Alis
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Post by Alis on Aug 20, 2015 21:13:15 GMT
Es verging etwas Zeit nach ihrem ersten Besuch in San Marcellino, bis Alis sich wiederum nach Burgus aufmachte, um ungesehen an den Wachen des Dorfes vorbei und direkt durch es hindurch zu gehen, dem Pfad durch den Olivenhain zum Kloster zu folgen. Sie hatte dafür die zerschlissenen, ausgefransten, grauen Lumpen an, mit denen sie vor einigen Jahren in Genua angekommen war und die seitdem nicht besser geworden waren. Knielange Tunika, Beinlinge, Umhang. Keine Schuhe, dafür waren ihre Füße und Hände so dreckig, dass man sich keine Gedanken darüber machen konnte, ob sie zu blass war. Bevor sie sich der Seitenpforte des Klosters näherte, an dem auch des Nachts für Bittsteller geöffnet wurde, fuhr sie sich mit den Händen über das Gesicht, und zog die Kapuze über den Kopf. Dann ließ sie sich in angemessener Entfernung vom Kloster sehen, so dass die Wache, sollte sie wach sein, sie auch bemerken konnte ohne zu erschrecken. Sie näherte sich der Wache in dem Bemühen, irgendwie ängstlich zu wirken, und zog schon in einen Metern Entfernung ein zusammengerolltes Pergament aus dem Umhang. Sollte die Wache es nehmen, flüsterte sie, es wäre von jemandem für Bruder Benedetto und blieb dann noch etwas stehen, wie es Bettler tun, die auf ein Almosen hoffen.
Das Pergament war dünn und häufig abgeschabt und statt eines Siegels war die kleine Rolle mit einem Faden umwickelt, der sie zusammenhielt. Sie enthielt allerdings auch keine großen Geheimnisse, nur ein paar Worte, die mit schwarzer Tinte in nicht allzu geübter, aber immerhin nicht verschmierter Schrift geschrieben worden waren: Verabredung mit dem Jäger: Strand zwischen Burgus und Flussmund, unter San Marcellino. In VII Nächten. A.
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Post by Benedetto on Aug 20, 2015 21:54:26 GMT
Benedetto blickte das Pergament in seiner Hand nachdenklich an, bevor er es zusammenrollte. Dann erhob er sich langsam. "Du sagst, der Bote wartet noch?" fragte er seinen Adlatus. Dieser nickte. Schwerfällig erhob sich der dicke Mönch und stapfte zur Seitenpforte, wo er mit den Händen hinter dem Rücken heraustrat. Ein Blick auf den Boten und Benedetto runzelte die Stirn, machte eine Kopfbewegung, die Alis aufforderte, ihm zu folgen.
"Es freut mich, euch wiederzusehen", sagte er dann, als sie sich ein Stück vom Kloster entfernt hatten. "Eure Nachricht habe ich zur Kenntnis genommen. Gibt es sonst noch Dinge, die ich wissen sollte? Wird der Mann bewaffnet erscheinen, soll ich eigene Begleiter mitbringen, um wichtiger zu wirken? Oder soll es ein sehr geheimes Treffen sein, je weniger, desto besser?"
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Alis
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Post by Alis on Aug 21, 2015 8:20:06 GMT
Sie hatte kurz gewartet und das Kloster betrachtet, wollte aber gerade wieder gehen, als Benedetto tatsächlich selbst aus der Tür trat. Als er bedeutete zu folgen, tat sie das mit zwei Schritten Abstand, die sie erst wieder aufholte, als Benedetto stehen blieb:
"Es freut mich auch, Euch wiederzusehen.", erwiderte sie und nickte auf seine letzten Worten.
"Als ich ihn getroffen habe, war ich allein und er ließ sich von fünf Leuten seiner Mannschaft mit einem Boot näher ans Ufer rudern. Natürlich waren die alle bewaffnet..." Sie verzog den Mund zu einem schrägen und belustigten Lächeln: "Hat von außen sicher lustig ausgesehen, wenn es denn jemand gesehen hätte. Aber er wusste auch nicht genau, wen er treffen würde und zudem hat er durchaus Grund, vorsichtig zu sein. Er tut das, was er tut, nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz hierzulande." Sie schwieg einen Moment und dachte nach, dann zuckten ihre Mundwinkel wieder: "Aber er war sehr höflich."
