|
Post by Benedetto on Dec 19, 2014 9:50:56 GMT
Beinahe zärtlich glitten die dicken Finger über den Arm, über die kalte bleiche Hand mit den abgebrochenen Fingernägeln. Am Ringfinger hielten sie inne, betasteten ihn, hoben ihn an. Eine stählerne Spitze fuhr unter den Rand des Nagels, schob einen blutigen Fetzen hervor. Fachkundige bleiche Augen begutachteten das Fleisch, bevor es auf einem kleinen Stück Holz niedergelegt wurde. Totes Fleisch von einem toten Körper - und doch gehörte es nicht zu der Toten. Fremdes Fleisch.
Die dicken Finger tasteten weiter, über den weißen Torso hinauf zu den Brüsten, hielten dort an. Die Zunge des Untersuchenden zwängte sich durch seine Lippen, fuhr in einem Kreis darüber. Dann schauderte der fette Leib und die Hände wanderten über das Schlüsselbein bis zum Hals. Bis zu der Öffnung. Eine der Hände hielt eine stählerne Klemme, weitete das Loch. Die andere fuhr hinein. Sie befühlte die Luftröhre - durchtrennt - und die Speiseröhre - beinahe intakt. Das Werk eines erfahrenen Täters.
Der fette Mönch trat einen Schritt zurück von dem Untersuchungstisch, hin zu einem kleinen Kohlebecken, auf dem ein Topf mit Wasser stand. Rasch tauchte er die Hände hinein, zerrieb dann ein kleines Stück Seife dazwischen und wusch sie erneut ab. Dann nahm er den Topf herunter - er war schon fast zu heiß - und trat an ein Stück Pergament heran. Streichelte es. Dann nahm er einen Federkiel zur Hand und begann, zu schreiben.
Die Worte füllten den Raum neben der kunstvollen Zeichnung eines Körpers. Zu kunstvoll, vielleicht, denn der Zeichner hatte mit obszöner Lust jedes anatomische Detail des weiblichen Leibes ausgeführt. Tot und doch beinahe verlockend. Doch nun starrten die bleichen Augen nicht auf die Malerei, sondern auf die Worte. "...Körper in gutem Zustand, von professionellem Einschnitt im Halsbereich abgesehen..." "...weibliche Anatomie geeigneter für Experiment..." "...weitere Erkenntnisse zu erwarten."
Ächzend erhob sich der Mönch von seinem Hocker und wackelte zurück zum Untersuchungstisch, wo er ein kleines Messer zurechtlegte. Die Klinge funkelte im wenigen Licht der Öllampe, scharf und erwartungsvoll. Mit zärtlicher Geste strichen die dicken Finger die Haare aus dem toten Gesicht. Dann setzten sie einen metallernen Löffel an der Augenhöhle an, ließen ihn am Sehorgan vorbeigleiten. Vorsichtig, ganz vorsichtig drückte der Beleibte den Augapfel heraus und trennte den Sehnerv mit einer einzigen Bewegung des Messers durch.
Für einen Moment blickten seine bleichen Augen in die leblose Iris. Dann öffnete sich sein Mund und verschlang die Beute.
|
|
|
Post by Benedetto on Jan 16, 2015 14:50:33 GMT
Die Ratte quiekte, verängstigt, als der Schatten des fetten Mönches auf sie fiel. Es war mehr als Instinkt. All seine Sinne versicherten dem kleinen Nager, dass hier nicht nur ein Raubtier vor ihm stand, nein, es war etwas Schlimmeres und Unnatürliches - soweit die Ratte diesen Begriff in ihrem begrenzten Verstand ausbilden konnte - es war GEFAHR. Diese GEFAHR, zusammen mit dem Mangel an jeglicher Fluchtmöglichkeit und dem Geruch des Todes aus dem Nachbarkäfig, trieb das Tier fast in den Wahnsinn.
