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Post by Angelique on Dec 9, 2015 9:55:08 GMT
Geduldig schaute Angelique die folgenden Nächte auf dem Hin- und Rückweg zu Rogers Krankenlager bei dem Findelhaus vorbei und hoffte, den dunkeln Engel der Schatten dort einher gehen zu sehen. Wie die Motte unwiderstehlich einem düster glimmenden Licht folgend, das sie verbrennen konnte
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Post by Alerio on Dec 9, 2015 13:03:16 GMT
Je nachdem zu welcher Stunde die Malkavianerin am Haus vorbekäme, würde sie es entwender ruhig und nahezu dunkel vorfinden oder noch hell erleuchtet und von Kinderstimmen erfüllt. Der kleine Schatten jedoch, würde sich erst zeigen, wenn die Bewohner des Hauses tief und fest schliefen. Doch auch nicht jede Nacht. Angelique musste geduldig sein und den richtigen Moment abpassen, dann hatte sie das Glück, den kleinen Vampir anzutreffen. Wie in der Nacht als sie sich das erste mal getroffen hatten, benutzte er die Hintertür in der Mauer um das Waisenhaus zu verlassen.
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Post by Angelique on Dec 9, 2015 13:20:59 GMT
Wenn Angelique etwas hatte, dann Zeit und Geduld. Fasziniert sah sie zu, wie Alerio das Findelhaus verließ. Wie lange spielte er dieses Spiel wohl schon? Waren die der Kirche oder einem Kloster entstammenden Betreiber ihm blutgebunden? Ein Teil von ihr fürchte sich. Unschuld der Nähe eines gefallenen Engels auszusetzen, musste zwangsläufig zur Korrumpierung derselben führen. Sie wollte nicht glauben, dass er sich von den Kindern ernährte. Das durfte nicht sein! Sie wollte ihn nicht richten müssen für so eine Untat! Deshalb blendete sie diese Möglichkeit aus. Hatte er nicht gesagt, dass er den Menschen ein Wohlgefallen sein wollte? "Und wovon ernährt er sich dann?" fragte die Dunkelheit in ihr. "Jagt er? Wenn ja, wie?" Sie wollte solche Dinge nicht hören! "Vielleicht nimmt er nur von denen, die ihn als Engel erkennen und freiwillig ihr Blut geben," erklärte freundlich ihr Spiritus. Das wollte sie schon eher hören!
Zweifel war der erste Schritt zum Fall gewesen. Also hüpfte sie lieber forsch vom Strohdach eines kleinen Schuppen und ging Alerio offen entgegen. "Hallo, Schattenengel," hauchte sie dem Lasombra entgegen und verschränkte die Ärmchen kokett hinter dem Rücken.
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Post by Alerio on Dec 10, 2015 21:12:24 GMT
Alerio bemerkte Angelique natürlich also sie so direkt auf ihn zu kam. "Guten Abend, Angelique. Kann ich was für dich tun?" fragte er freundlich, doch dann legte er den Kopf leicht schräg und schaute sie misstrauisch an. "Wie lief deine Audienz?" Wenn sie sie immer noch nicht hatte, dann durfte sie eigentlich immer noch nicht in der Stadt sein.
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Post by Angelique on Dec 10, 2015 22:36:31 GMT
"Oh, selten sah ich so eine erhabnene und unantastbare Figur wie die göttliche Aurore," schwärmte sie. "Belšazar selbst wäre neidisch auf die Stärke ihrer Herrschaft! Und König Saul selbst hatte nicht so wenig Nutzen für Totenbeschwörer und Weissager gehabt wie sie." Sehr müde und traurig wirkte sie bei diesen Worten plötzlich.
Doch dann hellte sich ihre Miene wieder auf und sie schlenderte neugierig neben ihn und schaute ihn fragend mit schräg geneigtem Kopf an. "Sag mal, "begann sie, "warum gibst du dich eigentlich wie ein armer Strassenjunge? Wäre es nicht ein Leichtes für ein Mitglied der Hohen Klans nach Status und Besitz zu verlangen? Den Pagen eines mächtigen Fürsten oder des scheinbaren Gespielen eines einflussreichen Kirchenmannes vorzugeben, um die Welt der Sterblichen aus den Schatten heraus zu lenken? Hast du ein Armutsgelübde abgelegt oder täuscht du alle so geschickt?"
