte ihr Gegenüber an. Die Fortführung jener Geste ließ erneut höflich den Kopf senken, so ganz anders als sie es bei dem …. Herold getan hatte. „Ich danke euch für eure Gastfreundschaft, Majestät. Ich bin Acacia della Velanera, Kind des Alexander, Ahn vom Clan der Schatten, Kind der Marcillina, Ahnherrin des Clans der Schatten, Kind des Eli, Ahnherr des Clans der Schatten, Kind des Saadi, Ahnherr des Clans der Schatten, Kind von Tubalcain, Ahnherr des Clans der Schatten, Kind Lasombras, des Ersten seines Blutes.“ Respekt schwang in ihrer Stimme mit und sie ließ jeden Namen so klingen, als könnte sie Bücher mit Geschichten über diese Personen füllen. Was vermutlich den Tatsachen entsprach.
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Post by Il Narratore on Sept 4, 2014 18:56:54 GMT
Ihre rechte Hand erhob sich vom düstren Holz, das Handgelenk aus Marmor drehte sich, ihre makellosen Finger bedeuteten der Lasombra aufzustehen und Rechenschaft abzulegen. Hierauf neigte sich der Schwanenhals sacht, die kirschroten Mundwinkel zogen sich ein Stück weit nach oben. Die Prinzessin erkannte die Abstammung des Neonaten und damit sie als...zumindest von Geblüt an.
"Ave. Antiquam linguam potens es?" [Grüße. Der alten Sprache bist du mächtig?] Die Ahnin hatte gesprochen - ein Anblick, der eines Gottes wert gewesen wäre. Die Lippen öffneten sich sanft, ein süßer Brodem entströmte dem so jung scheinenden Busen, wie der Scirocco die Kühle der Nacht vertreibend. Die Augen lagen wach auf dem Mädchen. Und doch war nicht ihr Anblick das bezauberndste, diese Schönheit und Süße, die fast unschuldige Art, auf die sie das Erscheinungsbild der Anderen abmaß. Ihre Stimme, ihre Stimme allein versprach tausend Gelüste, liebkoste die Seele wie Honigwein und das Herz wie kein Mädchen ihres scheinbaren Alters es sollte. Sie klang wie eine Silberglocke in der Dämmerung, wie das Flüstern einer Geliebten. Die Finger der Prinzessin wanderten zurück auf die Löwenmähne ihres Thrones, sanft das Holz kraulend, als handelte es sich bei den Schnitzereien um echte Tiere. Je nach Antwort der Lasombra fuhr sie dann fort, unberührt lächend in Latein oder mit einer spöttisch hochgezogenen Braue in dem vulgären Dialekt Norditaliens: "Ich bin neugierig, Neonata, auf euer Schiff und euer Gepäck. Es ist nicht zu leugnen: Eure Gabe gefällt mir. Ich dachte die Straßen nach Baktrien und den Osten überwuchert. Seit einer ganzen Weile habe ich keine Seide mehr auf meiner Haut gespürt."
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Post by Acacia della Velanera on Sept 4, 2014 22:07:24 GMT
Sie war beeindruckend in ihrer Zartheit und man mochte einen Hauch davon auf den Zügen der Lasombra erkennen. Sie konnte sich nicht gegen die Süße dieses alten Raubtiers wehren, aber man hatte ihr von ihrem ersten Atemzug und vom ersten Blutstropfen an Benehmen eingeprügelt. Also ließ sie sich nicht zu übermäßigen Gefühlsregungen hinreißen. Ihre Hände falteten sich wie von selbst wieder vor der Körpermitte und sie blieb gerade und aufrecht stehen, ohne zu verbergen, dass ihre Gestalt doch recht groß geraten war.
Auf die Frage der Ahnin neigte sie bestätigend den Kopf. Ja, sie sprach Latein. Natürlich tat sie das. Dennoch unterbrach sie die Ältere nicht und lauschte ihr aufmerksam. Sie lauschte auf die kleinen Laute, die Betonungen, die anders waren, als sie sie kannte und zog daraus ihre Schlüsse. Die Worte selbst zauberten ein Lächeln auf die fein gezeichneten Lippen der Schattenhaften.
„Es erfordert harte Arbeit diese Waren sicher in unsere Gefilde zu bringen und doch ist es möglich, wenn man fleißig ist und sein Ziel nicht aus den Augen verliert. Und für jemanden wie euch, scheint diese Arbeit gerade gut genug.“ Ihre Stimme klang rein und kultiviert, aber man hörte dennoch, dass Latein ein gelernte und keine gelebte Sprache für sie war. Sie sprach sie fließend und man konnte auch keinen Fehler entdecken, aber dennoch war es etwas zu perfekt, zu sauber und zu … unpersönlich.