Doch das kleine Herz war stark und versagte nicht und nach einer Weile hatte sich die Ratte soweit beruhigt, dass ein anderer Geruch über den der GEFAHR, über den Geruch des eigenen Angsturins, über den Geruch des toten Weibchens wahrnehmbar wurde. Es war der Geruch von NAHRUNG und NAHRUNG war etwas Gutes, ja, tatsächlich hatte die Ratte schon seit langem (denn auch exakte Zeitbegriffe waren ihr fremd) nichts mehr gefressen.
Vorsichtig, bemüht, nicht die Aufmerksamkeit der GEFAHR zu erwecken (denn die GEFAHR war noch immer in der Nähe und die Ratte konnte es spüren), tastete sie sich durch den Käfig vor, bis sie am Rand zu einer kleinen Masse kam, die herrlich nach einer NAHRUNG duftete, die sie bisher nur einmal im Leben gekostet hatte, weich und leicht vergoren, mit Stückchen von süßer NAHRUNG darin. Dann, ohne zu zögern, begann die Ratte zu fressen und zu fressen, bis sie sich rund und dick und fast ein bisschen schläfrig fühlte (aber Schlafen war schlecht, denn die GEFAHR war noch da und sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden).
Das erste Zwicken hielt sie für eine Folge des Essens, doch dann zwickte es wieder und begann zu brennen und die Ratte spürte, wie eine Flüssigkeit aus ihrem Mund brach. Sie wollte sich in die Ecke des Käfigs schleppen, doch die Beinchen gehorchten nicht, zuckten nur unter ihr, brachen zusammen. Ihr Schwanz schlug noch ein-zweimal hektisch, dann lag die Ratte ruhig da. Sie fühlte, wie sie hinüberglitt in etwas anderes und plötzlich war die GEFAHR egal, denn alles schien so ruhig und still. Kurz bevor die schützende Dunkelheit sie einholte, konnte sie ihn noch ein letztes Mal spüren, den Geschmack der NAHRUNG, der köstlichen NAHRUNG...
---
Benedetto beobachtete den Kadaver und nickte zustimmend, während er sich das Kinn rieb. Dann notierte er auf seiner Wachstafel die Zeit bis zum Eintritt des Todes, entfernte die toten Tiere aus den Käfigen und warf sie in den Bottich, der links neben dem Tisch stand. Dann beugte er sich zur Kiste herunter, in der es quiekte, und holte das nächste Exemplar heraus.
Vielleicht würde Mixtur Nummer 27 noch schneller wirken, vielleicht auch nicht. So oder so - er würde es herausfinden.
|
|
|
Post by Benedetto on Feb 20, 2015 23:40:13 GMT
Mit einem Seufzen betrat der Kappadozianer die Kammer, in der sonst so viele interessante Anblicke auf ihn warteten. Sein Blick glitt über den Boden, über die Wände. Der Raum wirkte in seiner Leere größer als sonst, auch wenn er sicher nicht größer als all die anderen Katakomben unter dem Kloster war. Dann griffen seine Hände zu und trugen den letzten Körper hinüber auf den Untersuchungstisch. Beinahe sanft legte er die Arme an den Seiten des Leichnams ab.
Die bereitgelegten Instrumente fuhren in das tote Fleisch, wieder und wieder. Organe wurden entfernt, begutachtet, zurückgelegt. Die bleiche Haut des Mönches schimmerte leicht im Kerzenlicht und bleich war auch die Haut des Kadavers vor ihm. Zwei Leichen in einem Keller. Benedettos Bewegungen waren fahriger als sonst, nachlässiger. Ein ungenauer Schnitt entlockte ihm einen leisen Fluch. Dann schloss er die Augen. Es war Zeit... für eine Pause.
Kainitisches Blut berührte den Toten und sogleich begann der übernatürliche Zersetzungsprozess. Der Körper wurde zu Staub, langsam, aber stetig. Währenddessen reinigte sich Benedetto und begann, einige Worte niederzuschreiben. Die Schrift wirkte ebenso unsauber wie der Schnitt vor seinen Augen und schließlich stieß er die Wachstafel entnervt zur Seite. Er sank auf dem Stuhl nieder und hielt sich die Stirn.
