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Post by Fabrizio on Jun 2, 2015 23:10:36 GMT
Es war der 10. des Januars im Jahre des Herrn 959, als das fremde Schiff zum ersten mal vor den Gestaden Genuas gesichtet wurde.
Wie beiläufig kreuzten die Segel am Horizont, verschwanden, kamen wieder näher - schienen zu beobachten, oder ließen sich beobachten? Dies ging wohl für einige Tage so. Offensichtlich kein normal Händler der sein Ziel im Hafen suchte. Aber auch für die Sarazenen war das kein übliches Vorgehen! Vielleicht scheuten sie die Macht der neuen Festung?
Doch schließlich, inzwischen beinahe überraschend, hielten die Fremden doch auf den flachen Strand unterhalb eben jener Festung zu. Im Schutze der aufziehenden Dämmerung ruderten sie heran. Tief stand die schwache Wintersonne im Hintergrund, als die Genuesen das Schiff zum ersten mal aus relativer Nähe erblickten. Schnell war auch den Laien klar, dass dies keiner der gewohnten dickbauchigen Handelskähne war. Es war ein langgezogenes Schiff, was dort mit einem scharfen Rammsporn die See zerschnitt und durch die Wellen glitt. Diszipliniert angetrieben von zwei langen Riemenreihen, die übereinnander angeordnet waren. Eine klassische Bireme war dies, ein Kriegsschiff. Von Bauart der byzantischen Dromonen wie fachkundige Seeleute zu erkennen glauben. Jedoch deutlich leichter und schmaler als jene mächtigen Schlachtenschiffe unter dem Banner des Kaisers im Osten. Auch fehlte diesem hier jeglicher massige Aufbau, kein Deckkastel, keine zerstörerischen Katapulte. So ähnelt es tatsächlich eher den wendigen schnellen Schiffen der Sarazenen. Doch waren dies alles Spekulationen, kein Banner war gehisst, kein Schriftzug, keine Absicht zu erkennen. Im seichten Wasser dann stoppte die Fahrt, das fremde Schiff landete nicht an, es drehte nur leicht bei und ging schließlich einfach vor Anker.
Unterdessen trieb in der Dunkelheit ein unbewegter Körper durch die Bucht... langsam mit den Wellen gen Ufer. Der Wachturm an der Kathedrale und die Hütten der Vorstadt, die Lichter in der Nacht, an all dem war er weit abseits vorbeigetrieben. Zwischen einigen größeren Steinen am Ufergebüsch blieb der Körper schließlich hängen, nahe der Mündung eines kleinen Baches. Abseits und Sichtgeschützt vor dem aufmerksamen Trubel um das ankommende Schiff. Im Schutz der Nacht zog der tote Körper sich leise tropfend selbst an Land...
Fabrizio richtete sich vorsichtig auf. Dies also wären seine ersten Schritte auf dem Boden Genuas, in der Domäne der Weißen Prinzessin. Aurora - er ließ den machtvollen geheimnisvollen Namen in seinen Gedanken klingen. Ja, auch er hatte irgendwann das Gewisper vernommen. Und es fühlte sich für ihn an wie ein geheimer Ruf. Er war dem Ruf gefolgt. Ein vorerst letzter Blick hinaus in die Bucht. Seine Magdalena lag nun ruhig vor Anker, nachdem sie zuvor alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte - so wie er es geplant hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen bei diesem Gedanken. Das tagelange Vorspiel war jetzt also vorbei. Nun galt es zu sehen wie diese Prinzessin auf seine Ankunft reagieren würde. Er hatte sich nicht offiziell angekündigt, nicht gerade ungefährlich ohne Einladung in ein fremdes Revier einzudringen. Lange hatte er abgewogen, bis er sich dazu entschieden hatte ohne Fürsprecher auf das Gastrecht zu hoffen. Und jetzt wo es soweit war, konnte er nicht leugnen, dass ihn die Gefahr des unbekannten sogar regelrecht reizte.