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Post by Il Narratore on Sept 4, 2014 23:43:50 GMT
Die Sprachführung der Prinzessin dagegen war nichts Eingeprügeltes, nichts aus alten Büchern und mittels komplexer Tabellen Erlerntes. Aurore hatte Latein mit der Muttermilch aufgesogen, in den Gassen ihrer Kindheit gehört und schließlich ihren Liebhabern in die Ohren geflüstert - sie war ganz und gar persönlich. Mit ihren Worten tanzte die Ventrue, umarmte die Lasombra mit der edlen Größe ihrer Sätze und Bemerkungen. Mit ihrer Stimme verzauberte sie, ganz ohne Aufwand, ohne Zwang und Drang, umwarb und umwickelte die Neugeborene.
"Ihr seid also eine Frau von Welt und Verstand, wenn ihr derlei Unternehmungen handhaben könnt. Doch frage ich mich: Was treibt die Schiffe der Pisani hierher? So gerne ich anderes behaupten möchte, mein armes Genua wurde gebeutelt von den Jüngern des letzten Propheten." Eine Bewegung ihrer rechten Hand in Richtung der Stadt sollte ihre ganze Domäne umfassend andeuten, mit all seinen Ruinen, mit den Aschefeldern und den überfüllten Gräbern und geplünderten Kirchen. "Leid und Armut neigen nicht dazu, Händler anzuziehen - oder die Schatten."
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Post by Acacia della Velanera on Sept 5, 2014 20:49:05 GMT
Es war angenehm hier zu stehen und ihr einfach nur zu lauschen. So leicht ließ diese Stimme vergessen wer ihr Gegenüber wirklich war. Dennoch zwang Acacia sich im Hier und Jetzt zu bleiben und nicht zu vergessen welches Raubtier hinter jenen zarten Zügen auf einen Moment der Schwäche lauerte.
Das Lob brachte sie dazu ihr Haupt erneut ehrerbietig zu senken und ein kleines Lächeln auf ihren Lippen zuzulassen. Doch verblasste es schnell wieder um die klaren Züge der Schattengeküssten in ruhiger Aufmerksamkeit zurück zu lassen.
„Ich bin jung für unsereins. Kaum mehr als ein Kind und doch alt genug um auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Die Schatten in Pisa sind tief, dunkel und uralt. Sie können selbst für eins ihrer Kinder erdrückend wirken und kaum Raum lassen um sich zu entfalten. Eure Stadt mag arm sein und wurde beinah zu Asche verbrannt, doch ist Asche ein nahrhafter Boden.“ Sie sprach ruhig und klar, ganz in sich selbst ruhend. Sie hatte keine Angst, nur tiefen Respekt. Ihre Hände hatten sich aus ihrer ruhenden Position gelöst und unterstrichen nun ihre Worte mit kleinen, zarten Gesten, die typisch weiblich wirkten. „Zudem bin ich gut darin aus Nichts Gold zu machen … und, verzeiht meine Worte, hier gibt es viel Nichts. Was jedoch auch dazu führt, dass es hier wenig andere Kainskinder gibt und damit mir die Möglichkeit meinen eigenen Platz in der Welt zu finden.“
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Post by Il Narratore on Sept 6, 2014 11:51:19 GMT
Silberglocken ertönten in der Nacht, als die Prinzessin den Kopf in den Nacken legte und lachte. Es war eine bezaubernde Geste, mit der sie den linken Handrücken vor den Mund hielt und hell auflachte, eine unaufdringliche aber ansteckende Freude. "Eine kühne Behauptung und eine gewagte Aussage", tadelte sie scherzhaft und ließ nur langsam die Hand und das Lachen fallen. "Ich erinnere mich noch gut daran, jung und rastlos gewesen zu sein." Die Freude wich aus ihrem Gesicht, das ehern wurde. Ihre Augen verengten sich ein wenig und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. "Ich erinnere mich gut, wie es war, ambitioniert zu sein..."
Ein Hauch von Weihrauch schien sie zu umwehen, als sie schließlich ihre Warnung beiseite wischte und intonierte: "Ich akzeptiere euch hiermit in der Domäne Genua, Acacia della Velanera, Kind des Alexander aus der Linie Tubalcains. Wisset, dass alles Land und Blut vom Buccebovis bis zum Bisagno, von Lucculus bis zum Meer das meine ist. Sündigt gegen eines davon und ihr vergeht euch gegen mich. Es sei euch erlaubt, euch innerhalb dieses Gebietes zu nähren und niederzulassen nach eurem Gutdünken." Bedächtig hob sie die rechte Hand, wie zum Schwur oder als Einwand, die Handfläche nach vorne gestreckt. "Meine Herrschaft sei euer Schild, solange ihr innerhalb der Mauern des Frankenkönigs verweilt. Wisset auch, dass diese Herrschaft ihren Preis hat, Acacia, und dass es eure Pflicht ist den Erhalt dieser Aegis zu gewährleisten."