Dann begann er, aufzuräumen...
|
|
|
Post by Benedetto on Apr 5, 2015 19:18:00 GMT
Mit zitternden Händen eilte der Kappadozianer in die dunkle Kammer hinein, tief unter dem Kloster von San Marcellino. In der Dunkelheit sah er wieder die Bilder vor sich. Das brennende Kreuz. All die Toten, die ihn anstarrten, während er ihr Blut wie Wein trank. Er hörte die Stimme des Bischofs, schmerzhaft in seinen Ohren: "Eher brenne ich diesen Palast auf die Grundmauern nieder... auf die Grundmauern nieder... die Grundmauern." Geborgen in der trügerischen Sicherheit der Katakomben weinte Benedetto, weinte blutige Tränen, während sein massiger Leib von Krämpfen geschüttelt wurde.
Er wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, als die Tränen versiegten, als sich langsam die Ruhe in seinem Körper ausbreitete, ihn in eine selige Dunkelheit führte, gnädig seine Gedanken auslöschte. Benedetto schlief, tiefer, als er in seiner ganze untoten Existenz geschlafen hatte, auf dem steinernen Boden, in den Eingeweiden der Erde. Etwas verging. Etwas erstarkte.
Als der Kappadozianer am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich leer. Langsam kehrte die Erinnerung zurück, füllte seinen Geist auf ganz neue Weise. Gott hatte ihm ein Zeichen gesandt. Mit Abscheu dachte er nun an die leeren Vergnügungen zurück, denen er sich stets so willig hingegeben hatte. Weib und Wein - ihm wurde übel bei dem Gedanken. Er erhob sich, wie von einem Puppenspieler gelenkt, und tastete nach der Tür. Auch auf dem Gang war es dunkel und fast wäre er über seinen Adlatus Cito gestolpert, der vor der Tür gewacht hatte und doch irgendwann eingeschlafen war.
Benedetto gebot dem Jüngling, ihm ein Licht zu bringen. Als der Schein der Öllampe auf Benedettos Augen fiel, wandte sich Cito mit mitleidigem Abscheu ab. Das getrocknete Blut ließ sie noch milchiger, noch toter als sonst erscheinen. Auch die Stimme des Kappadozianers klang erstickt, als er sprach: "Bring mir etwas zu schreiben. Hol deinen Vater, den Prior und den Schmied. Ich habe einen Gefallen, den sie mir erweisen müssen."
Froh, dem Blick des fetten Mönchs zu entgehen, eilte Cito davon.
---
Einige Tage später, als die Bewohner des Klosters zum Mittagsgebet versammelt waren, stand Prior Ercole auf. Rasch verstummten die wenigen, leisen Gespräche unter den Glaubensbrüdern. "Liebe Brüder", setzte der alte Mann an: "Zu unserem großen Glück ist Bruder Benedetto aufgefallen, dass die alten Gänge unter dem Kloster vom Einsturz gefährdet sind. Einige Handwerker aus dem Dorf haben sich bereiterklärt, uns dabei zu unterstützen, diese zu stabilisieren. Ich erwarte, dass jedes Mitglied dieses Klosters dabei hilft. In den Gräbern unserer verstorbenen Mitbrüder werden allerdings nur ausgewählte Helfer zugelassen, um deren Ruhe nicht zu stören."
Cito hörte die Predigt und lächelte grimmig. Seine Finger schmerzten von der ungewohnten Menge, die er seit kurzem täglich schreiben musste. Und er wusste, dass auch auf ihn eine Menge Arbeit zukommen würde.
Benedetto hatte seine Wünsche geäußert. Und niemand hatte widersprochen.
|
|
|
Post by Benedetto on Apr 26, 2015 21:17:44 GMT
Irgendwo in Genuas Umland...
Vorsichtig quetschte sich der fette Untote durch die kleine Öffnung, welche die geheime Kammer mit dem Rest des Gebäudes verband. Ebenso vorsichtig verschloss er den Zugang hinter sich, so dass von außen keine Spur mehr davon sichtbar war. Ohne auf das gedämpfte Flehen zu achten, das ihn von der Rückseite der Kammer empfing, stellte er sein Öllicht auf einen kleinen Tisch und begann, seine Instrumente auszubreiten.
