Yasir
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Post by Yasir on May 14, 2015 9:33:13 GMT
Der Assamit winkte ab. "Das Angebot ehrt Euch, Bruder Benedetto, doch ich habe bereits eine passable Unterkunft gefunden, die ausreichend Platz zwischen mich und einem etwaigen wütenden Mob bringt." Nun schenkte er dem Kappadozianer ein typisch arabisches, zahnreiches Lächeln. Dann sah er wieder nach vorne und schien nachdenklicher zu werden. "Was gibt es sonst zu sagen? Ich stamme aus Saragossa, einer Stadt im Norden Iberiens. Dort herrschen derzeit heftige Kämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen. Obwohl es dort für einen Heiler mehr als genug zu tun hab, war mir das Leben dort auf Dauer etwas zu riskant. Ich reiste gen Osten und lernte dort verschiedene Kinder der Nacht kennen, unter anderem auch einige Eurer Clansgeschwister. Schließlich gewährt mir Print Luitprand in Savona das Gastrecht, wo es mir vergönnt war, erste Erfahrungen mit den Kindern der Nacht Italiens zu machen und von wo aus ich mich an Ihre Hochverehrte Majestät in Genua wandte. Und nun bin ich hier." Er hob die Schultern. "Ansonsten erteile ich Euch gerne Auskunft, wenn Ihr etwas Spezielles wissen wollt." Es war kein belehrender Ton in seiner Stimme, lediglich eine bloße Feststellung.
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Post by Benedetto on May 14, 2015 21:40:39 GMT
"Dann will ich es ebenso halten: Ich lebe im Kloster San Marcellino, nur ein wenig von Burgus entfernt. Das Kloster liegt am Meer, hinter der Brücke - aber wie ich bereits sagte, halte ich meine Treffen lieber im Basilisco ab." Er rieb sich das fette Kinn. "Ihr stammt also aus Iberien. Höchst interessant. Ich hörte viel über euer Land, aber habe bisher nie die Gelegenheit gefunden, dorthin zu reisen. Mein Erzeuger hat Kontakte unter den dortigen Gelehrten. Irgendwann tue ich es ihm vielleicht einmal gleich und suche die Stätten des Wissens dort auf."
Er blickte auf das Meer hinaus. "So lange in einer Stadt zu leben... man kann auch hier noch viel lernen, aber manchmal sehne ich mich doch danach, alles hinter mir zu lassen. All diese Streitereien." Dann runzelte er die Stirn. "Aber andererseits habe ich Verpflichtungen. Nun ja."
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Yasir
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Post by Yasir on May 15, 2015 9:10:34 GMT
Yasir nickte zustimmend. "Streitereien lassen sich unter unseresgleichen leider nicht immer verhindern. Wenn man erst einmal über einen Punkt hinaus ist, und festgestellt hat, dass man dazu verflucht ist, ewig auf der Stelle zu treten, es sei denn, man nimmt sein Schicksal selbst in die Hand, erwischt man sich immer wieder dabei, mit Sehnsucht an die sterblichen Tage zurück zu denken. Jedenfalls mir geht es so. Als alles noch kleiner schien und man sich bewusst war, wie unbedeutend die eigene Existenz war." Er lachte kurz und trocken auf.
"Nun, wollt Ihr mir etwas über die Streitereien erzählen, zu denen Ihr genötigt werdet, oder über Eure Verpflichtungen? Ich vermute, sie gelten dem Wissen?"
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Post by Benedetto on May 15, 2015 9:42:36 GMT
"Meine Verpflichtungen sind Gott gegenüber..." Unwillkürlich zog Benedetto die Schultern ein. "Aber ihr habt Recht, in gewisser Weise. Ich habe viele Sünden begangen und als Buße trage ich dazu bei, das Wissen über seine Herrlichkeit zu vermehren. Eine Sünde war etwa, mir einen Streit mit dem Ventrue Maximinianus zu leisten, der darin endete, dass er die Stille vor dem Bischof der Stadt brach."
Er schüttelte den Kopf. "Ich kann zur Entschuldigung nur anführen, dass ich glaubte, gute Gründe zu haben. Doch ich habe Gott gesehen, werter Yasir. Er sprach durch den Bischof zu mir, er machte mir meine Sünden deutlich." Der Fette verzog das Gesicht, offenbar bewegt von Emotion. "Und nun ist der Bischof tot. Aber mein Weg ist klar. Der Suche nach Wissen darf nichts im Wege stehen, nicht einmal mein Konflikt mit dem Ventrue, dem Bischofsmörder."