Kurz schien sie noch etwas sagen zu wollen, auch wenn es nicht das war, was sie tatsächlich sagte: "Wenn Ihr Euch sicherer fühlt, nehmt jemanden mit. Aber wir sollten besser nicht bedrohlich wirken, sonst verschwinden sie gleich wieder zu ihrem Schiff."
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Post by Benedetto on Aug 21, 2015 12:40:40 GMT
"Ich werde zwei Bewaffnete mit mir bringen, sie aber Abstand halten lassen. Wenn er euer Diener werden soll, dann muss er sich sicher sein, was den Handel angeht." Er blickte zum Himmel. "Lasst uns den Ablauf des Abends noch einmal durchsprechen. Ihr und ich, wir treffen uns bevor er auftaucht - oder soll ich erst später dazustoßen? Ein wichtiger Mann lässt schließlich auf sich warten, nicht umgekehrt..." Er blickte sie fragend an, schließlich war dies ihre Unternehmung.
"Ich komme dazu und ihr bittet mich um meine Einschätzung gegenüber eurem... Mittel, nicht wahr? Was tun wir, wenn er verlangt, dass einer von uns das Mittel trinkt? Ich würde denken, dass ihr dann gefragt wäret." Benedetto verschränkte die Arme. Schließlich wollte er kein Blutsband zu der Malkavianerin eingehen. "Ich gebe meine Einschätzung und das Treffen endet. Oder geschieht noch mehr?"
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Post by Alis on Aug 23, 2015 15:25:50 GMT
Alis nickte und hatte offenbar darüber nachgedacht:
"Sagen wir...ich muss das Blut in eine möglichst alt wirkende Flasche abfüllen und es wird dann ja nicht lange halten. Damit wir nicht in die Verlegenheit kommen, dass er es mitnimmt, statt es zu trinken, behauptet Ihr entweder, Ihr hättet sie eben schon zum Testen öffnen müssen...was einleuchtend erscheint, ja? Oder Ihr bringt sie geschlossen, öffnet sie vor ihm und vollführt irgendeinen...alchemistischen...Test. Und dann ermahnt Ihr ihn, dass er sich beeilen muss, damit es nicht kaputt geht an der Luft. Oder was meint Ihr?"
Sie sah ihn kurz fragend an:
"Oh, und dass er es zu drei Gelegenheiten trinken muss, natürlich. Wobei ich nur eine Flasche dabei habe, damit er uns nicht einfach alle abnimmt, klar. Und wenn er will, dass einer von uns probiert, mache ich das natürlich. Er wird daen Strand übrigens vermutlich nicht betreten. Ich habe ihn auf dem Wasser getroffen, also ich in einem Boot, er auch. Vielleicht treffe ich mich zuerst mit ihm und Ihr kommt dann tatsächlich etwas später, weil il rospo ein wichtiger Mann ist. Dann hole ich Euch mit meinem Boot und kann vorher sehen, ob er wegen Eurer Begleiter irgendwie nervös wird."
Dann zog sie die Brauen zusammen und sah nachdenklich auf den Boden, bevor sie schnell wieder aufsah, als ihr noch etwas einfiel: "Oh, und lasst Euch bezahlen. Oder arbeitet il rospo umsonst? Und würde er normalerweise Bewaffnete mitnehmen?"
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Post by Benedetto on Aug 23, 2015 21:21:12 GMT
"Wenn ich die Flasche selbst bringe, so wird er ein abgekartetes Spiel vermuten. Nein, ich muss höchst widerwillig zu diesem Treffen erscheinen und ihr werdet mir zum Schein einen dicken Beutel mit Geld reichen, sobald ich meine Analyse beendet habe. Il Rospo lässt sich für solche Dinge mit Sicherheit gut bezahlen." Es wirkte so, als habe er sich bisher nie Gedanken um die Einkünfte des fiktiven Alchemisten gemacht, aber er klang überzeugt davon.
"Ich werde mit Wachen kommen, in jedem Fall, da ich Misstrauen gegenüber euch und ihm signalisieren muss. Ich werde den Trank entsprechend durch Riechen und andere Proben testen. Den Trank, den ihr mir dann reicht und den ich natürlich zum ersten Mal sehe." Benedetto faltete die Hände. "Danach wird Il Rospo sich so schnell wie möglich wieder aus dem Staub machen, mit seinem Lohn in der Tasche. Ich denke, das ist nur logisch."