Bald schon hatte er den leichten Aufstieg zur Festung, zum Castelletto, begonnen. Diese neu erstandene Feste gegen die Sarazenen war sein Anlaufpunkt. Die Prinzessin errichtet einen Palast in Genua - dies waren die Gerüchte, und dann hörte er die Nachricht vom ehrgeizigen Bauunternehmen dieser Festungsanlage. Wo sonst sollte die Herrscherin residieren? mit all ihrer angenommenen Macht und Pracht - wenn nicht eben hinter diesen stolzen Mauern auf dieser ehrwürdigen Anhöhe? weit über dem Meer und über den Gassen der Stadt.
Während des Anstieges auf den Serpentinenwegen bemühte er sich nicht mehr um sonderliche Heimlichkeit, offen ging er auf die Tore zu, schließlich wollte er ja bemerkt werden. Der auffrischende Küstenwind riss kalt und sprunghaft an seiner klammen Kleidung, doch die salzige Feuchte des Meeres saß noch tief in den Stoffen. Ein Mensch hätte wohl gezittert vor Kälte in diesen nassen Sachen, Fabrizio hingegen nahm es nur beiläufig wahr, schließlich atmete er nichteinmal. So näherte sich der Fremde, gehüllt in ein einfaches Seemannsgewand von tiefer nassgräulicher Farbe. Bis er schließlich an den Rand der zuckenden Lichtkegel trat, welche die Fackeln der Wachen ihm entgegenwarfen.
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Post by Il Narratore on Jun 6, 2015 9:11:29 GMT
Der Allesfresser hetzte mit einem Gesichtsausdruck zum Strand, der Missmut verriet. Der Schweiß floß ihm in Strömen das fette Gesicht herunter, obwohl es Januar und damit angenehm kühl war. Es wurde ihm vergönnt, er war jetzt immerhin...oh, er hatte mal wieder seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag gefeiert vor einigen Monaten und galt in der Stadt als alter Mann, der nur aus Trotz noch seiner Arbeit nachging. Einiges an Volk hatte sich auch zu dieser späten Stunde noch zusammengefunden und das seltsame Gebahren des Schiffes zu bestaunen. Es wollte beruhigt werden, dass ein Angriff, kein Überfall und keine Sklaven ins Dorf gekommen wären.
Währenddessen fanden sich oben in der Festung die Tore verschlossen. Jene durch die äußeren Palisaden, die zum Dorf Castelletto führte, war bereits von Wachen umgeben, die jeden Reisenden aufhielten. Es war dies schließlich eine Residenz des Grafen Oberto I. von Mailand und Ligurien, Schirmherr Genuas, der Küste und des Appenin. Die Männer warfen einen Blick an der nassen Kleidung des Fremden herunter und brachen in bellendes Gelächter aus. Man nehme keine Bettler, schon gar nicht um diese Uhrzeit. Der Herr Graf befasse sich mit ordentlichen Menschen und nicht fahrendem Gesindel. Im Falle eines gesetzlichen Problems wäre die Stadt zuständig. Spöttisch warf man ihm hinterher, dass er sein Glück ja mit des Grafen Kettenhund versuchen könnte, falls sein Schiff dann noch schwimme.
Als Fabrizio hinunter ging, war er noch immer da. Luccio Il Onnivoro, persönlicher Richter und Henker Obertos, saß am Ufer des Dörfchens Burgus und starrte auf die See hinaus. Er und seine Männer hatten jede anlandende Truppe zornig zu den Autoritäten im Hafen geschickt. Die Stadt hatte Handelshoheit hier und ihre Beamten und Offiziere waren für das Eintreiben der Steuern, Gebühren, Abgaben und Zölle zuständig - außerhalb der Stadtmauern anzulanden war in der Tat verboten. Doch Luccio war nicht dumm. Sehr lange schon machte er diesen Job und wusste auch, dass Schiffe selten nachts vor Anker gingen, noch seltener, wenn sie tagelang am Horizont herum geschlichen waren. Also wartete er, gemütlich zurück gelehnt an einen Karren, die Arme vor der Brust verschränkt und mit den Augen den Horizont beobachtend.
