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Post by Benedetto on Jan 7, 2016 20:25:33 GMT
"Zuerst einmal sicherstellen, dass ihr nicht gegen ein Gebot der Prinzessin verstoßt. Abgesehen davon: Einer der Ratsherren im Hafen, Tiziano Cremonesi, der Goldsucher, ist bisher nicht unter dem Einfluss fremder Parteien. Daher würde ich euch raten, ihn baldmöglichst aufzusuchen und zu... überzeugen. Sofern das mit euren Auflagen einhergeht, natürlich." Er faltete die Hände und lehnte sich zurück.
"Auf diese Weise wird die Ratsmacht auf viele Schultern verteilt, was es den Königen schwerer machen wird, dort Einfluss zu gewinnen."
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Post by Angelique on Jan 7, 2016 21:44:21 GMT
So enthusiastisch sie zuerst war, so deprimiert wurde das Mädchen sogleich. "Die Herrin Genuas hält nichts von dem Athenischen Weg der weisen Philosophen. Sehr deutlich machte sie mir, dass sie alles unter sich nicht als gleichberechtigt sieht, eher wie ein Mensch Ameisen betrachtet. Aber ich glaube, dass wir so weit unter ihrer Würde sind, dass ihr egal sein wird, wenn wir Ameisen einander demokratischer behandeln." Sie überlegte kurz. "Meine einzige, wenn auch furchtbar umständliche Einschränkung ist, dass ich mich nicht innerhalb der Stadtmauern ernähren darf. Eine kleine Strafe dafür, dass ich so ungebührlich über GOtt und der Nützlichkeit von niederen Wesen wie mir sprach. Außerdem verweigerte ich ihr die göttliche Huldigung. Leider machte sie mich nicht zur Märtyrerin dafür." Ehrliches Bedauern war bei den letzten Worten zu hören. "Das hätte vielleicht die Idee der Demokratie gefördert, wenn andere Perfecti davon erfahren hätten."
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Post by Benedetto on Jan 8, 2016 15:09:46 GMT
"Ich denke eher, es hätte sehr effektiv dagegen gewirkt. Abschreckend, geradezu." Benedetto runzelte die Stirn. "Wollt ihr sagen, ihr habt sie mit Absicht provoziert? Das ist doch Wahns... unklug. Ausgesprochen unklug. Kein Wunder, dass sie euch gewisse Privilegien verwehrt." Er rieb sich die Nasenwurzel. "Nun, vielleicht könnt ihr mit diesem Beitrag zum Stadtfrieden etwas leisten, was euren Zielen entspricht und ihr zugleich gefällt."
Benedetto legte die Hände hinter den Rücken. "Wahre Demokratia ist ein schwieriges Konzept. Nicht umsonst sind die Griechen gefallen. Aber ich denke zumindest unter Neugeborenen sind die Protokolle, welche von Kainskindern wie Maximinianus verlangt werden, völlig übertrieben. Vor allem, weil sie doch nur um so effektiver die Hand hinter dem Rücken verbergen sollen, welche das Messer hält."
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Post by Angelique on Jan 8, 2016 15:30:59 GMT
Angelique war verwirrt. "Tut mir wirklich leid," meinte sie traurig, "von solchen politischen Winkelzügen verstehe ich nichts. Wenn ich recht überlege, weiß ich nicht einmal, was Demokratie wirklich ausmacht. Ich habe nur ein wenig davon in den Klassikern gelesen. Vielleicht war es doch ein Fehler, so unvorbereitet nach Genua zu kommen. Ich hätte doch erst einige Jahre mich mit den hiesigen Begebenheiten und der Politik der hohen Klane auseinandersetzen müssen." Sie überlegte kurz. "Aber selbst dann, hätte ich meinen Glauben niemals verleugnet," sagte sie dann.
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Post by Benedetto on Jan 8, 2016 15:50:05 GMT
Benedetto winkte ab. "Ich auch nicht. Politik ist eine Form der Zeitverschwendung, die ich gerne den Ventrue und den Lasombra überlasse. Und was das angeht, so könnt ihr alles auch vor Ort lernen. Mein Rat: Geht einfach davon aus, dass jeder hier euch auf seine Weise ausnutzen will." Er zuckte mit den Schultern. "Auch ich natürlich. Ich suche nach Wissen und ihr scheint eine sehr geeignete Quelle und Mitsuchende."
Der fette Mönch grübelte einen Moment. "Euren Glauben verleugnet? Wovon redet ihr?"
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Post by Angelique on Jan 8, 2016 16:12:16 GMT
"Als ihr Blick mich in den Bann schlug und ich wie vom Donner gerührt war, da sagte sie zu mir: ,Ich vergaß, der Anblick einer Göttin hat diese Auswirkung auf niedere Kreaturen'. Als der Bann sich lockerte, stürzte ich auf die Knie, brachte aber die Kraft auf, wieder mich zu erheben. Abschließend sagte noch ,Solange erlaube ich dir, dich in meiner Domäne aufzuhalten und außerhalb der Stadtmauern zu nähren. Du wirst in fünf Jahren Bericht erstatten am Tag der Geburt deines Herrn. Bis dahin gebe ich dir Zeit.' Weder erkennt sie CHristus an noch gilt scheinbar das erste der Gebote für sie. Wenn du mir jetzt sagst, dass das der übliche Weg der Hohen Klane ist, dann ist das Gericht wirklich nahe."
