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Post by Fabrizio on Nov 27, 2015 16:52:59 GMT
Es waren Jahre vergangen, seitdem Fabrizio zuletzt den Weg nach Burgus gewählt hatte. Der Weg mochte sich vielleicht verändert haben, die Olivenbäume mögen gewachsen und geschnitten sein, der Wanderer aber war gleich geblieben. Das Dorf mag sich vielleicht verändert haben, Wege mögen ausgebessert Dächer neu gedeckt worden sein, der Wanderer aber mit seinem schlichten Mantel war gleich geblieben. Die Wachen am Ortseingang mit ihren Schwertern mochten sich vielleicht verändert haben, es mögen andere Gesichter Sein, Narben und Falten mag das raue Leben hineingeschrieben haben, der Wanderer aber war gleich geblieben. Und mit gleicher Stimme, als wäre die Zeit stehen geblieben und der Moment wäre in ihm immer gleich geblieben, sprach der nächtliche Wanderer im flackernden Licht der Öllampe: "Ich möchte nach San Marcellino und dort den Bruder Benedetto besuchen."
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Post by Benedetto on Nov 27, 2015 19:42:29 GMT
Tatsächlich war Burgus nicht nur gewachsen, Fabrizio konnte auch einen Holzwall erkennen, der rund um die neuen Steinhäuser des Dorfzentrums gezogen worden war. Dominiert wurde der Dorfkern jedoch wie früher von den beiden Tavernen, dem Basilisco und dem müden Pilger. Offenbar war es dem Gastwirt und den anderen Dorfbewohnern gut gegangen.
Die Milizionäre betrachteten ihn misstrauisch, aber der Name Benedetto sorgte für eine rasche Reaktion. Wie eingeübt, machte sich eine der beiden Torwachen auf den Weg, während die andere freundlich einen Sitzplatz für die Wartezeit anbot. Und es dauerte auch nicht lange, da wurde ein junger Mann bei Fabrizio vorstellig, Matteo, der Sohn des Dorfvorstehers. Dieser bat den Lasombra dann auch gleich, ihm zu folgen und führte ihn - offenbar leicht nervös - nach San Marcellino.
Nach einigem Warten vor der Klosterpforte trat ein junger Mönch heraus, der Matteo recht ähnlich sah. Er begrüßte diesen mit einem Kopfnicken und wandte sich dann Fabrizio zu. "Seid erneut willkommen, Triarch Begado. Es ist gut, euch nach so langer Zeit wieder einmal begrüßen zu dürfen." Dunkel erinnerte sich der Kapitän an den Namen Citus, als einem der Gehilfen des Kappadozianers. Schon einmal hatte dieser ihn in Empfang genommen.
Im Unterschied zu damals war Benedetto bereits in der Schreibstube, als Fabrizio eintrat. Er hob den Kopf und richtete sich dann langsam auf, trat von seinem Stuhl herunter und auf dem Gast zu. Mit einer leichten Neigung des Kopfes sprach er: "Werter Fabrizio, welch eine Überraschung. Ich freue mich, euch zu sehen." Er wies auf den Tisch hinter sich. "Bitte setzt euch. Sagt, wie ist es euch ergangen?" Dabei studierte er die Erscheinung seines Gegenübers genau und interessiert.
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Post by Fabrizio on Nov 28, 2015 17:49:38 GMT
Burgus, eine schöne Pfründe hatte der Mönch sich hier geschaffen. Fabrizio war stehen geblieben und hatte sich wie beiläufig ein wenig umgesehen, bis der junge Matteo zu ihm kam. Während Fabrizio dem jungen Menschen folgte, sprach er kein Wort. Es war schwer zu sagen ob er damit dessen Nervosität abmildern oder gar noch befeuern wollte. Erst den gastfreundlichen Mönch bedachte er wieder mit etwas mehr Aufmerksamkeit. "Sei gegrüßt, Citus, Diener des Benedetto. Es ist mir eine Ehre, San Marcellino zu Besuchen."
Zufrieden registrierte Fabrizio dann, dass sein Gastgeber ihn direkt erwartete und neigte ebenfalls leicht das Haupt vor dem Kappadozianer. "Werter Benedetto, habt Dank für euren freundlichen Empfang."