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Post by Fabrizio on Jun 6, 2015 11:21:20 GMT
Fabrizio begegnete dem Hohn der Wachen nur mit einem stillen Lächeln. Das war es ihm Wert, er hatte Information genug. Die Männer, die Genua verteidigten hatten also genug Mumm sich nicht einfach hinter ihren Hohen Mauern zu verstecken, aber waren klug genug schnell und konsequent alles abzuriegeln. Die Gesichter der Wachen allerdings prägte er sich noch gut ein bevor er ging: Niemand beleidigte ihn ungestraft. Er würde sich beizeiten revanchieren.
Ohne Hast setzte Fabrizio seinen Weg fort, diesesmal also hinunter an den Strand vor welchem die Magdalena in einiger Entfernung vor Anker gegangen war. Hier würde er also diesen gräflichen Kettenhund finden...
Der Besuch, den der Kettenhund klugerweise von See erwartete, kam dann allerdings wie ein verspäteter Schaulustiger von Landesinnen. Vielleicht würde er sein Nahen erahnen sobald die Pferde begannen bedenklich unruhig zu werden.
Fabrizio musste sich nur kurz umsehen um den vermeintlich Gesuchten ausfindig zu machen. Wen sonst würde man ihm als Kettenhund beschreiben, wenn nicht dieses Bild von einem Mann welches sich dort geduldig wartend an einen Karren lehnte und ganz Offenkundig der Anführer dieser bewaffneten Truppe war.
Er näherte sich ohne besondere Attitüde aber Zielstrebig dem Fetten Mann am Karren. "Mir wurde geraten mich an den Kettenhund des Grafen zu wenden: Fabrizio Begado, ich bin hier um nach der alten Tradition das Gastrecht zu erbitten." Seine Stimme klang weder höhnisch noch unterwürfig höflich, einfach nur überrschend selbstbewusst und befehlsgewohnt für einen bettelnden Seemann in nassen Klamotten mitten in der Nacht.
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Post by Il Narratore on Jun 12, 2015 21:03:26 GMT
So angesprochen erhob der fette Mann sich und sah mit hochgezogenen Brauen den Neuankömmling an. Seine Truppe lachte dreckig und wurde auf seinen zornigen Blick nur noch lauter. "Vattene", brummte der Allesfresser nach einem kurzen Blick an dem Landstreicher herunter und machte eine wegwerfende Handbewegung. Er fuhr dann, mit dem Blick weiter auf die See gerichtet, auf italienisch fort: "Wir erwarten jemand wichtiges. Jemanden mit Manieren und gewichtiger Abstammung. Jemanden, der nicht im Dunkel der Nacht an Land schwimmt wie ein Dieb, sondern die Herrin dieses Landes zu respektieren weiß." Das freche Grinsen auf dem Gesicht des Ghouls sprach Bände.
Auf eine schlichte Handbewegung hin stoppten seine Männer das Geläster und wandten sich dem Seemann zu. "Vai, vai!", sagten sie und versuchten ihn fortzuscheuchen. Drei von ihnen kamen bedrohlich näher, die Hände auf den Schwert- und Axtgriffen. "Padrino...", murmelte einer und wandte sich an den Allesfresser. Seufzend drehte dieser erneut den Kopf. Er sah die Bleiche der Haut, wie er sie zuvor gesehen hatte, und er bemerkte, dass das Wesen nicht atmete, wie er es zuvor bemerkt hatte, und dass das Wasser nicht an seinem Körper trocknete sondern nur herunterlief. "Gibt keinen Grund, mein Urteil zu ändern", sagte er trocken.
