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Post by Benedetto on Apr 23, 2015 15:47:31 GMT
Genua war in Aufruhr geraten. Auf den Straßen hatte es Zusammenstöße gegeben, man munkelte von einem Teufel in Menschengestalt, ein Kloster hatte gebrannt und - am schlimmsten von allen - der Bischof von Genua war von verdammenswerten Mördern vor dem versammelten Volk niedergestochen worden. Es war nicht lange nach diesen Ereignissen, als eine Nachricht Brimir erreichte, dass ihn der Kappadozianer Benedetto einmal mehr zu sprechen wünschte.
Als Brimir die Einladung annahm und sich am Abend in der Gaststätte Basilisco einfand, war der Kappadozianer nirgendwo zu sehen. Der Wirt nickte ihm zu, als wäre er bereits erwartet worden, dann wurde eine Schankmagd geschickt. Aus einem der Hinterzimmer trat ein junger Mönch, wohl noch ein Novize oder gerade erst in den Orden aufgenommen. Der junge Mann besaß eine gewisse Ähnlichkeit zum Wirt Amando, auch wenn sein Gesicht strenger und weniger gezeichnet von den Sünden des Fleisches war.
Langsam trat er an den Tisch heran, an dem der Nordmann und sein Übersetzer saßen. Er verneigte sich so tief es ging, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, und sprach dann leise. "Ihr seid Herr Brimir." Ein Blick zu dem Händler und er fügte hinzu: "Und Herr Grimsteinn. Ich bin Cito. Ich gehe Bruder Benedetto im Kloster zur Hand. Er erwartet euch bereits. Bitte, folgt mir." Er wartete das Einverständnis der beiden ab, dann nickte er dem Wirt zu und verließ das Gasthaus.
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Der Weg führte die kleine Gruppe ein Stück westlich aus dem Dorf heraus, wo sie den kleinen Fluss an einer Brücke überschritten. Dann ging es nach Süden, auf das Meer zu, wo die Priorei San Marcellino auf einem kleinen Hügel lag. Sie war umgeben von Feldern und Hainen und obgleich es Nacht war, wirkte der Ort idyllisch. Brimir konnte verstehen, was Benedetto gemeint hatte, als er von Kontemplation sprach: Dieses Gebäude war wahrlich ein geeigneter Rückzugsort.
Cito öffnete eine Nebentür des Klosters mit einem schweren Schlüssel, wobei er sich Mühe gab, keinen Lärm zu verursachen. Er winkte die beiden anderen hinein und führte sie durch einige Gänge bis zu einer Tür, an die er leise klopfte. Dann öffnete er sie, auch wenn keine Antwort gekommen war und ließ die beiden eintreten, bevor er die Tür hinter ihnen verschloss.
Es war eine Schreibstube. Tintenfässer und Pergamentseiten machten es deutlich. Und an einem der Pulte saß der dicke Mönch Benedetto, Schreibfeder in der Hand und den Rücken leicht gebeugt. Seine blassen Augen fixierten das Geschriebene, das vor ihm lag. Es wirkte, als würde er durch das Pergament, durch den Tisch hindurchblicken und etwas ganz anderes sehen. Schließlich blinzelte er, blickte zur Tür.
Der Mönch runzelte die Stirn und stand eilig auf, wobei er dennoch die Feder sorgsam ablegte. Mit wenigen Schritten hatte er den Raum durchquert, ein ungewohnt forscher Gang von dem Kainiten, der sonst eher in gemütlichem Wackeln daherschritt. Er senkte leicht das Haupt um Brimir zu begrüßen, nickte auch Grimsteinn zu. Etwas... war anders. Brimir konnte es spüren, auch wenn er nicht genau hätte sagen können, was es war.
Benedetto wirkte verändert, seine Stimme fester und weniger leutselig als bei ihren letzten Zusammentreffen. Sachlicher, aber auch kälter. Es war beunruhigend. "Herr Brimir, ich freue mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Herr Grimsteinn." Er zeigte auf drei Stühle, die an einem Tisch in der Nähe des Schreibpultes standen. "Bitte, setzt euch zu mir."