Zu der Aufforderung sich zu setzen nickte er nur bestätigend und nahm dann Zielstrebig aber ohne Hast den gewiesenen Platz. Fabrizios Erscheinung hatte sich nicht im Geringsten verändert, er trug augenscheinlich sogar den selben Umhang wie vor Jahren, nur dass dieser vielleicht vom Gebrauch ein klein wenig mehr abgenutzt erschien. Seine Haltung und Mimik ließ keine besondere Anspannung erkennen, offenbar fühlte er sich zumindest relativ sicher und hatte keinen besonderen Ballast in sich der kurz davor wäre hinauszubrechen.
"Die Geister der See waren mir wohlgesonnen und vor der Hölle der Seefahrer blieb ich vorerst verschon." Er grinste dabei vielsagend. "Stattdessen war es mir auf meinen langen weiten Fahrten vergönnt die Schätze des Meeres nicht unwesentlich einzufahren. - Wie ich sehe ist es euch auch nicht all zu schlecht ergangen?" Ein höfliches Lächeln untermalte seine Frage.
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Post by Benedetto on Dec 1, 2015 15:41:41 GMT
Der Mönch hob eine Augenbraue. "Die Schätze des Meeres, ja? Wenn darunter alte Schriftrollen und Tafeln sind, so wäre ich daran höchst interessiert." Die Aussicht auf Gold oder Gemmen hingegen schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Der fette Mönch ließ sich ebenfalls schwer in einen der Stühle fallen und faltete die Hände. "In der Tat, das Kloster hat sich gemacht. Der Ausbau ist nun beinahe vollständig abgeschlossen. Der Status als Abtei bringt eben doch gewisse Repräsentationspflichten mit sich."
Benedetto räusperte sich. "Natürlich verblasst all dies vor der Herrlichkeit des Herren." Er schwieg für eine Sekunde, dann blickte er Fabrizio nachdenklich an. "Was meint ihr mit der Hölle der Seefahrer?"
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Post by Fabrizio on Dec 2, 2015 19:41:15 GMT
Fabrizio winkte lachend ab. "Wir Seefahrer sind ein sehr abergläubiges Volk. Es gibt da diese alte Vorstellung davon, dass jeder der auf dem Meer sein Leben lässt für immer in den Tiefen gefangen bleibt, im Reich des Meeresgottes. Eine eigene Hölle für die Seefahrer eben." Er zuckte abschließend nur mit den Schultern, viel mehr hatte er dazu wohl nicht beizutragen. Und auch sein Lachen hatte irgendwie leer gewirkt. Ein Klang von Leere, wie der Küstenwind vielleicht, wenn er durch hohle Felsen und Klippen pfeift.
"Schriftrollen und Tafeln habe ich leider nicht gefunden. - Allerdings hatte ich auch nicht danach gesucht." Aber ihm schien die Idee zu gefallen, ein gewisses Glitzern stahl sich in seine Augen. "Vielleicht habt ihr ja eine Idee wo es sich lohnen könnte, danach ausschau zu halten?"
"Selbstverständlich freue ich mich übrigens über den erfolgreichen Abschluss eurer umfassenden Bauprojekte, auch wenn ich gestehen muss, dass ich etwas eigennützig erhofft hatte, euch vielleicht beim Fortgang dieser aufwendigen Unternehmungen unterstützen zu können." Lästiger Materialismus, vielleicht wäre es dem Mönch ja gelegen, sich selbst weniger um so etwas sorgen zu müssen. So jedenfalls offenbar die Idee des Lasombra.
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Post by Benedetto on Dec 2, 2015 21:57:08 GMT
"Seid ihr auf euren Reisen unter die Architekten gegangen?" Der Mönch blickte Fabrizio halb skeptisch, halb interessiert an. "Oder wie wolltet ihr beim Ausbau des Klosters helfen?" Er rieb sich das fette Kinn. "Und vor allem, warum?"
Dann dachte er für einen Moment nach. "Meeresgott... das klingt nach heidnischem Aberglauben. Interessant. Wie dem auch sei, ich würde denken, dass ihr auf Schiffen nur selten solche Dinge findet und wenn, vielleicht ihren Wert nicht zu schätzen wüsstet. Gemeinhin findet man sie eher in Bibliotheken oder alten Gräbern. Der Zufall wäre doch arg groß gewesen."