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Post by Fabrizio on Jun 12, 2015 22:16:56 GMT
Fabrizio spürte wie das Tier in ihm begann zu nagen, der Fette Kettenhund hatte begonnen ein gefährliches Spiel zu spielen. Der Lasombra schwieg einen bedeutsamen Moment, er wich keinen Schritt zurück. Dann klang seine Erwiederung ebenso trocken wie jene des Padrino, während er den Kettenhund und die drei Lakaien welche ihn vertreiben wollten anstarrte. Und etwas veränderte sich während er sprach, der Schattenwurf in seinem Gesicht verzerrte sich, verfinsterte sein Antlitz beängstigend und scharf geschnitten wie seine Worte. Das war nicht normal, es war, als verschmelze die Dunkelheit allumher mit dem Seemann, fixierte sich auf seine düstere Mimik. Sein Schatten schien mit seinen Worten zu wachsen und schob sich wie von dämonischem Eigenleben erfüllt unaufhaltsam am Boden auf die Füße der nahestehenden Männer zu, ohne dass die Gestalt die ihn werfen müsste sich auch nur im geringsten bewegte... [Schattenspiele 1]
"Mir ist gleich auf wen ihr wartet. Es gibt keinen Grund dafür die Traditionen zu brechen. - Ihr solltet eurer Herrin umgehend von meiner Ankunft und meiner Bitte berichten. Andernfalls könnte ich zu dem Schluss kommen der Herrin meinen Respekt und Manieren zu beweisen, indem ich ihr den Kopf jenes armseligen Geschöpfes zum Geschenk mache, welches sich erdreistete die heilige Tradition der Gastfreundschaft hier an diesem Strand mit Füßen zu treten."
Das Blut pulsierte in ihm und drang in jede Pore seiner Sehnen und Muskeln... [3 BP, je 1 Punkt Geschick, Widerstand, Körperkraft]
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Post by Il Narratore on Jun 14, 2015 15:31:22 GMT
"Huh", machte der Allesfresser schlicht, ein wenig verblüfft. Seine Haltung ließ nicht auf große Angst schließen, wie er so locker da stand, eine Hand an der Hüfte, die Beine eng beieinander. Keine Kampfhaltung jedenfalls. Die anderen Männer um ihn herum machten einen Satz zurück. Die drei, die eben noch den Lasombra hatten haschen wollen, hoben ihre Klingen vor die Brust. Ihr Hauptmann beruhigte sie, machte eine beruhigende Geste mit der linken Hand. Daraufhin senkten sich die Waffen, die Männer entspannten sich. Die freihe Hand des Allesfressers kroch dennoch langsam zum Griff seines Schwertes.
"Ihr könntet es versuchen", gab Luccio Il Onnivoro dem Fremden mit einem Nicken Recht. Seine Stimme schien ruhig und gefestigt zu sein, seine Augen verrieten ihn aber, die dann und wann zu dem Schwert des Fremden, zu seinen Dolchen, fuhren. "Und dann könnte die Herrin euch das Herz rausreißen und euer Blut an ihre Kinder verfüttern. Als Sühne für die Frechheit, ihren Gesandten und Leibdiener getötet zu haben. Seht euch also vor, Mann, oder habt ein schnelles Schiff. Sie ist älter als alle Königreiche dieser Welt. Wir sind nichts vor ihr. Doch ich habe ihr Jahrhunderte gedient und sie hat sich an mich gewöhnt." Ein Lächeln erschien auf dem feisten Gesicht. Nicht höhnisch, aber doch eindeutig arrogant, angefüllt mit dem ganzen Bewußtsein, dass in der Tat hier einer stand, durch den das Blut der weißen Prinzessin floß. "Oder ihr stellt euch vor, zügig, damit besagter Vertreter ihrer Majestät befindet, ob jemand Fremdes, der sich wie ein Dieb an Land schleicht, ohne Anmeldung und Bitten in die Domäne eines Älteren eindringt wie Ihr, das Gastrecht verdient."
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Post by Fabrizio on Jun 14, 2015 16:08:12 GMT
Plötzlich, von einem Augenblick zum nächsten waren die Schatten um sie herum wieder wie eh und je und als wäre nie etwas geschehen.
Fabrizio beruhigte sich, die Antwort des Kettenhundes bedeutete bereits seinen Sieg. Er war nur ein etwas anmaßender Lakai der sich nun also schon hinter seiner Herrin verstecken musste. Der Lasombra lächelte, deutete nun gar ein leichtes Nicken an und seine Worte klangen höflich und sogar ein wenig ehrfürchtig.