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Post by Brimir Böggvisson on Apr 24, 2015 8:36:02 GMT
Die Beiden waren der Einladung gefolgt bis ins Gasthaus. Dem Wirt nickten sie freundlich zu und auch Teresa wurde mit einem breiten Lächeln begrüßt, wenn sie denn da war. Ob sie sich an den Nordmann erinnerte? Heute trug Brimir keinen Verband oder Mundschutz mehr. Was auch immer er verborgen hatte war fort. Kaum saßen sie, kam der fremde Mönch auch schon und Grimsteinn bestätigte seine Annahme, nachdem Brimir seinem Diener nach der Übersetzung zu verstehen gegeben hatte, dass er scheinbar nicht an einem direkten Gespräch mit dem Menschen interessiert sei. Doch schließlich erhoben sich die Nordmänner wieder und folgten der Führung des Mönches bis in die Kammer.
Beide Nordmänner waren in dunkelbraunen Tuniken gekleidet und abgesehen von einem langen Messer, dass Horizontal am Gürtel Brimirs befestigt war, trug keiner von ihnen eine Waffe. Das Lächeln zeichnete sich auf Brimir Lippen ab, als Benedetto aufstand. Der Nordmann erwiederte das Nicken, während Grimsteinn, hier in der Abgeschiedenheit des Klosters, auf das Knie sank und den Blick senkte.
"Benedetto. Schön dich so... munter zu sehen.", begann der Nordmann, während er den Totengräber stirnrunzelnd musterte. Ein Hauch argwohn lag im Gesicht des Gangrel, doch nur für einen Moment. Dann legte er den Kopf schief und lächelte verlegen.
"Hättest du mir gesagt, dass du mich in dein Heim einlädst... ich hätte dir ein Gastgeschenk mitgebracht, wie es in meiner Heimat Sitte ist. Ich fürchte, dass ich das nun nachreichen muss. Verzeih."
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Post by Benedetto on Apr 24, 2015 9:44:43 GMT
Der Mönch schüttelte den Kopf. "Nein, werter Brimir, das müsst ihr nicht. Ihr habt das beste Geschenk von allen mitgebracht." Er tippte sich mit zwei Fingern an die Schläfe. "Wissen." Benedetto ließ sich am Schreibpult nieder, von wo aus er den Tisch im Blick hatte. "Lasst mich euch den Grund meiner Einladung erklären."
Er rieb sich das fette Kinn, blickte ernst auf das Pergament vor ihm. Für einen Moment war Stille in dem Raum, die sich mit der Stille auf den Fluren des Klosters, der Stille der Felder verband. Dann sprach Benedetto wieder. "Ich habe... Fehler gemacht. Und eine Folge dieser Fehler ist, dass ein Mann gestorben ist, der euch Gott hätte begreiflich machen können. Damit muss ich leben. Existieren, besser gesagt." Brimir konnte Schmerz in den weißlichen Augen sehen - und Reue.
"'Mein ist die Rache' spricht Gott - und Gott wird den Mörder bestrafen. Aber mir wurde ein anderer Weg aufgezeigt." Er legte die dicke Hand auf das Pergament vor ihm. "Ich werde Gottes Geheimnisse suchen, Brimir. Wo auch immer sie sich finden lassen." Brimir konnte sehen, dass der fette Mönch die Kiefer fest aufeinanderbiss, bevor er weitersprach. "Ich war dumm, eure Erzählungen als heidnisches Geschwätz abzutun. Wenn ich wahrlich glaube, dass Gott die ganze Welt geschaffen hat, dann hat er auch den Glauben an eure Götter geschaffen."
Wieder neigte Benedetto das Haupt. "Nehmt dafür meine Entschuldigung an." Seine Augen blickten von Grimsteinn zu dem Gangrel. "Ich halte eure Sagen für wertvoll, Brimir. Auch wenn ich nicht an die Götter darin glaube, so glaube ich, dass darin Weisheit liegt. Ich möchte sie niederschreiben. Gott will, dass ich das Wissen der Welt bewahre." Seine Stimme wurde zu einem scharfen Flüstern. Brimir hörte die Getriebenheit darin - oder war es tiefe Überzeugung? "Er hat es mir gezeigt."
Benedetto richtete sich auf, als würde er sich gegen eine schwere Last stemmen. "Werdet ihr mir dabei helfen?"
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Post by Brimir Böggvisson on Apr 25, 2015 10:21:20 GMT
Brimir schaute etwas überrascht drein, als Benedetto sagte, dass sein Geschenk Wissen sein könnte. Doch dann nickte er und folgte verspätet der Einladung sich zu setzen. Grimsteinn jedoch nahm nur Platz, da er explizit eingeladen wurde, ansonsten hätte er sich wahrscheinlich wieder neben Brimir gekniet.