Alis konnte sich kaum vorstellen, dass der Mönch ein begnadeter Schauspieler war. Aber die Rolle des krötenhaften Alchemisten, die war ihm beinahe auf den fetten Leib geschrieben.
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Alis
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Post by Alis on Aug 24, 2015 17:28:24 GMT
Alis hörte ihm aufmerksam zu, verschränkte aber die Arme und zog mal die linke, dann die rechte Braue hoch. Dann nickte sie:
"Ich denke, er muss Euch bezahlen. Er will immerhin unbedingt einen Alchemisten sehen, der ihm bestätigt, dass ich ihn nicht betrüge. Wenn ich diesen Alchemisten bezahle, sieht das erst Recht nach Bestechung aus. Nein...das soll er gefälligst selbst tun. Und ich denke, der Alchemist sollte nicht allzu misstrauisch sein. Dass er nicht schutzlos sein will, ist schon verständlich, aber andererseits würde niemand einen Alchemisten bedrohen, von dem er noch will, dass er einen Trank begutachtet. Das wäre...nicht sehr gesund, oder? Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Kerl darüber hinaus noch...wollen wird, dass il rospo ihm herausfindet, wie man mehr von diesem Trank herstellt. Und ein Alchemist, den man zu diesem Zweck bedroht, würde einem doch ein nettes Gift brauen, oder?"
Sie sah für einen Moment etwas gedankenverloren an ihm vorbei, bevor sie ruckartig ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn fokussierte:
"Und: Würde man einem Alchemisten einen Unsterblichkeitstrank vor die Nase halten: Würde er das Zeug nicht unbedingt haben wollen?"
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Post by Benedetto on Aug 24, 2015 20:08:09 GMT
Benedetto lächelte. "Euer Verstand ist wach, werte Alis, und ich stimme euch zum großen Teil zu. Nur bedenkt, dass Il Rospo des Nachts unter höchst verdächtigen Umständen gerufen wird. Er hat sicherlich Feinde, wie jeder einflussreiche Mann. Eine Wache von zwei Mann, nicht mehr, nicht weniger, um seine Sicherheit zu garantieren."
Dann winkte er ab. "Einen Unsterblichkeitstrank, wie soll Il Rospo den beurteilen? Er darf nicht voll und ganz überzeugt sein." Der Mönch rieb sich das Doppelkinn. "Ich werde behaupten, an einer ähnlichen Mischung gearbeitet zu haben... und dann überrascht sein, von gewissen Inhaltsstoffen. Ja, in der Tat, und dann werde ich dem Mann bestätigen, dass es tatsächlich funktionieren könnte."
Er verzog das Gesicht. "Natürlich wird sich Il Rospo dann verabschieden, um selbst an diesem Trank zu arbeiten."
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Alis
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Post by Alis on Aug 27, 2015 19:50:14 GMT
Sie sah nachdenklich zu Boden, während sie ihm zuhörte und nickte dann und wann zustimmend. Als er beschrieb, dass er von bestimmten Inhaltsstoffen überrascht sein würde, lächelte sie, sah auf und nickte nochmals: "Das könnte tatsächlich funktionieren, werter Bruder Benedetto. Solange ihr ihm bestätigt, dass es nicht giftig ist."
Letzteres klang eher leicht dahin gesagt und war von einem leichten Grinsen begleitet, das kurz über ihr Gesicht glitt.
"Gut, dann müsste unsere kleine Geschichte soweit fertig sein, nicht? Oder habt Ihr noch eine Frage?"
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Post by Benedetto on Aug 27, 2015 20:14:24 GMT
Er schüttelte den Kopf. "Ich wünsche euch eine angenehme Nacht, Alis. Ich werde pünktlich vor Ort sein." Nachdem er die Malkavianerin angemessen verabschiedet hatte, wandte sich Benedetto wieder dem Kloster zu und verschwand in dem dunklen Gebäude, sein bleicher Kopf ein kleiner heller Fleck vor der Schwärze hinter der Klostertür.
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Tatsächlich würde 'Il Rospo' sieben Nächte später am Strand erscheinen. Er war in Begleitung von zwei maskierten Bewaffneten, von denen der eine die kräftigen Oberarme eines Handwerkers aufwies, der andere jünger und schlanker, aber kaum weniger muskulös zu sein schien. Es waren der Schmied Eduardo und sein Sohn, ausgebildete Milizionäre von Burgus, die dem fetten 'Alchemisten' hier zur Seite standen. Benedettos Adlati, Citus und Marius, beobachteten das Geschehen am Strand von einem Versteck aus.