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Post by Fabrizio on Dec 3, 2015 10:11:35 GMT
Fabrizio zögerte, ihm war nicht recht klar ob der Mönch ihm bewusst auswich oder ob er tatsächlich nicht recht verstand was er von ihm wollte. Doch einen weiteren Anlauf zumindest wäre die Sache sicher wert.
"Da ich tatsächlich von dem Wert solcher Dinge nicht viel verstehe, würde ich mich selbstverständlich auf euren Sachverstand verlassen. Allerdings habe ich jetzt durchaus nicht vom Zufall gesprochen. Nicht nur die Hohe See sondern auch abgelegene Küsten und Inseln sind mein Metier, sagt mir wo sich diese Bibliotheken und alten Gräber befinden und nach was genau ihr sucht - und ich werde sehen was sich machen lässt."
Dann setzte er ein schlichtes Lächeln auf. "Aber gewiss, ich wäre wohl so wenig ein Architekt wie ihr ein Beutelschneider. Dennoch ist mir bewusst wie viel es kosten mag all diese Materialien heranzuschaffen und die Handwerker zu entlohnen all dies großartige Bauwerk zu errichten. - Ich wäre wohl nur ein einfacher Geldgeber, ein Spender für die gute Sache und das Seelenheil. Und vielleicht könnte dann die eine Hand wiederum die andere waschen, ihr wisst ja wie das läuft." Auch diese Sache sollte nun ofensichtlich sein. Fabrizio hatte wohl den ein oder anderen Schatz gefunden und wollte ihn lieber sinnvoll verwenden als ihn irgendwo zu verbuddeln.
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Post by Benedetto on Dec 3, 2015 12:11:14 GMT
"Ich verstehe. Nun, derzeit sind die Mittel des Klosters für unsere Zwecke ausreichend. Aber ich behalte euer großzügiges Angebot im Hinterkopf, habt Dank." Seine Stimme war ruhig und verriet nicht, ob ihn das Angebot wirklich erfreute oder ob es ihn irritierte. "Was das andere angeht: Sollte ich einmal eine Reisemöglichkeit oder einen Kurier für solche Dinge benötigen, so werde ich mich gerne an euch wenden. Aber dies ist eine Arbeit, bei der es mit simplem Suchen und Finden nur selten getan ist."
Der fette Mönch machte eine ausschweifende Handbewegung. "Die Geheimnisse der Altvorderen sind gut verborgen, in den Bibliotheken von Byzanz, in den Gräbern Ägyptens, in alten Gruften und Ruinen. Sie präsentieren sich nicht einfach zum Verkauf. Man muss forschen, um ihren Ort zu finden und dann muss man immer noch Zugang erhalten. Nun ja." Er faltete die Hände. "Es ist in jedem Fall gut, dass ihr euch für solche Dinge interessiert."
Nachdenklich rieb er sich das Kinn. "Im Übrigen würde ich denken, dass wenn ihr etwas für euer Seelenheil tun wollt, ihr dies ohne Gegenleistung tun solltet, nicht wahr? Das Kloster nimmt immer gerne Spenden guter Christen an." Benedetto studierte Fabrizio nachdenklich.
"Sagt, hat die Prinzessin sich bereits bei euch gemeldet bezüglich eurer Konversation mit Maximinianus?"
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Post by Fabrizio on Dec 3, 2015 21:22:38 GMT
Das war dann wohl ein deutliches Nein. Die erste Reaktion hätte noch ein Missverständnis sein können, die zweite jedoch war eindeutig genug. Fabrizio war irritiert, womit hatte er sich wohl die Abneigung des, bei ihren vergangenen Treffen noch recht aufgeschlossen agierenden, Mönches eingehandelt? Und das war noch nicht alles. Er wendet sich also an mich wenn er eine Reisemöglichkeit oder einen Kurier benötigt. Die Gedanken des Kapitäns färbten sich schwarz, als der Kappadozianer ihn nicht nur einfach abfertigte sondern ihn auch noch durch die Blume hindurch beleidigte. Einen Neugeborenen Lasombra als besseren Kutscher oder Botenjungen zu schimpfen. Dazu noch die Spitze mit der aufrichtig christlichen Spende.