"Ich hörte davon... " Brimir kommentierte den Tod des Bischoffs mit einer Spur Bedauern in der Stimme. "Dinge wurden zu spät wahrgenommen. Ich hoffe, dass die Bemühungen der Miliz solchen Mord in der Herde irgendwann eindämmt oder gar verhindert." Er schüttelte den Kopf, als wäre er von dem Tod des Christen wirklich in einer gewissen Art betroffen.
Doch dann lauschte er dem Mönch bis zum Ende, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Und doch sammelte sich etwas in dem Blick des Nordmannes: Überraschung, Misstrauen und Argwohn. Er verstand den Sinneswandel von Benedetto nicht, hatte vielleicht sogar damit gerechnet, dass dieser weiterhin und offensiver versuchte Brimir zu bekehren. Aber diese Aussagen hatte er sichtlich nicht erwartet.
"Er hat es dir gezeigt? Was ist geschehen?" Dies war die erste Reaktion des Heiden. Doch dann waren seine Gedanken wieder bei dem eigentlichen Thema. "Es gibt Nichts das ich entschuldigen muss." Die Gleichgültigkeit in seiner Stimme war jene, die er als Gangrel stehts nutzte, wenn er alleine mit seinen Gedanken stand und nicht Teil der Gemeinschaft war, sondern ein Wilder. Doch dann fuhr er ernst fort. "Was wirst du mit den Texten machen? Sobald sie nieder geschrieben sind, könnten sie eine Gefahr für mich sein, wenn heraus kommt, dass sie aus meinem Mund stammen. Deine Kirche jagd uns... Heiden in diesen Landen, nicht wahr?"
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Post by Benedetto on Apr 25, 2015 21:50:02 GMT
Benedetto wirkte für einen Moment entgeistert, bevor er stirnrunzelnd den Kopf schüttelte. "Ich... verstehe, woher eure Besorgnis stammt. Aber nichts liegt mir ferner als das. Nein, das Niedergeschriebene werde ich bewahren, so dass jeder Wissenssuchende es bei mir finden kann." Er trommelte mit den Fingern auf das Schreibpult. "Ihr seid ein Krieger, Brimir, und doch scheint es mir, dass ihr ungewöhnlich tiefes Wissen über eure Götter besitzt, auch wenn ich natürlich nicht weiß, wie sehr die Kinder eures Volkes in diesem Glauben erzogen werden, wie viel jeder einzelne lernt."
Der fette Mönch beugte sich ein wenig vor. "Aber ich vermute eine verwandte Seele in euch, was die Suche nach Wissen angeht. Eure Fragen über den christlichen Glauben haben diesen Eindruck nur verstärkt. Und daher glaube ich, dass ihr den Wert meines Angebots wohl erkennt." Er hob die Hand. "Ich will euch erklären, woher mein Sinneswandel stammt, damit ihr mein Angebot besser versteht."
Für einen Moment schwieg Benedetto, dann fuhr er fort. "Die letzten Jahre habe ich damit zugebracht, dunkle Geschehnisse in Genuas Umland aufzudecken. Morde, Grabschändungen, Vergewaltigungen... die Spur führte in die höheren Kreise der Kirche, zu einem der unsrigen. Durch unglückselige Umstände ist die Situation eskaliert und er enthüllte vor dem Bischof sein wahres Wesen. Und dann..." Er schluckte sichtbar. "Dann sprach der Bischof - und ich hörte Gott. Ich spürte Gott."
Seine Stimme war leise, eindringlich geworden. "Ich spürte meine Eitelkeit und sah all die Lügen, mit denen ich mich über die bittere Wahrheit meiner Existenz hinwegtäuschte. Ich sah, wie wenig meine Taten zählten, wie dumm und leer meine Existenz war. Ich konnte unbemerkt entkommen - der andere hatte alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen - aber ich war gezeichnet."
Benedetto hatte die Hand zur Faust geballt und rieb mit dem Daumen daran entlang, wieder und wieder, die Augen zu Boden gesenkt. Es wirkte fast, als würde er mit sich selbst sprechen. "Und nun tue ich was ich kann, um es wieder gutzumachen. Gott will, dass ich das Wissen bewahre, ich weiß es." Er blickte wieder zu Brimir. "Und ihr - ihr versteht das, oder zumindest einen Teil davon. Nicht wahr?"