'Il Rospo' kam nicht zu spät, aber auch keinesfalls als erster. Mit der Würde eines wichtigen Mannes stapfte er hinunter ans Wasser, wo er sich umsah, skeptisch, arrogant und vielleicht ein wenig nervös. Der Kundige war in eine rote Robe gewandet, mit Stickereien verziert, aber dennoch aus gutem, festen Wollstoff und nicht aus feinerem Material. Ein Reisegewand. Um den Hals trug er eine Umhängetasche, in der er Gerätschaften, Schreibblock sowie ein scharfes kleines Messer verstaut hatte.
Mit zusammengefalteten Händen blickte sich die krötenhafte Gestalt um.
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Alis
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Post by Alis on Aug 30, 2015 19:00:15 GMT
Sieben Nächte später hatte Alis, so bald es die Sonne erlaubte, die Stadt ungesehen verlassen und sich sehr eilig, aber ebenso unbemerkt auf den Weg nach Flussmund gemacht. Zusammen mit einer Umhängetasche voller alter Lumpen, einem Stück etwas weniger altem, weißem Wollstoff und einem verschließbaren, leeren Krug, der vor ziemlich langer Zeit auch schon besser ausgesehen hatte.
Es war nicht der erste Ausflug dieser Sorte, also hatte sie dieses Mal direkt den kürzesten Weg im Sinn und auch ein bestimmtes Ziel. Auch wenn vom Meer her ein kühler Wind kam, lag immer noch ein Schatten der Hitze des Sommertags über den schwarzen Silhouetten des Fischerdorfes. Sie hatte nicht vor, sich den Hütten zu nähern, denn der Strand war von Netzen und Booten bedeckt und ein Boot ware es, was sie wollte. Wie beim letzten Mal. Sie waren alle festgebunden, halb um nicht von den Gezeiten mitgenommen zu werden, halb um potentiellen Dieben zumindest den Hinweis darauf zu geben, dass sie nicht für jeden zur Benutzung hier lagen. Sie nahm es zur Kenntnis, konnte aber leider keine Rücksicht darauf nehmen. Neben dem Boot, das am weitesten vom Dorf entfernt war, ließ sie sich in die Hocke nieder um den Knoten zu betrachten, als ein paar Boote weiter jemand laut schnarchte. Alis erstarrte in der Bewegung, nur um dann den Kopf zu heben und angestrengt zu lauschen. So sehr, dass der Geruch von Salz und Seetang und kleinen, vergessenen, verwesenden Fischen begann, aufdringlich intensiv zu werden. Es hätte diese übermenschlichen Sinne eigentlich gar nicht gebraucht, da der Schläfer nach zwei ruhigen Atemzügen wieder anfing zu schnarchen. Dafür gar es, wie es schien, keine menschlichen Geräusche in der näheren Umgebung. Nur das Rauschen der Wellen, den Wind.
Die Malkavianerin löste sich aus der Erstarrung und schlich so leise, wie es ging an den Booten entlang, um im dritten schließlich einen Mann zu finden, der vielleicht zur Wache eingeteilt gewesen war, das aber offenbar vergessen hatte und sie grinste unwillkürlich über diese doch recht glückliche Fügung. Das Boot ins Wasser zu ziehen und zu rudern verlangten immerhin nach Kraft. Nicht unbedingt mehr, als sie hatte, aber sie konnte es sich auch einfacher machen und es ihm schwerer, wegen eventueller Geräusche aufzuwachen. Nochmals blickte sie zum Dorf und über den Strand und wieder zum Dorf, und als sich nichts regte, beugte sie sich vorsichtig über den Arm der auf dem Rand des Bootes abgelegt war und wartete einen Moment ab, in dem es etwas dunkler wurde, weil eine Wolke über den Halbmond zog.
Er wachte nicht auf, immerhin hatte sie darin eine Menge Übung. Vermutlich würde er morgen von nicht sehr begeisterten Fischern geweckt werden und sich aus mehr als einem Grund beschissen fühlen.
