|
Post by Maximinianus on Dec 15, 2015 22:12:53 GMT
Beinahe exakt ein Vierteljahrhundert nach seiner erstmaligen Vorstellung bei Ihrer Majestät kniete der schmale Mann in der dunklen Robe vor der grazilen Gestalt auf dem Löwenthron. Den Kopf tief gesenkt, ein Knie auf dem Boden, die Hand daneben. Die andere auf dem Fleck an dem früher sein Herz geschlagen hatte.
Das Echo ihrer Stimme verhallte in Saal wie Geist und sein Blick hob sich bis zu ihren Füßen während sich der Rest von ihm in einer einzigen, gleitenden Bewegung in die Höhe schraubte. Wenige Sekunden Stille folgten, als ob es notwendig wäre auch dem letzten Nachhall ihrer Worte ihren Platz einzuräumen und erst dann zu sprechen wenn keinerlei Gefahr mehr bestand sie zu übertönen.
"Eure Majestät? Ich danke euch dafür das ihr mich so schnell empfangen habt." seine sonst so teilnahmslosen Augen huschten von einer Seite zur anderen, als würden eine Menge Gedanken durch seinen Schädel huschen. Alle gleich gewichtig.
Um ihre Geduld nicht auf die Probe zu stellen sprach er zwar in noch wohlartikuliertem Latein, aber ein wenig schneller als sonst als könne er es selbst gar nicht fassen was er da sagte: "Ich habe in den vergangenen Nächten einige Dinge zusammengetragen die mit ältere Befürchtungen als meinen eigenen erschreckend präzise übereinstimmen. Ich habe in den letzten Jahren mit Heiligen und Propheten, mit Gelehrten und Soldaten und sogar mit dem Feind, so glaube ich zumindest, gesprochen. Und sie alle sprechen mit einer Zunge: der Clan der Schatten...oder zumindest einige von ihnen... versuchen Genua zu erobern. Ich rechne mit einem Angriff binnen der nächsten zwei Jahre."
Stille. Als ob er erwartete hinausgejagt zu werden. In seinem Gesicht stand jedoch geschrieben, dass er hoffte weiterreden zu dürfen. Er tat es jedoch nicht. Wartete ihre Reaktion ab. Sogar in diesem Moment hielten in die Etikette in seinem ganz persönlichen Korsett.
|
|
|
Post by Il Narratore on Dec 17, 2015 17:26:01 GMT
"Die selben Propheten und Heiligen, die du in Zusammenarbeit mit einer Pisani so umtriebig aus der Stadt entfernt hast, haben es dir verraten?", fragte die Prinzessin, deren Tonfall wenig von dem Spott erkennen ließ, der in diesen Fragen steckte. "Oder war es die Besetzerin von San Donato selbst, die dir diese Information zugeneigt hat?"
Sie saß wie stets wenig angestrengt auf ihrem Thron, die Insignien ihrer Herrschaft - das Bärenfell auf der Lehne, das purpurne Palla um die Schultern, das Blut in ihren Adern - anwesend, aber nicht über alle Maßen betont. Ihre blauen Augen hatten sich streng auf ihr Blut gelegt, nachdenklich, so als wäre ihre Meinung noch nicht unumstößlich.
"Ich habe in den letzten Jahren eine Unzahl an Beschwerden und Streitereien zugetragen bekommen, eine hanebüchener und kindischer als die letzte. Was du mir nun zuträgst, ist ein schwerwiegender Vorwurf. Er impliziert eine Vielzahl an Beteiligten innerhalb meiner Domäne...und eine Erhitzung von seit einigen Jahrzehnten kalten Konflikten."
|
|
|
Post by Maximinianus on Dec 17, 2015 20:56:11 GMT
Maximinianus schien sich sehr wohl bewusst zu sein wen er hier vor sich hatte, andernfalls würde niemand glauben das er solche Sticheleien so schweigend übergehen würde. Stattdessen blickte er demütig kurz vor Aurores Füße und ließ sich mit süßen Sticheleien übergießen. Seltsamerweise machte er jedoch nicht den Eindruck als ob es ihn stören würde. Als ob er in einem anderen Modus steckte: Nach unten treten und nach oben buckeln.