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Post by Brimir Böggvisson on Apr 27, 2015 14:14:53 GMT
Die Hand des Gangrel fuhr über die Stelle, die so lange von den Hauern entstellt war, während er den Worten von Benedetto lauschte. Er sagte Nichts. Auch, als Benedetto endete, schaute er den Mönch weiterhin bloß an und schien nachzudenken. Noch immer war da dieses Misstrauen in den Seelenspiegeln zu erkennen. Dann rieb er sich über die Nase und verzog leicht das Gesicht, ehe er lächelte.
"Nungut... auch, wenn es bei uns eher üblich ist, dass man sich Geschichten erzählt und nicht aufschreibt... ich werde dir helfen. Unter zwei Bedingungen."
Er deutete auf seinen Ghul, als würde er die Aufgabe der ersten Vorraussetzung übernehmen.
"Wir werden dir über die Schulter schauen und unsere Namen werden nicht niedergeschrieben. Sollten unsere Namen und die Geschichte uns jemals zum Nachteil gereichen, weiß ich ja, wo ich dich finde."
Auch, wenn man dies als Drohung auffassen konnte, so blieb der Gangrel dabei völlig ruhig. Nichteinmal ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht. Er wusste wohl inzwischen um die Macht der Kirche und die Gefahr für ihn. Es war eine Institution mit der er sich nicht anlegen wollte.
"Und, wenn es dir Nichts ausmacht, würde ich gerne auf das 'Herr Brimir' verzichten. Es gibt keinen Grund dafür, dass du mich ihrzt. Es fühlt sich für mich jedoch immer... fremd an, wenn man mich so anspricht."
Dann rieb er sich das Kinn und senkte die Hand schließlich
"Im Gegenzug werde ich eines Tages auf dein Wissen zurück greifen, sollte ich es benötigen. Ich denke, dass ist nur gerecht, nicht wahr? Allerdings muss ich zu bedenken geben, dass ich bei Weitem nicht Alles weiß. Ich habe mich sicher etwas mehr über die normale Erziehung heraus mit den Göttern auseinander gesetzt, da ich den Hof meines sterblichen Vaters übernehmen sollte, aber ich bin kein... Priester."
Schließlich streckte der Gangrel die Hand über den Tisch ind die Richtung des Kappadozianers, als würde er einem Handel einschlagen wollen. Die geste als solche schien dem Gangrel dabei äußerst wichtig.
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Post by Benedetto on Apr 27, 2015 15:22:41 GMT
"Wissen ist nicht gleich Wissen, werter He... werter Brimir. Aber ich werde euch jederzeit mein Wissen über Gott zur Verfügung stellen, wenn ihr es benötigt - immer vorausgesetzt, dass ihr damit nicht gegen meine Interessen handelt, was ja auch eure Bedingung bei diesem Handel zu sein scheint. Ich werde eure Namen nicht niederschreiben und ihr dürft euch gerne davon überzeugen."
Er rieb sich das Doppelkinn. "Eure Drohung ist nicht notwendig. Ich stehe zu meinem Wort. Eure Namen sind zudem nicht wichtig für die Geschichte, denn es geht ja nicht darum, eure Taten festzuhalten, sondern die eurer... Götter." Benedetto streckte nun seinerseits, etwas zögerlich, die Hand aus, abwartend ob Brimir darauf eingehen würde.
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Post by Brimir Böggvisson on Apr 29, 2015 11:21:37 GMT
Für einen Moment wirkte Brimir sehr zufrieden, als Benedetto sich korrigierter und zumindest das 'Herr' weg ließ. Doch dann seufzte er schon bevor Grimsteinn das 'euch' übersetzte. Anscheinend hatte er dieses Wort schon so oft gehört, dass er inzwischen die Bedeutung kannte. Es dauerte wieder einen Moment, bis Brimir sich den Worten bewusst war. Schließlich erhob sich der Gangrel
"Einverstanden."
Die Hand umgriff das Handgelenkt des Mönches, so selbstverständlich, dass man meinen mochte, er kenne die Geste des Händeschüttels nicht Anders.
"Ich muss zugeben, dass ich nicht gut da drinnen bin, Dinge politisch auszudrücken. Meist bin ich ziemlich direkt, indem ich sage, was ich meine oder tue, was ich für das Richtige halte. Reden ist das Handwerk Anderer."