Sorgsam prüfte er die Schärfe der Messer, legte Haken und Klammern zurecht und seine Wachstafeln bereit, um die Notizen der heutigen Untersuchung niederschreiben zu können. Dann nahm er ein kleines, scharfes Schneidewerkzeug und zog es langsam an seinem Innenarm entlang. Blut quoll aus der Wunde, wurde in einem Gefäß darunter aufgefangen.
Benedetto leckte sich die Lippen und wandte sich dann der Gestalt zu, die an die Wand gebunden war. Eisenbänder umschlossen die ausgemergelte Brust und die Stirn. Auch waren Ketten vorhanden, welche Beine und Arme hätten halten können. Aber das war nicht länger notwendig. Tatsächlich war es überraschend, dass der Organismus des Mannes noch immer funktionierte. Benedetto hatte viel dabei gelernt.
Er entfernte den Knebel und hielt seinem Forschungsobjekt die Schale mit der nahrhaften Vitae hin. Zuckende, halb wahnsinnige Augen stierten darauf, gierten danach. Langsam flößte Benedetto dem Mann das Blut ein, kleine Schlucke nur, auch wenn der andere nach den ersten Tropfen in eine unkontrollierbare Raserei gefallen war. Doch was half es? Er war gebunden, keinesfalls in der Lage sich zu befreien.
Danach wartete Benedetto, bis der andere sich beruhigt hatte. Währenddessen nahm er eine der Wachstafeln zur Hand und begann zu schreiben. Erst als die Zuckungen nachgelassen hatten, wandte er sich wieder dem Mann zu. "Ich denke, wir wollten heute mit der Untersuchung der Fänge beginnen, nicht wahr?" Er ignorierte das brabbelnde Flehen und fuhr fort. "Wenn ich vorsichtig vorgehe, können wir vielleicht etwas darüber erfahren, wie man sie ausfährt und einzieht. Aber natürlich müsst ihr stillhalten und dürft nicht beißen. Andernfalls wäre ich gezwungen, den Mechanismus ohne die Zähne zu analysieren... was für euch eher unschön wäre, vermute ich."
Er nahm das erste Messer und eine Zange zur Hand und trat an den Gefesselten heran. "Ich beginne also mit einem Einschnitt an der Position der Fänge und lege die Muskulatur frei..." Mit viel Energie, getrieben vom Wunsch nach Wissen, ging der Kappadozianer ans Werk.
Und das Wesen, das einst auf den Namen Augustus gehört hatte, begann zu schreien. Aber niemand außer seinem Peiniger hörte ihn.
|
|
|
Post by Benedetto on Jun 1, 2015 13:22:36 GMT
"Von nun an, meine Discipuli, wird keiner von euch mehr den Boden fegen müssen." Benedetto sprach mit Ernst, aber auch mit nicht verhohlener Befriedigung. Mario und Cito blickten sich fragend an, wenn sie auch erfreut über die Erleichterung ihres Alltags waren. Würde etwa ein weiterer Novize in ihre geheimen Tätigkeiten unter dem Kloster eingeweiht werden? Bisher hatte ihr fettleibiger Mentor nie etwas derartiges erwähnt.
Tatsächlich hatte er den Kontakt mit den anderen Mönchen in den vergangenen Nächten sogar großteils gemieden. Selbst die beiden Blutsdiener waren ausgeschlossen gewesen aus dem unterirdischen Behandlungsraum. Einzig die abnehmende Zahl der Leichen in den Nebenkellern deutete darauf hin, dass Benedetto weiter seinen Forschungen nachging.
Der rundliche Benediktiner wirkte beinahe fröhlich, sofern man das überhaupt von ihm sagen konnte, seit der Bischof ermordet worden war. Als er den beiden winkte, stahl sich sogar eine Art Lächeln auf sein bleiches Gesicht. Benedetto führte seine Blutdiener in den Raum, den sie gemeinsam in eine Bibliothek umfunktioniert hatten - ein Nebenbereich der Katakomben, angenehm trocken und kühl.