"Die Dame della Velanera hat hierzu nichts beigetragen eure Majestät. Weder im positiven noch im negativen Sinne." kurz gab es eine kleine Pause in der er es wagte einen kurzen Blick auf seine Herrin zu erhaschen, dann sprach er weiter.
"Auch ist es nicht Pisa das mir die meisten Sorgen macht. Sondern Korsika. Die Magister gehen vorsichtig vor. Sie kämpfen nicht selbst. Sie stellen Nachschub, Geldmittel und Sorgen im richtigen Moment für Ablenkung und Truppenausfälle auf unserer Seite. Die Banu Haqim sind es, die uns angreifen werden. Mailand jedoch möchte den Prinzen stellen der euch folgen soll, denn die Assamiten sind nur auf Blut aus, nicht auf eine Stadt die sie nicht halten können."
Er nickte zum Allesfresser hinüber, der ihm wie immer vor der Audienz alles abgenommen hatte. Oder besser zu den Wachstafeln die dieser in Händen hielt.
"Über die Loyalität der Magister hier in Genua kann ich nichts abschließendes sagen. Es gibt keine Verdachtsmomente. Allerdings muss ich zugeben das eine Pisani die unsere Verteidigung zu Wasser gewährleistet und ein Venezianer der die letzten Jahre damit verbracht hat sarazenische Schiffe aufzubringen und immer wieder ins Wespennest zu stechen... mich ein wenig unwohl fühlen lassen. Eurem Befehl entsprechend habe ich daher die Bischofsgarde gründen und aufstocken lassen... umso mehr Zeit ich jedoch investiert habe... umso mulmiger wurde mir. Die Bischofsgarde untersteht nämlich rein technisch dem Erzbischof von Mailand, da Teodolfo lediglich Suffraganbischof ist... die fünf Familien, die ebenfalls genug Geld und Einfluss hätten um Militär aufzustellen....hören entweder auf eben genannte Pisani, sind eng mit dem Grafen von Turin verwandt und stammen aus dem Dunstkreis des stillen Prinzen, haben engste Handelsbeziehungen nach Mailand, wie die Embriagi oder sie handeln mit Scheren und Hüten, wie die Spinola. Die einzige Familie die ich hiervon ausnehmen kann stellt bereits Soldaten... die jedoch nicht ausreichen werden, sollte es zum Ernstfall kommen."
"Bis vor kurzem waren dies auch alles nur dunkle Gedanken, dann jedoch traf ich die zuvor erwähnten Propheten und Heiligen. Genauer einen Abkömmling des einzigen Ahnens der genau soviel verlieren würde wie eure Majestät, sollte Genua an die See der Schatten fallen und eine Augenzeugin der Vorgehensweise des letzten vergleichbaren Überfalls der Sarazenen, die dazu derart gläubig ist das sie die zehn Gebote noch über die sechs Traditionen stellt. Sie haben mir die Augen geöffnet."
Sein Blick huschte daraufhin einen Moment zum Allesfresser hinüber. Als ob er ihm sagen wolle das er jetzt die beiden Tafeln bräuchte oder der Ghul sie selbst vorlesen solle, falls erlaubt.
|
|
|
Post by Il Narratore on Dec 18, 2015 19:30:22 GMT
"Ah ja, die ominöse See der Schatten", sagte Aurore und nickte wichtigtuerisch. "Die ungeachtet der Rivalität zwischen Venedig, Pisa und Mailand sind scheinbar auch bis nach Turin erstreckt und meine Handlanger wie den Grafen von Mailand verschlingt und jene Diener der Toten in Mailand, die so wenig mit den Schatten und den Jägern gemein haben...Es sei denn natürlich, du möchtest einen meiner nützlichsten und nüchternsten Berater inkriminieren?" Ihre schmalen Augenbrauen hob sich.