Dabei grinste er und löste den Griff, ehe sein Hintern wieder den Weg zurück in den Stuhl fand.
"Wo willst du anfangen?"
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Post by Benedetto on Apr 30, 2015 17:36:04 GMT
"Die heilige Schrift beginnt mit der Erschaffung der Welt durch Gott und endet mit der Prophezeiung ihrer Zerstörung. Wir haben ja bereits Parallelen festgestellt - vielleicht sollten wir es bei euren Mythen ähnlich halten." Der dicke Mönch blickte Brimir an, Zustimmung oder Widerspruch erwartend. "Was das Übrige angeht, so habe ich hier Wachstafeln, um meine Notizen festzuhalten, bis sie schlussendlich auf das Pergament übertragen werden können. Dies wird eine lange Zeit dauern, Brimir, und auch wenn ich Hilfe dabei habe, werden wir Monate damit verbringen."
Er nahm die erste Wachstafel zur Hand. "Darum sollten wir zuallererst festhalten, an welche Geschichten ihr euch erinnert und dann eine Reihenfolge bestimmen, in der sie aufgeschrieben werden - eventuell mit dem vorgeschlagenen Anfang und Ende."
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Post by Brimir Böggvisson on May 4, 2015 9:31:00 GMT
Brimir nickte bei der Vorgeschlagenen Reihenfolge und auch bei der Erklärung der Wachstafel.
"Die Geschichte von der Schöpfung habe ich dir ja bereits erzählt, aber ich werde sie dir noch mit weiteres Details ausschmücken. Ich denke, dass wir dann mit einer Liste der Götter weitermachen und ich dir Geschichten über sie erzähle. Dann sind die Schicksalsweberinnen von besonderer Bedeutung und auch, wie Wotan die Runen entdeckte. Über den einen oder anderen Riesen kann ich dir auch etwas sagen und über Ydraggsil, der Weltenesche, selbstverständlich auch. Die Geschichten über Zwerge und Alben sind auch sehr interessant, leider habe ich hier bei Weitem nicht alles gehört. Helheim... und die anderen Welten sollten wir auch nicht vergessen. Und die Geschichte über die Walkyren und Walhalla. Und, wie du schon sagtest, sollten wir mit der Geschichte von Ragnaröck und dem Neubeginn enden."
Der Gangrel ließ sich Zeit, damit Benedetto mitschreiben konnte. Am Ende rieb sich Brimir das Kinn und verzog missmutig das Gesicht.
"Ich bin mir sicher, dass ich Einiges vergessen habe... und Vieles nie wusste. Aber ich würde sagen, dass wir einfach anfangen und die Liste offen halten, um sie zu ergänzen."
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Post by Benedetto on May 4, 2015 18:34:12 GMT
Und so begann die Aufzeichnung. Der Gangrel erzählte, Grimsteinn übersetzte und Benedetto schrieb, stellte gelegentlich Nachfragen und hörte ansonsten aufmerksam zu. Wachstafel nach Wachstafel füllte sich. Schließlich setzte Benedetto den Griffel ab, bedankte sich höflich bei dem Gangrel, verabschiedete die beiden und geleitete sie zur Tür. Dann kehrte er rasch zu seinen Aufzeichnungen zurück. Er rief seine Novizen herbei und erteilte Befehle. Schreibmaterialien wurden herbeigeschafft und die Arbeit begann.
Dieses Ritual wiederholte sich in den nächsten Wochen mehrmals. Benedetto lud den Gangrel ein - für den auf dem Weg zum Kloster im Basilisco stets eine willige Hure bereitstand, inklusive gutem Wein für Grimsteinn - und setzte dort an, wo sie beim letzten Mal aufgehört hatten. Gelegentlich führte er die Erzählung auf bereits erwähnte Geschichten zurück, schien nach Verknüpfungen zu suchen.
Bei ihrem dritten Treffen präsentierte er Brimir schließlich das erste Pergament. Die Seite war dicht beschrieben mit sauberer karolingischer Minuskel - oder, wie der Laie sagen würde, der üblichen Schrift. Aber das war nicht das erstaunliche: Neben dem Geschriebenen hatte ein Künstler ein Bild gemalt, mit leuchtenden Farben. Es war das Bild einer gigantischen Esche, an deren Fuß ein Drache lag und in deren Krone ein Adler hockte. Ein Eichhörchen lief an ihrem Stamm und in ihre Mitte war eine Karte gezeichnet, an der das Wort "Mundus" stand. Ihre obersten Äste gingen kunstfertig in den ersten Buchstaben des Textes über.