"Es stellt sich vor, Ihrer Majestät Aurora der Weißen, Herrin der Domäne Genua - Triarch Fabrizio Begado, Neugeborener und Kind der Magdalena Castelucci Borcellino aus dem Blute Lasombras, Kind des Lucio Gradenigo aus Venedig, welcher in der sechsten Generation zum Dunklen Vater Kain steht."
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Post by Il Narratore on Jun 20, 2015 12:42:33 GMT
"Ich werde ihrer Majestät Aurore berichten, dass ein Mann dieses Namens vor der Küste auf ihre Erlaubnis wartet, ihre Domäne betreten zu dürfen. Wenn ihr weise seid, erwähnt ihr diese Nacht nicht und wartet auf eurem Boot."Luccio fletschte die Zähne zu einem Lächeln. Er hatte 'Boot' ganz besonders betont, wohl auch im verzweifelten Versuch das Ego des Lasombra ein wenig anzukratzen. Seine Männer hatten die Waffen gesenkt und sich besorgt angesehen. In ihren Gesichtern stand Unverständnis und Zweifel. "Denn sie hat euch weder das Gastrecht erteilt, noch verfüge ich über diese Macht", log der Allesfresser ohne mit der Wimper zu zucken. Er besaß dieses Recht sehr wohl, die Herrin hatte es ihm vor einigen Jahren für einige Zeite verliehen, bis ein ordentlicher Seneschall eingesetzt wäre. Kaum war der Lasombra fort, sackte Luccio ein Stück zusammen. Er sah die Furcht in den Augen seiner Männer, die vielen Fragen in ihren hohlen Köpfen. Er würde die ganze Nacht brauchen, um diesen Vorfall aus ihrer Erinnerung zu tilgen. Und alles für einen sinnlosen Schwanzvergleich. "Ihr habt euch wacker gehalten Männer. Es geschieht nicht jeden Tag, dass man einem Teufel in die Augen blickt."Ein Lächeln schwabte über sein Gesicht, ehrlich und weich. Immerhin konnte er seinen noch benutzen und würde morgen früh in die warmen Arme seiner Frau zurückkehren. Doch zuvor hatte er sich zur Prinzessin aufgemacht, ihr von der Begebenheit und dem Fremden erzählt und war erwartungsgemäß dazu verdonnert worden, das Ereignis aus der Geschichte zu tilgen. Ihre Majestät dagegen hatte sich Zeit gelassen mit ihrer Antwort. Es wurde eng auf dem Schiff von Fabrizio. Der Hunger stieg und die Zeit wurde schal. Tag um Tag verstrich, ohne einen Boten. Dann eine Woche. Zwei, drei Wochen ließ die Prinzessin Aurore den Fremden dürsten und lechzen nach einer Nachricht. Dann erst schickte sie einen Boten aus, einen schmächtigen, kleinen Mann in unauffälliger Kleidung, der mit einem Boot hinauf auf den Golf ruderte, das Schiff suchte und eine verschlossene Bulle 'für den Triarchen' überbrachte. Darin stand schlicht auf Latein zu lesen: Werter Neugeborener Fabrizio, Kind der Magdalena Castelucci Borcellino.
Ihr seid hiermit an den Iden des nächsten Monates zur Audienz in die Villa Illuminata geladen, eine kurze Zeit nördlich der Mauern Genuas. Bis zu diesem Zeitpunkt sei euch das Gastrecht und alle damit einhergehenden Stillungen eurer Bedürfnisse zugestanden.
Aurore, Prinzessin Genua.
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Post by Fabrizio on Jun 20, 2015 16:50:22 GMT
"So sei es." Erklärte sich Fabrizio damit einverstanden, mehr hatte er ja auch garnicht gewollt... Allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt, dass sie ihn drei volle Wochen lang in der Flaute zappeln lassen würde!