Ernst blickte er Yasir an. "Es ist nicht einfach. So wie ich Erkenntnis gewann, hat er sich ihr verweigert. Es ist mir ernst mit dem Frieden, aber er schürt weiterhin den Zwist in der Stadt und bereut seinen Anteil am Geschehenen nicht - oder zumindest nur in Worten, nicht in Taten." Dann zuckte er mit den Schultern. "Aber überzeugt euch selbst davon, wenn ihr ihn kennenlernt."
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Post by Yasir on May 16, 2015 5:24:02 GMT
Der Assamit sah den Kappadozianer mit weiten Augen an, als er geendet hatte. "Er ermorderte den Bischof?" Ein kurzes Zögern war die Folge. "Ist das nicht... eine schlimme Sünde? In meiner Heimat ist das jedenfalls so. Wer einen heiligen Mann tötet, den ereilt der Tod, wobei die Gefolgsleute und Schüler des Getöteten den Vortritt haben und erst wenn sie verzichten, wird die einfache Bevölkerung gefragt. Und dort findet sich eigentlich immer jemand, der einen Stein werfen will." So wie er darüber sprach, so distanziert und unbeteiligt, könnte man ihn gar für einen echten Wissenschaftler halten, der einem Investor die Vorgänge bei einer Tötung erklärte.
"Früher oder später werde ich ihm sicherlich über den Weg laufen. Ich bin sicher, er wird die Situation ein wenig anders darlegen als Ihr. Wenn er sich dazu überhaupt äußern würde." Er hob die Schultern. "Doch seht, ich habe keinerlei Interesse daran, in diesen Zwist zu geraten. Auch wenn ich Eure Enttäuschung nur zu gut verstehen kann. Dieser Bischof scheint Euch ein lieber Freund gewesen zu sein. Aber so wie die Dinge in diesem Teil der Welt laufen, müsste er sich dafür doch eigentlich vor der ... nun ja, Prinzessin rechtfertigen, oder nicht?"
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Post by Benedetto on May 16, 2015 6:15:17 GMT
Benedetto runzelte die Stirn. "Ein Freund? Nein. Er hätte mich hinrichten lassen, hätte er meine wahre Natur erkannt. Aber ich habe die Kraft Gottes in seinen Worten gespürt. Nein, den Verlust eines Freundes hätte ich mit Schmerzen hingenommen. Aber den Tod eines Mannes, durch den der Allmächtige spricht... welche Strafe steht darauf?" Schmerz stand auf dem breiten Gesicht.
"Natürlich wird er es anders darlegen. Er wird sagen, ich sei es selbst gewesen oder der Malkavianer Ferrucio, wie er es schon zuvor getan hat. Und da es niemanden in dieser Stadt interessiert, da so viele auf seine Lügen und Manipulationen hereingefallen..." Er brach ab. "Ich habe schon zuviel gesagt. Aber glaubt mir, Yasir, auch wenn ich ihn verabscheue: Ich habe meine Gründe, an seine Schuld zu glauben, unabhängig von meinen Gefühlen."
Dann zuckte Benedetto mit den Schultern. Er sah sehr, sehr müde aus. "Aber es ist irrelevant. Und wenn er auf den Altar aller Kirchen defäkiert hätte, die anderen Mitglieder unserer Gemeinschaft interessiert nur ihre Ruhe. Wenn diese erhalten bleibt, vergeben sie alles, selbst Stillebrüche und Morde. Wer bin ich, dagegen anzusprechen? Also suche ich nach Wissen."
Er blinzelte und schlug dann einen anderen Tonfall an. Ein wenig heiterer, auch wenn es gekünstelt klang. "Ich habe zum Beispiel jüngst mit einer Hebamme diskutiert, die allerlei interessante Volksweisheiten zur Heilkunde parat hielt..."