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Post by Benedetto on Jan 9, 2016 9:31:03 GMT
"Einer Göttin?" Benedetto schien ehrlich entsetzt. "Nein, ihr müsst euch verhört haben. Oder aber sie hat es im schlechten Scherze gesagt. Das wäre ja Hybris ohnegleichen!" Für einen Moment waren Körper und Angelique, ja offenbar sogar Maximinianus vergessen. Der Kappadozianer kniff die Augen zusammen. "Sprich die Wahrheit, Unselige. Waren das ihre Worte? Und bezog sie sie auf sich selbst?"
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Post by Angelique on Jan 9, 2016 12:41:35 GMT
"So war mir GOtt helfe, Amen!" Angelique ging nicht auf Spitzfindigkeiten ein, die man der alten Heidin in moderneren Tagen mildernd zugute gehalten hätte. Selbst ein Scherz hätte es nicht besser gemacht, denn klar sagte sie Schrift auch: Du sollst meinen Namen nicht unnütz führen.
Bei allem, was das verwirrte Mädchen von der gesunden christlichen Anschauung trennte, so war der Monotheismus durch der Grundpfeiler ihres Glaubens. Weder sie noch Benedetto wussten, dass ihre Erzeugerin, selbst Heidin wie die Magna Mater Genuas, mit ihrem ketzerischen Wahn diesen einfachen, reinen Glauben durch verbotenes Wissen korrumpierte und -wer mochte die Beweggründe alter Malkavianer verstehen- ihre eigene Kreatur der Aurore geschickt hatte, um ihr einen Kauknochen oder Unfriede in der Domäne zu schenken, damit die Tristheit der Jahrhunderte spassig aufgelockert würde.
So gingen die Spiele der Alten und leiden mussten junge Unsterbliche wie Angelique und Benedetto unter solchen unreifen Scherzen.
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Post by Benedetto on Jan 9, 2016 12:46:26 GMT
In Benedettos Gesicht kämpften die Emotionen. Er schüttelte den Kopf. "Ihr... geht besser. Ich muss darüber nachdenken." Der fette Kappadozianer war auf seinem Stuhl zusammengesunken. Er blickte Angelique nicht länger an, sondern stierte an ihr vorbei auf den toten Körper.
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Post by Angelique on Jan 9, 2016 13:05:24 GMT
Angelique war hin- und her gerissen. Sie wusste, dass sie den Wunsch den Hohen Klanmitgields folgen musste, aber ihr Gewissen sagte ihr, dass er in dieser schweren Stunde nicht allein sein sollte. Zaghaft fragte sie: "Wollen nicht, bevor ich gehe, gemeinsam beten, Bruder Benedetto? Beide Trost in dem Wissen finden, dass wir nicht alleine sind in unserem Glauben?"
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Post by Benedetto on Jan 9, 2016 13:28:12 GMT
Benedetto schien sie zunächst nicht zu hören. Dann wandte sich der rundliche Schädel langsam der kleinen Malkavianerin zu. Langsam nickte er. Er stand auf und schritt aus der Kammer heraus. Der Adlatus Citus blickte überrascht, als er den fetten Kappadozianer sah, aber ein Blick auf dessen Gesicht machte ihm wohl deutlich, dass er besser keine Fragen stellte.
Schweigend trottete er vor Angelique her, bis in die neue, große Klosterkirche. Obgleich der Bau massiv war, fiel Angelique auf, dass er - zumindest bisher - nur wenig Verzierungen und Prunk besaß. Selbst der Altar war schlicht gehalten, vor einem massiven Kreuz aus Holz. Vor diesem sank Benedetto nun leise auf die Knie und schloss die Augen, faltete die Hände.
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Post by Angelique on Jan 9, 2016 13:33:42 GMT
Angelique sank stumm neben ihm nieder und umklammerte mit den gefalteten Händen ihr Antoniuskreuz und senkte den Kopf.
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Post by Benedetto on Jan 12, 2016 5:51:00 GMT
So knieten die beiden Kainskinder eine lange Zeit schweigend nebeneinander. Und trotz ihrer unheiligen Natur mochten sie in diesem Ort eine gewisse Ruhe finden, in ihrem Glauben, im stillen Gebet. Schließlich spürte Angelique, wie ihr jemand sanft die Hand auf die Schulter legte. Es war Citus, der ihr höflich gebot, ihm zu folgen. Benedetto rührte sich nicht, ein Haufen untoten Fleisches auf seinen Knien. Citus führte sie mit dem Zeigefinger an den Lippen aus der Kirche und in einen der dunklen Winkel des Kreuzganges davor. Dort flüsterte er ihr zu. "Die Matutin beginnt in Kürze und es ist besser, wenn die Mönche euch nicht sehen. Bruder Benedetto verabschiedet sich höflich von euch und bittet euch, ihn bald wieder zu besuchen." Entweder besaß der Ghul telepathische Fähigkeiten - oder er erzählte ihr das aus seiner Erfahrung mit Benedetto heraus. Dann führte er die kleine Malkavianerin zum unbewachten Seitentor und verabschiedete sich dort selbst noch einmal von ihr, bevor er sie in die Nacht entließ. Auf dem Weg nach Burgus konnte Angelique schwach die Klänge des Hymnus hören, welcher das Nachtgebet als Teil der Invitatio eröffnete - und sich noch einmal den kurzen Moment des Friedens im Inneren ins Gedächtnis zurückrufen.
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