So war die Versorgungslage seiner 134 Seeleute und Ruderer an Bord noch das geringere Übel. Von Zeit zu Zeit ließ er einfach abdrehen und landete an den Stränden der nahen Fischerdörfer um das Nötigste an Frischwasser und Proviant aufzunehmen. Zumindest die ärgsten Engpässe ließen sich damit überbrücken. Schwerwiegender war allerdings die von Tag zu Tag steigende Anspannung der Mannschaft. Wie sollte er die Meute so lange dazu bringen die Füße stillzuhalten? Fette Handelsschiffe, schutzlose Dörfer und ein Hafen voller Verheißungen immer in Sichtweite - und die Männer sollten friedlich angeln und das Deck schrubben? Und dabei auch noch Hunger und Durst leiden? Und wie viel Durst würde er selbst aushalten?
Aber er hatte sich entschieden diese Prüfung anzunehmen. Dies würde sein Schlüssel zur Domäne sein.
Es war ein Wunder, dass es ihm in dieser Lage überhaupt gelang eine Seeräubermeute aus Beutelschneidern und Berufsmördern über die ersten zwei Wochen ausreichend unter Kontrolle zu halten. Doch dann stand die Meuterei kurz bevor! Ab einem gewissen Punkt hatte Fabrizio damit gerechnet. Bis zum letzten Moment hatte er mit seinen Getreuen abgewartet, die potentiellen Rädelsführer ausfindig genmacht. Hatte eine Situation bewusst eskalieren lassen, um seine Gegner aus der Deckung zu locken, und hatte dann hart und vernichtend zugeschlagen... In der nächsten Nacht schwammen einige blutleere Wasserleichen in der Bucht. Doch an Bord kehrte endlich wieder Ruhe ein.
Fabrizio hatte sich durchgesetzt und die grausame Wartezeit überstanden. Und dann kam auch endlich der Bote.
Der Lasombra ließ sich die Botschaft mit versteinerter Miene in seiner Kammer vorlesen, er selbst konnte weder diese alte Sprache noch überhaupt hinreichend Lesen und Schreiben. Nun brauchte er also nurnoch den erlösenden Befehl zu geben.
Die Magdalena lief am nächsten Morgen, nachdem sie mehr als drei Wochen in der Bucht gelegen hatte, nun endlich in den Hafen Genuas ein. Die Seeleute bekamen einen Vorschuss und die doppelte Ration, bevor sie zum Landgang stürmten, um ihre erfolgreiche Belagerung zu feiern!
Für Fabrizio hingegen begann nur das nächste Gedultsspiel. Sie spielte die Macht der Herrin aus, das war ihr gutes Recht, er akzeptierte es, und er würde sich daran gewöhnen, er hatte eine Ewigkeit an Zeit...
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An besagtem Datum erklomm Fabrizio erneut die Hügel im Norden der Mauer, doch dieses mal ging es nicht gen Festung sondern zu einer Villa. Wieder war er alleine gekommen, doch dieses mal im Gewand des Kapitäns. Die Bulle hatte er mit sich genommen, auch wenn er sie nicht lesen konnte, vielleicht würde sie ihm als Schlüssel dienen müssen.
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Post by Il Narratore on Jun 23, 2015 15:43:27 GMT
Die 'Villa' war eigentlich ein ganzes Gut, das relativ abgelegen auf halbem Wege nach Luccoli sich befand, einige hundert Meter abseits von der matschigen Straße. Ein schlichter Kiesweg führte durch Weinstöcke und Felder hinauf, wo in einiger Entfernung von den Wirtschaftsgebäuden zwei Wachen Spalier an einer niedrigen Mauer standen. Sie salutierten vor dem Lasombra, schlugen die Lederhandschuhe gegen die beharnischte Brust und riefen dabei: "Ihre Majestät heißt euch willkommen!"
Der weitere Weg führte durch Olivenhaine und Apfelbäume, die in voller Blüte standen, und endete schließlich zwischen zwei Schuppen. Diese gruppierten sich, zusammen mit einigen Scheunen, Ställen, Werkstätten, Lagerräumen usw. mit der Vorderseite um die eigentliche Villa herum. Ein großes Gebäude aus Stein, ganz nach altem Stile und massiv gebaut. Rustikal, schlicht, beständig. Eine große, doppelflügelige Tür empfing ihn an der Spitze einer kurzen Treppe aus weißen Steinen. Noch bevor Fabrizio sich bemerkbar machen konnte, öffnete sich das Portal.