"Ich frage mich, wer dieser Abkömmling sein soll", überlegte sie dann laut und tippte sich nachdenklich mit dem linken Zeigefinger gegen das Kinn, während sie die Lippen schürzte. "Sicherlich nicht das Fräulein Isabella, dessen Erzeuger und Großerzeuger Sultane im fernen Orient sind. Freilich auch nicht Ferrucio, dessen Erzeuger eine Macht und ein Dorn in der Linie meines lieben Onkels in der Toskana ist. Ahhh ja. Das kindische Gör, das sich nicht zu benehmen weiß vielleicht, das ihre Gebote über die des Herrn unserer Art selbst stellt, sodass sie kaum die rechte Art zu Reden kennt, geschweige denn der Höflichkeit. Die so verwirrt ist, dass sie mir die simpelste Höflichkeit verweigerte. Eine wahrlich belastenswerte Zeugin, die aus Burgund kommt, so weit fort von allen Schatten."
Sie machte eine auffordernde Geste und erlaubte Luccio, dass er die Tafeln an Maximinianus zurück gab.
|
|
|
Post by Maximinianus on Dec 18, 2015 20:12:05 GMT
Er schüttelte eilig den Kopf als sie die Augenbraue hob. "Keinesfalls, eure Majestät." bekräftige er dieses dann zusätzlich.
Als der Allesfresser ihm die Tafeln reichte nickte er diesem kurz zu un wählte dann die untere der beiden.
"Das Angelique mit solch einem Benehmen tatsächlich von einem der Höfe der Liebe kommen soll überrascht mich ebenfalls. Eure Majestät ist großzügig, wenn sie sie ein kindisches Gör nennt. Die Malkavianerin hat weder Scham noch Chuzpe. Ich habe mich diesem Problem bereits angenommen. Ich hoffe das der wahnwitzige Nebel der ihrem Blute anhängt nicht perversiert, was ich ihr über Benimm und Anstand beizubringen gedenke." als ob er merken würde das es nicht unbedingt hierrum ginge hob er die Tafel und las präzise und wohlartikuliert vor:
"Ein weißes Lamm mit Augen wie die Morgensonne lag reglos, als würde es schlafen, inmitten eines zerbrochenen Hirtenstabs. Zwei große schwarze Tiere knurrten sich darüber hinweg an, das eine mager wie ein Skelett mit Augen wie Stundengläser, das andere majestätisch und wohlgenährt und mit einer Krone, die ihm auf den Hals gerutscht war, so groß und schwer war sie. Beide merkten nicht, dass ein Schwert an einem Rosshaar über ihnen pendelte und eine aufgedunsene riesige Ratte aus einem Rinnstein krabbelte und Unverständliches mit Menschenzunge flüsterte. Ein Zug von Narren folgte im Hintergrund wie in der zügellosen Carne Vale einem Narrenkönig, der freigiebig aus einem Kelch ausschenkte. Und über allem breiteten sich Drachenschwingen wie vom Widersacher selbst und eine grüne Fahne wehte im Wind."
Er schwieg einen Moment, dann gab er noch einige Kontextangaben hierzu: "Dies ist die Prophezeiung aufgrund der sie Genua erst aufsuchte. Ich gehe daher davon aus das ihre Erzeugerin ihr dies anempfohlen hat... die es ihrerseits vielleicht von jemandem...mit dickerem Blut aufgetragen bekommen hat. Jemandem aus Mailand."
"Sie...oder vielleicht sogar er, wird dies jedoch nicht ohne Grund getan haben. Ich nehme an das gewollt wurde das wir diese Nachricht erhalten.... denn abseits der Interpretation der Einwohner eurer Domäne, findet sich in ihr auch deutlich wieder das wir uns zwei Bedrohungen gegenübersehen. Nicht einer. Der grünen Flagge der muslimischen Expansion und einem über allem, auch über der muslimischen Expansion, stehendem Paar Drachenflügel. Die größere, wahre Gefahr. Sie leitet die Sarazenen an. Und es gibt in ganz Norditalien nur ein einziges Mitglied des Clan des Drachen das zu solch einer Operation fähig wäre. Und dieser beugt das Knie vor Totila." sein Mund kräuselte sich einen Moment, als ob ihm schon schlecht würde wenn er nur darüber nachdachte.
Die zweite Tafel schien er sich noch einen Moment aufzusparen. Offenbar rechnete er noch nicht damit ihre skeptische Grundhaltung überwunden zu haben.
|
|