Schon vom Verbindungsgang aus hörten sie die Schritte und das Rascheln eines Besen. Es klang monoton, rhythmisch. Die Schritte waren schwer und ungleichmäßig, so, als würde die Person hinken. Marios Hände begannen zu zittern und selbst dem nervenstarken Cito wurde bewusst, das irgendetwas nicht stimmte. Die Luft roch anders. Süßlicher. Und er konnte ein leises Schmatzen hören.
Als Benedetto zur Seite trat, den jungen Mönchen den Blick in den Raum freigab, als diese in leere Augenhöhlen blickten und die Überreste der Hände sahen, welche den Besen hielten - als sie des Grauens angesichtig wurden - brach Mario ohnmächtig zusammen. Und Cito schrie auf, während Benedetto ungerührt sein eigenes Werk bewunderte.
Sie würden nie wieder fegen müssen. Aber wenn Cito die Wahl gehabt hätte - er hätte viele Stunden Fegen diesem Anblick vorgezogen.
|
|
|
Post by Benedetto on Jul 15, 2015 8:20:40 GMT
Ansaldo De Volta sah eine große Zukunft vor sich. Als Neffe des berühmten Baumeisters Konrad vom Gewölbe, dem Errichter der Katakomben und Gewölbe unter dem Castelletto, brachte er das notwendige Wissen mit. Und nun hatte er seinen ersten Auftrag erhalten: Das Kloster San Marcellino sollte ausgebaut werden, sollte den Status als Abtei widerspiegeln.
Als der Geheimbund an ihn herangetreten war, da war er skeptisch gewesen. Große Bauaufträge fielen schließlich nicht auf einmal vom Himmel. Doch die Männer hatten Wort gehalten, hatten ihn dem Abt des Klosters vorgestellt. Jetzt koordinierte De Volta den Bau einer neuen Kirche, der Ausbau der Mauer und der Wirtschaftsgebäude sollten folgen. Mittlerweile war er dem Bund beigetreten, mit ihren seltsamen Ritualen. Er hatte sich so lebendig gefühlt, wie selten zuvor.
Und dann war der fette Mönch an ihn herangetreten. Hatte seine Meinung zu den Katakomben wissen wollen. Wie im Traum war De Volta dem Mann gefolgt, seltsam hingezogen und abgestoßen zugleich von der rundlichen Gestalt. Es war wie der Abstieg in eine dunkle Hölle gewesen. Grabkammern unter dem Kloster, die seltsame Atmosphäre von Verfall und Mysterium, die er dort spüren konnte, seine unnatürlichen Gefühle für den Mann... Ihm war der kalte Schweiß ausgebrochen.
Doch er hatte seine Aufgabe erfüllt, hatte deutlich erklärt, wie man diese Gänge ausbauen konnte. Mit der entsprechenden Arbeitskraft und der entsprechenden Zeitdauer, natürlich. Der Mönch hatte nur gelächelt und ihn gebeten, Pläne anzufertigen.
---
Nun stand Ansaldo De Volta zähneklappernd in der Kühle der Katakomben und beobachtete, wie seine Vision Realität wurde. Die Verschleierten arbeiteten langsam und mit seltsamen Bewegungen. Aber sie machten keine Pausen, brauchten keine Ruhe. De Volta wusste, dass die Schleier um seinetwillen angebracht worden waren. Doch sie konnten nicht die freiliegenden Knochen vollständig verhüllen, konnten die toten Augen verstecken.
Dies war nicht die Hölle. Es war das Reich der Toten. Kein Sterblicher sollte an diesem Ort sein - und doch musste De Volta seine Aufgabe erfüllen, musste Schweigen über die Gräuel bewahren. Musste dieses unterirdische Reich vergrößern und weiter vergrößern, den Toten ihren Platz geben. Die Toten halfen ihm dabei. Still und entsetzlich.