Der Allesfresser, wie vor einigen Wochen in seine Rüstung gehüllt, die groß genug für zwei normale Menschen gewesen wäre, schritt die Stufen hinunter. In seiner linken Armbeuge klemmte ein Helm, groß wie ein Kochtopf, und an der linken Seite baumelte ein längliches Schwert. Leicht verneigte er sich vor dem Gast und sagte: "Willkommen im Namen ihrer Majestät, tausendfach willkommen! Bitte, tretet ein. Sie erwartet euch bereits." Er führte ihn die Treppe hinauf in einen kleinen Vorraum, wo zwei weitere Männer postiert waren, die soeben das Portal hinter ihnen verschlossen. Vor ihnen öffnete sich ein Bild der Friedlichkeit und Stille. Die Villa verfügte über einen großen Innenhof, der von einem Säulengang umgeben war. Von diesem gingen alle anderen Räume und Flügel ab. Das Dach war zum Himmel geöffnet und fiel zur Mitte des Hofes hin ab. Unterhalb der Öffnung befand sich ein flaches Wasserbecken, in welchem sich der volle Mittsommermond spiegelte. Auf der gegenüberliegenden Seite dieses Atriums verbarg ein dicker, schwarzer Vorhang den dahinterliegenden Raum. Dorthin begab sich der Allesfresser gemächlichen Schrittes, ohne Fabrizio erst weiter aufzufordern, ihm zu folgen.
"Es gab hoffentlich keine Probleme?", stichelte der Ghoul auf dem Weg. "Seitdem Genua das Stadtrecht erteilt wurde, erwächst eine blühende Bürokratie im Hafen heran."
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Post by Fabrizio on Jun 23, 2015 18:40:32 GMT
Also die Festung war deutlich imposanter, befand Fabrizio auch weiterhin. Hier war alles nur abgelegen, beschaulich, ländlich. Wenn auch entsprechend geschützt durch Unauffälligkeit, aber zumindest von Charme und Stil des Landadels. Er war gespannt, ob dies Rückschlüsse auf die Bewohnerin zuließe.
Den Wachen nickte er nur höflich zu. Allerdings musterte er sie eine ganze weile. War hier vielleicht durch Zufall jener Mann, der ihn in der ersten Nacht von seiner Mauer hinab verspottet hatte? Nun, irgendwann würde er ihm wieder begegnen, er hatte Zeit...
Und da hatte ihn auch schon der Kettenhund erschnüffelt! Tausendfach willkommen... "Und tausendfachen Dank für Ihre Einladung." Mehr sagte er nicht. Und seine Worte waren auch eher von einer bestenfalls nüchternen Freundlichkeit, denn von freudigem Enthusiasmus durchdrungen.
Auch die beiden folgenden Wachen musterte er im Vorbeigehen auffallend gründlich...
So eine Villa auf dem Land war sehr ausladend, er war aus Venedig eher die dagegen sehr gedrungen wirkenden Stadtpalais gewohnt. Nur der Hang zum eleganten Atrium erinnerte ihn an zu Hause, im Zentrum ein Hauch von Wasser, in dessen Spiegelung sein Blick einen Moment wehmütig hängen blieb.
"Keine Probleme." Er strafte den Ghul für seine unangebrachten Sticheleien vorerst nur mit kühler Ignoranz, während er ihm hinter den schwarzen Vorhang folgte. Irgendwo hinter diesem Vorhang würde seine Zukunft liegen, das war es Wert sich nur darauf zu konzentrieren.
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Post by Il Narratore on Jun 27, 2015 20:07:59 GMT
Der Allesfresser unterließ daraufhin weitere Plaudereien und begnügte sich mit einem frechen Lächeln. Seine genagelten Stiefel hallten schwer in der Halle wieder, das Knallen seiner Absätze kroch über den Marmor und flog die Säulen entlang. Langsam nur schob der Ghoul sich auf den Raum zu, in dem sich wohl die Prinzessin Aurore befinden musste.