Fabrizio behielt sein Lächeln aufrecht, jedoch nur eine leere tote Maske. Seine Stimme nun irgendwie etwas kühler, wenn auch noch nicht offen unfreundlich, und sehr kurz angebunden. "Nein, hat sie nicht. Ich hätte mich dann entsprechend bei euch gemeldet."
Alles andere ließ er schlicht unkommentiert, er hatte nicht vor sich weiter reizen zu lassen.
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Post by Benedetto on Dec 3, 2015 21:39:57 GMT
Der Mönch schien die Verstimmung des Lasombra nicht zu bemerken, oder aber er ignorierte sie. "Ich verstehe. Nun, werter Triarch, ich würde gerne mehr über eure neuesten Erlebnisse erfahren, für meine Chronik der Stadt und ihrer Kainskinder. Sofern ihr daraus kein Geheimnis machen wollt, versteht sich." Interessiert blickte er den Lasombra an.
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Post by Fabrizio on Dec 3, 2015 22:49:42 GMT
Jetzt wurde Fabrizio doch wieder neugierig, wollte der Kappadozianer vielleicht auf irgendetwas bestimmtes hinaus?
"Welcher Art Erlebnisse würdet ihr denn für die Chronik als würdig betrachten?"
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Post by Benedetto on Dec 5, 2015 17:09:22 GMT
"Nun, ich gehe doch davon aus, dass ihr im Namen der Prinzessin die Schiffe der Sarazenen aufgebracht habt, nicht wahr? Solche Taten sollen angemessen gewürdigt werden. 'Im Jahre des Herren Neunhundertund'... nun, in welchem der letzten Jahre es auch immer war... 'rächte der Triarch der Schatten, Fabrizio Begado, die Überfälle auf Genua mit Schwert'..." er blickte Fabrizio nachdenklich an "...oder welche Waffe ihr auch sonst immer bevorzugt, also, 'mit Schwert und Flamme'."
Benedetto hob die Schultern. "Details wären natürlich angenehmer. Vorausgesetzt dies ist, was ihr die letzten Jahre getan habt."
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Post by Fabrizio on Dec 7, 2015 18:37:48 GMT
Die Erwiederung des Lasombra kam recht nüchtern. "Ich habe tatsächlich Schiffe der Sarazenen aufgebracht, jedoch nicht im Namen unserer Prinzessin, nur unter meiner eigenen bescheidenen Flagge. Unspektakuläre Kaperfahrten, wie in jedem Jahr aufs neue. - Details würden indess Geheimnisse meines speziellen Handwerks betreffen. Eher unangemessen für eine Chronik." Dann überlegte er kurz. "Feuer und Schwert. Ja, warum nicht, nehmt das ruhig."
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Post by Benedetto on Dec 7, 2015 20:32:52 GMT
"Geheimnisse, wie?" Der Kappadozianer zuckte mit den Schultern. "Nun, wenn nichts geschehen ist, was der Erinnerung würdig wäre, so will ich auch gar nicht weiter nachhaken. Aber ich behalte die Formulierung im Hinterkopf, für den Fall, dass ihr doch einmal unter der Flagge der ehrwürdigen Aurore segelt. Ich bin sicher, der Tag wird kommen."
Er rieb sich das fette Kinn. "Hattet ihr eigentlich mittlerweile die Gelegenheit, eure Clansgeschwister zu treffen?" Ein gewisser Unterton schwang in seiner Stimme mit, Erwartung vielleicht - oder Nervosität?
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Post by Fabrizio on Dec 7, 2015 22:25:44 GMT
Fabrizio nickte zustimmend, mit seltsamer Schicksalhaftigkeit. "Gewiss, der Tag wird kommen. Und die Nacht wird ihm hoffentlich folgen." Spitzfindigkeit oder ein weiterer Aberglaube? Wie auch immer, er schien es abzuschließen.
Nachdenklich schaute er dann den Mönch einen langen Moment durchdringend an, nachdem dieser ihn auf die Lasombra ansprach.
"Ja, ich hatte die Gelegenheit. Sowohl Liktor als auch Ädil." Ein skeptisch fragender Blick folgte. Auf was also wollte der Kappadozianer hinaus? Ganz offensichtlich war Fabrizio in diesen Dingen nun vorsichtig eingestellt. Und doch wollte er eine weitere Konversation darüber wohl nicht kategorisch ausschließen.
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