Sie wurde wieder zugänglicher, ein Stück der Anspannung wich auch von ihr und sie ergänzte mit etwas weicherer Stimme: "Wenn die Sarazenen wiederkommen, müssen wir bereit sein. Seid euch bewusst, dass eure Schiffe und Truppen zur Verteidigung der Stadt eingezogen werden. Beweist mir eure Fähigkeit, der öffentlichen Sache zu dienen und Ich werde über euren Platz in der Domäne nachdenken."
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Post by Acacia della Velanera on Sept 12, 2014 21:03:50 GMT
Sie beobachtete wie jenes zarte Mädchen lachte und ihr Herz wollte aufgehen, doch sie war zu alt und ihr Herz schlug schon zu lang nicht mehr, als das es zu einem solch menschlichen Fehler in der Lage gewesen wäre. Also wartete sie mit lediglich dem Hauch eines Lächelns auf den blassen Lippen. Und dann kam sie auch, die Ermahnung. Der Blick der Lasombra verbarg sie für einen Moment hinter den hellen Lidern und ihr Kopf neigte sich eine Spur nach vorn. Sie hatte die Warnung vernommen und es war obsolet zu erwähnen, dass sie niemals die Dreistigkeit besäße nach der Macht der Ahnin zu greifen. Schließlich wussten sie alle, dass sie dafür noch viel zu jung war. Noch.
Doch die zarte Dame der Stadt sprach die ersehnten Worte und verdrängte damit jeden vorherigen Gedanken und ehrliche Freude blitze in den dunklen Augen der anderen Frau auf. Ahnen waren häufig kapriziös und in ihren Entscheidungen nicht immer durchschaubar und schon gar nicht vorhersehbar. So war es eine Erleichterung und sie konnte oder wollte ein tieferes Lächeln nicht unterdrücken.
Zu ihren nächsten Worten nickte Acacia, während ihre Züge sich zu einer ernsteren Maske glätteten. „Wenn Ihr wünscht, werde ich mich darum kümmern, dass der Hafen befestigt und ausgebaut wird, so dass die Sarazenen sich an eurer Stadt die Zähne ausbeißen und an anderen Orten nach leichterer Beute Ausschau halten.“
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Post by Il Narratore on Sept 13, 2014 9:44:25 GMT
"Mein Wunsch ist es, mein Volk zu sichern. Die Sarazenen kamen nicht durch den Hafen, sondern landeten zwischen Sanctus Marcellinus und Sanctus Syrus, um dort ungestört ihre zweihundert Schiffe zu entladen und sich wie Wölfe über das Umland herzumachen." Die Ahnin ließ diesen kleinen Fakt eine Zeit im Raum schweben, um ihn sich entfalten zu lassen, um die Größe, die schiere Dimension dieses "Überfalls" die Stille füllen zu lassen. Eine übliche Galeere brauchte bereits zehn bis fünfzehn Mann Besatzung. Eine Flotte von zweihundert davon, vollgestopft mit blutrünstigen Muslimen musste wahrhaft eine Streitmacht sein. "Einen sicheren Haften hatten wir also bereits das letzte Mal", stellte Prinzessin Aurore mit einem dünnen Lächeln fest. "Gebt meinem Volk Arbeit und Brot und lockt jene an, die keines von beidem haben. Auf welche Weise, das sei euch überlassen. Bringt mir nur mehr Blut und Eisen in meine Stadt und ich will euch belohnen." Der bleiche Arm, eben noch zum Schwur erhoben, senkte sich und wischte Acacias Angebot mit einer Geste beiseite, die sie gleichzeitig entließ.
Nach ihrer Verabschiedung geleitete Lucio sie wieder hinaus. Er zeigte sich auf dem Weg zu ihrer Sänfte deutlich gesprächiger, nachdem sie erst einmal das Atrium hinter sich gelassen hatten mit seinem stillen Wasserbecken und den Mosaiken. "Scusatemi, Signora", sagte er auf Italienisch und so leise, dass seine Worte sich nicht von den Wänden wiederwarfen, "aber der Hafen ist, mit Verlaub, keine schlechte Idee. Meine Männer hören Gerüchte und Geschichten, die mir das Blut in den Adern erkalten lassen, über Geister und Ungeheuer, die den Hafen unsicher machen, sodass niemand sich mehr dorthin traut. Wenn das Tor zur Welt dieser Stadt verschlossen bleibt, weil der Pöbel sich selbst vor ihm fürchtet, dann werden wir in Isolation umkommen."
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