Er zog den Vorhang zur Seite, salutierte und sagte, mit stolz geschwellter Brust: "Ihre Majestät Aurore, Prinzessin Genua, Ahnin vom Blut der Könige. Kind des Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige. Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige. Kind des Ventru, erster seines Blutes. Kind des Enoch, des Weisen. Kind des Kain, des Vaters."
Dahinter befand sich die Prinzessin Aurore, lassiv auf ihrem Thron ausgebreitet. Die Beine über die linke Armlehne gehängt, die Arme auf der rechten abgestützt. Das marmorweiße Gesicht war überlegt mit dem zarten rosafarbenen Ton gesunden, atmenden Fleisches und wirkte trügerisch zart und weich. Ihre kristalinen Fingernägel der rechten Hand endeten auf dem Wangenknochen, der Handballen stützte ihr Kinn. Den blutroten Mund hatte sie zu einem zweideutigen Lächeln verzogen. "Ave, Fabricius. Antiquam linguam potens es?", säuselte sie mit der Stimme einer Göttin. Ihr Blick glitt an dem Lasombra herab, nahm sich die Zeit, jeden Riemen, jeden Fetzen Stoff und jede Schnalle ausgiebig zu betrachten, die der fremde Seemann am Leib trug. Eine Augenbraue schob sich fragend in die Höhe.
------- "Grüße, Fabrizio. Der alten Sprache bist du mächtig?"
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Post by Fabrizio on Jun 27, 2015 20:31:36 GMT
Als der unangenehme Ghul den Vorhang zur Seite zog und Fabrizio sich gewahr wurde, dass direkt dahinter die Prinzessin auf ihrem Thron wartete, neigte er umgehend das Haupt und kniete ehrfürchtig nieder. Er hatte sich tief verbeugt ohne die Majestät zuvor ausgiebig zu mustern, dies stand ihm nicht zu.
Als dann die fremde Sprache so wundervoll intoniert, offenbar ihm angedacht und zugesäuselt wurde, von den Lippen der weißen Prinzessin selbst, war er ersteinmal völlig unschlüssig und verblieb deshalb unbewegt in seiner tief verbeugten Haltung. Währenddessen versuchte er sich verzweifelt zusammenzureimen, aus den Wortfetzen die er vielleicht zuordnen konnte, was die Ansprache zu bedeuten hatte und vor allem was nun von ihm verlangt wurde.
Nein, offenbar verstand Fabricius kein Latein.
--- Geistesschärfe+Linguistik um vielleicht doch etwas zu verstehen wc5p1l363d10 3d10
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Post by Il Narratore on Jun 30, 2015 12:11:04 GMT
Die Ahnin seufzte lediglich auf diese Vorstellung hin und verfiel in einen romanischen Dialekt, den Kenner als eine dem provenzalischen nahestehende Form des Vulgärlateins erkennen würden. Nahe genug mit den unzähligen italischen Dialekten verwandt, um von Venezianern und Sizilianern gleichermaßen verstanden zu werden. Zumal wenn man, wie die Prinzessin, auf komplexe Wörter verzichtete. "Grüße, Neugeborener", sagte sie schlicht und bedeutete dem Lasombra mit einer Bewegung ihrer linken Hand aufzustehen. "Was führt dich in mein Reich?"
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Post by Fabrizio on Jun 30, 2015 21:03:21 GMT
Ah, zum Glück verstand er jetzt was sie sagte! Andernfalls hätte er sich aber ganz schnell etwas cleveres überlegen müssen, sonst wäres es das auch schon gewesen. Es waren eben solche kleinen Fehler die einen zu Fall brachten...
Fabrizio erhob sich mit ihren Worten.
"Ich grüße euch Majestät Aurore. Und ich danke euch dafür, dass ihr mich empfangt." So weit so gut, das waren die üblichen Floskeln.
"Es ist der Wunsch mich in eure Dienste zu stellen, Majestät Aurore, der mich in euer Reich führt. Und die Hoffnung mit der Zeit in diesem Hafen heimisch zu werden." Schlicht, ehrlich und hoffentlich nicht zu weit über die Reling gebeugt.
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