Darüber machte sie sich allerdings nicht die geringsten Gedanken, als sie in ihren Fußspuren zurück zum Boot schlich. Sie löste den Knoten und nahm sich dann einzeln und sehr vorsichtig die Ruder, um sie mit den alten Lumpen zu umwickeln und sie festzuknoten. Dann horchte sie noch einmal angestrengt in Richtung Dorf, aber das einzige, was sich unter die Geräusche der Nacht gemischt hatte, war das verdammte Flüstern. Sie wischte es mit einer ungeduldigen Geste beiseite und versuchte es zu ignorieren, während sie das Boot so schnell wie möglich und nun nicht mehr unsichtbar zum Wasser zog und leise hineinsprang. Geduckt ließ sie die Ruder ins Wasser und sah über ihre Schulter, während sie sich vom Strand entfernte, Richtung Meer.
Dank des Blutes der Wache war sie kurze Zeit später auf der Höhe von San Marcellino und legte leise die Ruder im Boot ab, während das Boot von einem in dieser Nacht sehr ruhigen Meer sanft auf und ab geschaukelt wurde. Dann nahm sie den kleinen Krug aus der Tasche, zog den Dolch aus dem Ärmel und blickte dorthin, wo der Nachthimmel sich heller gegen die glatte Line des tintenschwarzen Wassers abhob.
Sobald sich dort ein Schiff blicken ließ, und sie erkennen konnte, dass sich ein Boot von dort aus näherte, schob sie den linken Ärmel zurück und presste die Lippen zusammen, während sie quer über ihr Handgelenk schnitt. Die Hand war zur Faust geballt, und sie öffnete sie langsam wieder, während ihr Blut in den Krug lief und sie das Boot beobachtete. Zum Glück war die Nacht für sie viel heller als für diese Sterblichen.
Die Faust schloss sich wieder, als sie die Wunde schloss und darüber leckte, um das Blut verschwinden zu lassen. Dann leckte sie es von der gebogenen, sarazenischen Klinge des Dolches, bevor sie ihn wieder in ihrem Ärmel verschwinden ließ. Zuletzt tauchte sie eine Ecke ihres Umhangs ins Meer und wischte Spuren von Blut vom Rand des Krugs, bevor sie ihn verschloss.
Dann blickte sie dem sich nährenden Boot entgegen und wartete. Und lächelte. Ein bisschen hungrig.
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Post by Il Narratore on Aug 31, 2015 21:21:11 GMT
Das herangleitende Boot war mehr eine Nussschale, denn ein echtes Boot oder gar Schiff. Ein weißer Fleck war darauf zu sehen und zwei kleinere Gestalten beiderseits, die mit langen, gleichmäßigen Bewegungen das Gefährt nach vorne katapultierten. Drei Fuß in der Breite maß es vielleicht und zehn in der Länge. Gerade genug Platz, um sechs rudernde Mann dort unter zu bringen, aber keine Beute. Ein Landungsboot musste es sein oder für solche nebulösen Geschäfte wie das heutige.
In der Ferne des Hafens lagen die wahren Schiffe, einige bekannte und große Namen. Kein Vergleich zu dem Boot. Chalkos. Schwarze Maddalena. Auch der "Schwan", die lang gezogene Galeere mit ihrem schlanken Hals, den weit ausladenden Rudern und Segeln und dem tief und ruhig sitzenden Bauch. Nicht, dass man auf diese Entfernung etwas davon mitbekommen hätte, doch von dort her näherte sich das Boot mit ihrem Kapitän.
Leise sprach er, denn Worte trugen weit übers Wasser, auch nur eine Armeslänge von Alis entfernt. "Grüße, Hexe. Habt ihr euren Teil des Handels eingehalten? Ich sehe die Kröte nirgendwo", sagte der Schwan, der am Bug stand und sich bemühte, nicht ins Wasser zu fallen. Er hatte den Pragmatismus dem größeren Effekt geopfert und ein Bein auf die Spitze des Bootes gestellt, die Arme vor der Brust verschränkt und einen weißen Umhang umgelegt, der aus einer Vielzahl kleiner Bändchen bestand und ihn seinem Spitznamen nur näher brachte.