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Post by Yasir on May 18, 2015 15:59:12 GMT
Der Assamit nickte, schien aber entschieden zu haben, ebenso wie Benedetto, das Thema Maximinianus fallen zu lassen und sich etwas Neuem zuzuwenden. Als Benedetto die ihm bekannte Hebamme zur Sprache brachte, machte der Assamit ein nachdenkliches Gesicht. In aller Ruhe, als gäbe es keinen einzigen Grund auf der Welt, sich bei irgendetwas zu beeilen, schritt er weiterhin neben dem fetten, blassen und sehr krank aussehenden Mönch einher.
"Da habt Ihr wohl Recht. Die Kräuterweiber profitieren von altem Wissen, das niemals aufgeschrieben wurde und daher von unsereins, den eifrigen Bücherwürmern, wahrscheinlich nicht zur Kenntnis gelangt ist." Ein bestätigendes Nicken. "Althergebrachtes Wissen bringt aber natürlich auch Gefahren mit sich, denn ein theoretisch nicht ausgebildeter Geist vermag es nicht, eine differenzierte Diagnose zu erstellen und behandelt die gleichen Symptome immer mit den gleichen Mitteln, obwohl die zugrunde liegende Ursache vielleicht ganz woanders liegt. Am besten wäre es wohl, wenn man beides miteinander verbinden könnte, doch wer hat schon die Zeit, stundenlang Hebammen, Druiden und Kräuterweibern zuzuhören, in der Hoffnung, aus dem Gros an Halbwahrheiten und Unsinn eine nützliche Information zu bekommen?"
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Post by Benedetto on May 18, 2015 19:19:26 GMT
"Aber werter Yasir..." Benedetto wirkte ehrlich erstaunt. "Was haben wir denn, wenn nicht Zeit?" Er blickte den Assamiten nachdenklich an und schwieg. Es war still auf dem Dock, bis auf das Rauschen der Wellen und den gelegentlichen Ruf eines Betrunkenen in der Ferne. Hinter Benedetto lag die dunkle See, erstreckte sich bis in Yasirs Heimat und darüber hinaus, an fernere Gestade. Für einen kurzen Moment mochten die beiden Untoten einen gewissen Frieden spüren, eine Ruhe, die ungewohnt für ihre Existenz war.
Dann verging der Moment und Benedetto seufzte leise. Er griff in seine Umhängetasche, holte eine Wachstafel heraus und begann, sich einige Notizen zu machen.
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Yasir
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Post by Yasir on May 19, 2015 15:16:50 GMT
Der Assamt machte eine allumfassende Geste und hob dann die Schultern. "Das mag stimmen. Doch gleichzeitig ist unsere Zeit erheblich kostbarer als die der Sethkinder, denn wir befinden uns nicht zufällig in unseren Situationen. Unser Dasein hat einen Zweck. Und bei irgendwelchen Laien zu sitzen und ihrem Geschwafel anzuhören, in der Hoffnung, die eine nützliche Information zu erlangen, wäre ein fahrlässiger Umgang mit dieser Zeit. Jedenfalls meiner Meinung nach." Erneut ein Heben der Schultern.
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Post by Benedetto on May 19, 2015 19:06:28 GMT
"Unter hunderten von Kieseln mag sich ein Edelstein verbergen, ein Edelstein, der sonst nirgendwo zu finden ist." Benedetto steckte die Wachstafel wieder in die Tasche und faltete die Hände. "Natürlich ist es sündhaft, seine Zeit zu verschwenden. Aber davon spreche ich nicht. Das Wissen, das ich... das wir suchen, verbirgt sich nun einmal und seine Erlangung ist jede Anstrengung wert."
Dann lächelte er, ein wenig. "Ihr habt natürlich insofern recht, als dass man wissen muss, wo man mit der Suche beginnt. Nur denke ich, dass die ungelehrten Heilkundigen einen vielversprechenden Anfang bieten. Ich beschränke mich aber keineswegs nur auf sie." Dann winkte er ab. "Aber wem erzähle ich das. Sagt, wo würdet ihr mit der Suche nach neuen Methoden beginnen?"