Im Text selbst war aufgeführt, wie der Mönch Benedetto einem Mitglied der Nordstämme begegnet war und beschlossen hatte, deren heidnische Sagenwelt aufzuschreiben. So solle die Mission der Heiden leichter gemacht werden. "Ignoriert das", sagte Benedetto, als Grimmstein an der entsprechenden Stelle angekommen war. "Eine Vorsichtsmaßnahme und Absicherung, weiter nichts." Es folgte eine Beschreibung der Weltesche und die Ankündigung, von der Erschaffung dieser Welt zu erzählen.
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Post by Brimir Böggvisson on May 5, 2015 10:03:25 GMT
Die Hure nahm Brimir nur selten in Anspruch, eigentlich nur dann, wenn seine eigene Jagd nicht so erfolgreich war, wie er es sich erhofft hatte und er eigentlich mehr Zeit in diese investieren wollte. Und nur dann war es auch Grimsteinn vergönnt sich am Wein zu laben.
Brimir versuchte ihm die gesuchten Zusammenhänge zwischen bereits neidergeschriebenen Geschichten und den neuen Erzählungen so gut zu erklären, wie es ihm möglich war. Doch schnell stellte sich ehraus, dass er eben nicht Alles kannte und auch nicht Alles erklären konnte. Aber er versprach Quellen für die Lücken aufzutreiben und sein Wissen zu erhöhen.
Als Benedetto ihm das erste Pergament präsentierte, pfiff Brimir anerkennend bei dem Bild, dass sich dort auf dem Papier befand. Er erlaubte Grimsteinn auch erst nach einigen Minuten, in dennen er die Details der Pracht betrachtete, das niedergschriebene vorzulesen. Und auch, wenn Benedetto die Einleitung als Sicherheitsmaßnahme abtat, so wirkte der Blick des Gangrel durchaus misstrauisch.
Im Anschluss erzählte er von den neun Welten, die in der Entstehungsgeschichte bislang nahezuaussschließlich namentlich genannt wurden: Muspelheim, Niflheim, Jötunheim, Midgard, Asgard, Vanaheim, Alfheim, Svartalfheim, Helheim. Wobei er bloß über die mittleren Drei wirklich detailliert berichten konnte. Die Berichte über die anderen Welten waren mehr so im Umfang von Hel gewesen, wie er es schon in der Schenke erzählt hatte. Hier hatte Brimir keine weiteren Informationen zu.
Als das Thema auf Asgard zu sprechen kam, erzählte Brimir von Bifröst und den 12 Palästen der Götter und konnte sagen, wem sie gehörten. Bilskirnir, der Palast Thors, Gladsheim, einer der zwei Paläste Odins und zugleich der Ort in dem Walhall untergebracht war und Ydalir, Ullars Palast waren die drei, die er namentlich kannte.
Was er aber am Ende beitragen konnte war eine Skizze, wo im Gefüge um Yggdrasil herum, welche der Welten einzuordnen war und wo sich die Midgardschlange befand. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass die Welten immer Gegensätze bilden, Muspelheim-Niflheim (Feuer-Eis), Asgard-Hel (Himmel-Hölle), Alfheim-Svartalfheim (Hell-Dunkel) und Vanaheim-Jötunheim (Friede-Zerstörung). Übrig bleibt einzigartig die Welt der Menschen — Midgard — im Zentrum, wo die restlichen 8 Welten aufeinandertreffen.
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Post by Benedetto on May 7, 2015 16:40:18 GMT
Und so ging es weiter - bei ihrem nächsten Treffen war die Entstehung der Welt aufgezeichnet, die Kuh Audumbla und der Riese Ymir, die ersten der Götter und die Fällung des Riesen sowie die Entstehung der Reiche aus dem Körper Ymirs. Auch hier fanden sich Zeichnungen, von ganz unterschiedlicher Qualität. Die Kuh Audumbla etwa war durchaus sauber gemalt, aber ohne viel Verzierung und Ausschweifung. Ein Bild von Odin, Vili und Ve hingegen strotzte vor Farben und Kreativität - die Gesichtsaudrücke der Götter, die Details um das Geschehen herum, es war ein herrlicher Anblick.