Ansaldo De Volta sah eine große Zukunft vor sich. Und sie erfüllte ihn zutiefst mit Furcht.
|
|
|
Post by Benedetto on Aug 10, 2015 20:23:59 GMT
"Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt seien deine Geheimnisse, dein Wissen komme über uns wie Zungen aus Feuer"
Die beleibte Gestalt in der Kutte intonierte feierlich die Worte, während sie in die Runde blickte. Die Augen im Dunkel der Kapuze studierten die Gesichter der Anwesenden. Maskiert waren sie, allesamt. Hier das Antlitz eines Fuchses, dort ein Wildschwein, da wieder eine Maske, die an eine Schlange gemahnte. Nur ihre Münder waren zu sehen, Münder, die im Gleichklang sprachen, die Worte wiederholten.
"Öffne uns die verborgenen Pforten, geleite uns zu dem Wissen, wie auch wir andere zu dem Wissen geleiten"
Während er sich zu dem kleinen Schrein vor ihm wandte, öffnete der Verhüllte seine Adern mit einem kleinen Messer und ließ Blut in einen Kelch fließen. Dann, mit dramatischer Geste, griff er zu den anderen Dingen, die auf dem Altar lagen, schien eine geheime Mischung aus Kräutern zu bereiten und nahm schließlich einen Weinschlauch mit Schweineblut zur Hand. Kein Tropfen floß daraus in den Kelch und dennoch war er voll, als der Dicke sich zu den Wartenden wandte.
"So wie wir das reine Blut trinken, möge auch das reine Wissen in uns sein, mögen wir in deinem Namen die Erkenntnis erlangen. Amen."
|
|
|
Post by Benedetto on Oct 17, 2015 12:41:27 GMT
Die Luft roch nach Weihrauch und altem Blut. Benedetto hatte die Hände in das Rosenwasser getunkt, Messer und Zange an Citus übergeben, der sie nun in kochendes Wasser hielt und reinigte. "Im toten Körper entstehen zersetzende Gase, welche den Verfall beschleunigen", erklärte der dicke Mönch. "Ihr Ursprung liegt in den Eingeweiden, welche wir nun entfernt haben." Er griff in den Topf mit dem Balsamierungsöl und rieb sich die Hände ein.
"Wollen wir den Leichnam erhalten, so müssen wir auch das Hirn entfernen, wozu später dieser Haken dort benutzt wird. Wollen wir zudem, dass die Angehörigen einen schönen Toten bei der Aufbahrung sehen, so müssen wir den Schnitt ebenfalls unauffällig setzen." Marius nickte eifrig: "Deswegen der Schnitt am Unterbauch, Dominus?" Citus lächelte nur. Benedetto nickte und klappte das Fleisch zurück, griff mit seinen Händen in die Bauchhöhle. Über die Ellenbogen verschwand er darin, während er den Innenraum einrieb.
"Dieses Öl wird dafür sorgen, dass der Leichnam erhalten bleibt, über Jahrzehnte hinweg. In trockenen Umgebungen vielleicht noch länger." Er schnaubte. "Verabschiedet euch aber von der Vorstellung, dass er auf ewig seine Gestalt bewahren wird. Früher oder später fällt er ein, da führt kein Weg daran vorbei." Er zog die nun etwas klebrigen Arme aus dem Kadaver und reinigte sie erneut. "Auch außen muss das Öl angebracht werden. Marius, würdest du bitte?"
Marius runzelte die Stirn. "Muss das sein? Er landet doch ohnehin auf dem Abfall..." Er begann, den Pelz zu massieren, dem besten Freund des Menschen seine letzte Ölung zu verabreichen. Benedetto blickte ihn streng an. "Du wirst tun, was ich sage." Etwas milder fuhr er fort: "Und im übrigen muss der Abfall noch warten." Der Kappadozianer lächelte ein nachdenkliches Lächeln. "Ich glaube, unser vierbeiniger Freund hat seine Rolle noch nicht ausgespielt." Seine Gehilfen schwiegen, auch wenn ihnen ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sie kannten dieses Lächeln nur zu gut.
"Citus, du hast Geschick mit dem Haken bewiesen. Zeig, was du gelernt hast." Tief in der Erde setzten die drei ihr unheiliges Werk fort. Keiner von ihnen hörte das einsame Schluchzen, das einige Räume weiter erklang...
|
|