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Yasir
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Post by Yasir on May 22, 2015 9:54:49 GMT
"Neue Methoden...", echote der Assamit und warf einen Blick in Richtung des Sternenhimmels. Es verging eine gewisse Weile, in der nachdenkliche Stille um sie herum die gelegentlichen Geräusche der Nacht fernhielt. "Neue Anwendungen sind zumeist Geschenke der Sterne. So wie... plötzliche Einfälle. Aber das geschieht leider eher selten. Zumeist erfahre ich solche Dinge durch andere, die bereits mehr Wissen angehäuft haben und bereit sind, es mit mir zu teilen. Zumindest weiß man dann, dass sie sich bewährt haben. Ich bin niemand, der mit der Gesundheit der Sethkinder spielt." Er schüttelte den Kopf. "Ihr erfahrt neue Methoden von Kräuterweibern und dergleichen?" Es lag nichts Abfälliges darin, lediglich ein Hauch von Erstaunen.
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Post by Benedetto on May 22, 2015 19:33:30 GMT
"Ich erfahre neue Methoden, indem ich experimentiere, indem ich alte Texte studiere, indem ich nach dem Wissen der Kundigen strebe und vor allem, indem ich diese Ansätze miteinander kombiniere." Benedetto blickte zum Himmel. "Von den Sternen habe ich hingegen noch nie etwas erfahren." Er betrachtete deren Leuchten für einen Moment und fuhr dann fort: "Die Gesundheit der Sethskinder ist so ein fragiles Gut. Neue Heilmethoden herauszufinden hat schon immer Opfer erfordert, fürchte ich."
Er wandte sich wieder Yasir zu. "Wenn ein Patient ohne Behandlung in jedem Fall sterben würde, wäre es dann nicht angebracht, solche Methoden an ihm zu erproben? Möglicherweise ein Leben zu opfern um hunderte andere zu retten? Eine schwierige Entscheidung, denke ich."
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Post by Yasir on May 28, 2015 18:38:21 GMT
"Einen Mann oder eine Frau, deren Schicksal es ist, dass ein baldiger Tod sie ereilt, als Gelegenheit zu sehen, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, was wiederum der Herde insgesamt dient, ist die eine Sache. Einen völlig Gesunden einzusperren und über lange Zeiträume hinweg zu traktieren, bis er einen eben solchen Zustand erreicht hat, in dem es das Gewissen zulässt, mit ihm zu experimentieren, ist etwas völlig anderes." Er hob die Schultern. "Letzteres ist unter bestimmten Gelehrten durchaus Gang und Gäbe. Leider." Er vollführte eine wegwischende Handbewegung. "Ich bin froh, dass das bei Euch nicht der Fall ist."
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Post by Benedetto on Jun 1, 2015 12:53:43 GMT
"Grausamkeit um der Grausamkeit willen ist höchst verachtenswert", sagte Benedetto bestimmt. Dann faltete er die Hände. "Ich handle nach dem Willen Gottes... oder zumindest so, wie ich seinen Willen verstehe. Mein Gewissen hat damit nicht viel zu tun. Ihr richtet euch also nach dem moralischen Kompass, der euch als Sterblicher gegeben wurde? Interessant... ich kenne einige Kainskinder, die über das Konzept eines Gewissens lachen würden."
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Post by Yasir on Jun 4, 2015 13:21:44 GMT
"Und ich kenne einige Personen, nicht nur Kinder der Nacht, die entgegen halten würden, dass das eigene Verständnis des Willen Gottes und das Gewissen nicht so einfach voneinander getrennt werden können, vielleicht sogar ein und das selbe sind. Meine Religion, Bruder Bendetto, ist eine sehr alte. Um einiges älter als das Christen- und selbst das Judentum. Die Worte meiner Religion finden sich nicht auf den Seiten von Pergamenten, sondern auf zerfurchten Monolithen, behauen in der grauen Vorzeit der Menschengeschichte und im Gewisper alter Gelehrter. Wertloses Geplapper für die einen, wahre Fundgruben für andere." Er winkte ab. "Das macht sie gewiss nicht zu einer besseren Religion als irgendeine andere. Alter allein ist keine Leistung. Doch habe ich das Gefühl, dass die Beschäftigung mit ihr mir in mancher Hinsicht die Augen geöffnet hat." Er pausierte kurz. "Das ist der Grund, warum ich es so traurig finde, dass es eine so verbreitete Praxis ist, alle Kraft und Energie in Streitereien zu stecken, in verletzende Worte und Taten, nicht selten im Namen der einzigen wahren Religion." Er winkte ab. "Denn all das ist nur eines: völlig sinnlos."
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