Darauf angesprochen nickte Benedetto. "Meine Gehilfen tragen zur Aufzeichnung eures Wissens bei. Natürlich ähneln sich unsere Stile, da sie bei mir in die Lehre gegangen sind. Aber seht, hier und hier..." Er deutete auf die Schrift, auf die Zeichnungen. "Kleine Unsauberkeiten bei der Federführung können ein Werk ruinieren. Cito ist bereits sehr erfahren, aber Mario muss noch einiges lernen. Die Kuh hier ist von Cito. Er macht sich."
Dann zückte er erneut Schreibgriffel und Wachstafel.
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Post by Brimir Böggvisson on May 15, 2015 11:01:40 GMT
Dies war auch der Tag an dem Brimir sein Gastgeschenk mitbrachte. Drei Ketten an dennen jeweils das Symbol für Thor, Odin und Tyr hingen: Mjölnir, der Valknut und eine Tyrrune. Die Bänder waren geflochten und die Zeichen auf unterschiedlichen Materialien zu sehen. Der Hammer war aus Metall gegossen, der Wotanknoten auf Leder geprägt und die Rune in Holz geritzt.
Brimri ließ die Finger über das Pergament fahren und zeichnete die Linien der Bilder nach. Anerkennung war in seinem Gesicht abzulesen und eine Spur Freude, seine Götter so verewigt zu sehen. Grimsteinn übersetzte derweil, wie eh und je die Worte des Nordmannes.
"Es ist, wie beim Schmieden. Wenn der Schwung nicht präzise geführt wird oder der Stahl die falsche Temperatur hat... ist das Werkstück unbrauchbar. Fazinierend, wie sich diese beiden Handwerke ähneln, obwohl sie Nichts miteinander zu tun haben, nicht?"
Die Gastgeschenke waren nicht ohne Sinn gewählt: Die drei Götter waren der Kern der folgenden Nächte. Gerade über Thor und Tyr wusste Brimir viel zu erzählen, aber auch Odin kam nicht zu kurz. Er schilderte drei als große und mächtige Helden und war in der Lage viele Geschichten über sie zu erzählen, als wären sie wirklich lebendig. Die anderen Götter erhielten eher eine Nebenrolle in dem Glauben von Brimir, wenngleich er sie auch als wichtig beschrieb, drehte sich das Meiste jedoch um die Drei. Die wichtigsten der anderen Gottheiten konnte er auch beschreiben und einige wenige Geschichten erzählen, aber die Meisten kannte er nur beim Namen und ihrer Aufgabe, wusste, ob sie Asen oder Wannen waren; aber nicht mehr
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Post by Benedetto on May 15, 2015 11:24:40 GMT
Benedetto nahm die Symbole respektvoll entgegen - wenn auch nicht voller Ehrfurcht - und ließ sich ihren Sinn genau beschreiben. Dann trug er Cito auf, diese sicher zu verfahren. Sie würden ihren Platz in den Katakomben der Kloster finden, in einem unscheinbaren Holzkästchen, das mit Stoff ausgekleidet war. Gut versteckt hinter einem losen Stein, natürlich: Das Wissen um solche Dinge mochte gefährlich sein und das letzte, was Benedetto wollte, war der Ketzerei verdächtigt zu werden.
Brimir konnte sich an einer Zeichnung der neun Welten erfreuen, die Benedetto mit viel Geschick angefertigt hatte. Auch die Paläste der Götter waren dargestellt worden - offenbar das Werk seiner Novizen, die mit der Übung immer besser wurden. "Fehler toleriere ich nicht", sagte Benedetto mit ernster Miene, nur um sogleich hinzuzufügen: "Aber jeder braucht die Praxis um besser zu werden." Er nutzte das griechische Fremdwort offenbar bewusst. "Faulheit und Unkonzentriertheit müssen bestraft werden, aber zum Meister wird man nur dadurch, dass man sich ausprobiert."
Nachdem Brimir ihm von den Göttern berichtet hatte, bedankte sich Benedetto erneut und führte den Nordmann zur Tür, offenbar bereits in Gedanken schon wieder bei seiner Arbeit. Auf all die Themen, welche die Stadt bewegten, Maximinianus und den Bischofsmord, aber auch andere Dinge, hatte er Brimir in den Monaten ihrer Zusammenarbeit nie angesprochen. Ihn beschäftigte Wichtigeres.
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