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Post by Alis on Sept 1, 2015 18:09:21 GMT
Alis bemühte sich, ihr Lächeln nicht zu breit werden zu lassen, auch wenn es schwer war. Sie schob die Kapuze ihres dunklen Umhangs etwas zurück und sah zu dem Mann in dem weißen Umhang auf. Sie hätte wohl aufstehen können und fürchtete nicht unbedingt, ins Wasser zu fallen, aber sie riskierte lieber nicht, den kleinen Krug umzuwerfen. Das wäre gerade ziemlich...unglücklich...gewesen. Dass man ihn im Sitzen von schräg unten anlächeln konnte, als wäre er eine beeindruckende Gestalt und jemand, den man vielleicht irgendwie anhimmeln konnte, wenn man eine Schwäche für Gesetzlose hatte, war dafür ziemlich glücklich:
"Grüße, Schwan." Sie sprach ebenso leise wie er und nickte ihm zu, ebenso kurz seinen Ruderern. "Die Kröte hockt am Stand und wartet, nehme ich an. Er hatte zuviel Angst, allein hierher zu kommen..." In ihrer Stimme lag ein Hauch von Spott, vielleicht...offenbar...weil sogar sie alleine hier war. "Dabei habe ich ihm nicht mal Euren Namen genannt. Er hat zwei Leibwachen mitgebracht. Das wollte ich Euch sagen, bevor ich ihn hole."
Damit ließ sie die Ruder der geliehenen Nussschale, , in der sie saß, wieder ins Wasser und wartete offenbar nur noch seine Antwort. Würde er nichts mehr sagen, würde sie so nahe es ging zum Strand rudern und sich nach der Kröte umsehen, ohne das Boot zu verlassen.
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Post by Benedetto on Sept 1, 2015 21:13:59 GMT
Der fette Mann stand am Ufer und es fiel Alis in der Tat schwer, in dem schmierigen Dicken den Mönch wiederzuerkennen, den sie sonst im Kloster traf. Er rieb sich die feisten Hände und schaute sich ungeduldig um, leckte sich über die dicken Lippen und begutachtete für einen Moment zu lange ihr Gesicht. Mit grandioser Geste trat er an das Boot heran, winkte seinen Wachen, ihm zu folgen. Er beugte sich zu Alis herab, mit einem lüsternen Blick - nur um dann auf Augenhöhe mit ihr ernst zu werden, distanziert wie sonst auch.
Ob dies Benedetto gewesen war, bevor er die "Stimme Gottes" vernommen hatte?
Die blassen Augen starrten die Malkavianerin an, als er leise sprach. "Bisher ist alles gut verlaufen? Meine beiden Wachen können uns begleiten oder hier warten, wie ihr es wünscht." Er wartete die Antwort ab und winkte dann seinen Begleitern den Befehl zu, bevor er ins Boot stieg, was die Nussschale beträchtlich ins Schwanken brachte.
Unruhig schaute er auf das schwarze Wasser.
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Alis
Neonati
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Post by Alis on Sept 2, 2015 19:23:55 GMT
Alis betrachtete die "Vorstellung", die Benedetto da den ihm unbekannten Männern gab mit einem im ersten Moment durchaus überraschten Lächeln. Es verblasste dann allerdings, als sie sich auch fragte, ob das der alte Benedetto war. Oder nur eine Rolle, um an unangemessenen Orten sein zu können. Oder eine Rolle, um sich selbst zu entkommen. So viele Möglichkeiten. Und die Reaktion der Hure im Basilico schloss nichts davon wirklich aus.
"Ja, bisher läuft alles gut, glaube ich. Ihr könnt Eure Männer mitnehmen, wenn Ihr wollt.", flüsterte sie auf seine Frage, ebenso ernst wie er. Dann aber zuckten ihre Mundwinkel wieder: "Man hat ihm die Kröte etwas anders beschrieben, als Ihr nun ausseht. Offenbar sind die Beschreibungen mal wieder immer wilder geworden, je öfter sie von einem Unwissenden an den nächsten Unwissenden weitergetratscht wurden."
Bevor er ins Boot stieg, nahm Alis den Krug vorsichtshalber in die Hände, um ihn vor dem Umkippen zu bewahren. Sollte einer der beiden Wachen die Ruder nehmen wollen, würde Alis sie ihm gerne überlassen.
Wenn sie nicht rudern brauchte, wandte sie sich der anderen Nussschale zu, während ihre Fingerspitzen angespannt auf dem tönernen Gefäß zwischen ihren Händen herumtippten.
Sobald sie auf Armeslänge heran waren, wies sie auf den feisten Mann in dem roten Reisegewand und stellte ihn mit gedämpfter Stimme vor, damit diese Vorstellung unter ihnen blieb und das Wasser sie nicht zu weit trug: "Il Rospo." Dann wies sie auf den Mann in dem weißen Umhang: "Il Rospo, dies ist Il Cigno."
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