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Post by Alerio on Dec 11, 2015 11:37:54 GMT
Alerio grinste. „Wer sagt, dass ich nicht ein armer Straßenjunge bin?“ „Wer wenig hat, hat doch auch Grund nach mehr zu streben.“ „Ein Page zu sein bringt mir nicht mehr als ein Straßenkind zu sein, es bringt einen nur in andere Kreise. Status und Besitz kann durch viele Wege erreicht werden. Es kommt nur eben darauf an wo man hin will.“
Er schaute sie von der Seite her an. „Und warum bist du als Pilgerin verkleidet? Eine Täuschung oder wirkliches Interesse?“ gab er die Frage zurück.
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Post by Angelique on Dec 11, 2015 12:19:06 GMT
Angelique lächelte versonnen und nahm ihren Pilgerhut ab. Zärtlich fuhr sie über die Jakobsmuschel und die vielen anderen kleinen Zeichen ihrer Reisen. "Nein," flüsterte sie, "das ist keine Verkleidung. Ich pilgere zu den heiligen Stätten des Glaubens und steige Stufe für Stufe die Leiter zurück in den Himmel auf. Ein mühseliges Unterfangen, hat der Demiurg uns doch verflucht."
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Post by Alerio on Dec 13, 2015 13:00:28 GMT
"Warum sollte es dich zurück in den Himmel bringen, alte Ruinen zu besuchen? Warum sollte Gott jemanden für so etwas in sein Himmelreich aufnehmen?" Er schüttelte den Kopf. "Aber wer weiss schon warum er etwas tut. ich glaube ja, dass er uns hasst oder die Menschen oder eher beide. Dass er uns schon lange allein gelassen hat oder gern zusieht wie wir leiden?" Er zuckte mit den Schultern. "Warum sonst, sollte er es zulassen, dass wir die Menschen benutzen und jagen?"
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Post by Angelique on Dec 13, 2015 13:55:48 GMT
Verschwörerisch beugte sie sich vor und flüsterte ihm zu: "Das Geheimnis ist, dass es zwei sind: der böse Demiurg des Alten Testament, der den Luzifer und uns andere Engel verführte und der gnädige GOtt, der SEinen SOhn schickte, um uns durch das heilige Blut zu erlösen." Keck die Hände in den Hüften gestemmt, trat sie zurück und grinste. "So einfach ist das. Aber natürlich kann man sein ganzes Leben nach den Nuancen suchen, um Weisheit zu finden, und genau das tue ich."
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Post by Alerio on Dec 14, 2015 22:55:22 GMT
Sicher... dachte sich der kleine Schatten. Angelique konnte ihm viel erzählen, er würde es nicht glauben. Das war der Wahnsinn in ihr. Ihr verfluchtes Blut, das durfte er nicht vergessen, dass ein jedes Wort aus ihrem Mund eine Lüge sein könnte, nur dass es für sie keine war. Brachte es überhaupt etwas darüber zu diskutieren? Gut, wenn er sie besser verstehen wollte.
"Zwei Götter? Ist das nicht ketzerisch oder so?" "Und du suchst wissen? Dann verstehst du dich mit Benedetto sicher gut." Er musterte sie. "Ich hätte dich nicht für eine Gelehrte gehalten."
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Post by Angelique on Dec 15, 2015 8:19:18 GMT
Angelique strahlte und ward sehr verlegen ob des Lobes. "Oh, ja," meinte sie, "der Stattliche ist ein wahrlich wacher und belesener Geist. Und was das Ketzerische angeht, hat Remigius von Reims nicht gesagt: Adora quod incendisti, incende quod adorasti? Es sind alte gnostische Weisheiten, die Maria Magdalena den Menschen und uns gelehrt hat. Macht es nicht viel mehr Sinn, zwei gleichstarke Wesen zu vermuten, eins gut, das andere böse, im Widerstreit um die Welt, als Gräueltaten und Gnade ein und demselben Wesen gleichermaßen zuzuschreiben? Das wäre ja ein Wahnsinniger und nicht verehrenswert."
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. "Aber ich will deinen Glauben nicht beleidigen," meinte sie sanft. "Nur eine Frage will ich dir stellen. Kannst du Latein? Denn wenn nicht, so wirst du nur die Auslegungen der Schrift hören, die andere tun. Bei uns in der Provence ist es dagegen Sitte, dass Laien, sogar Frauen, das Wort vortragen in der Sprache des Landes. Denn welcher Bauer oder Arbeiter vermag zu verstehen, was der Pfaffe brabbelt, der oft genug selbst nur ungenügend des Lateins mächtig ist. Ganze Prozesse soll es geben, ob ein Dummkopf Hunderte zur Hölle verdammt hat, in dem er falsch vortrug"1
Sie tat, als atmete sie durch. "Aber genug von diesem gestelzten Mist. Was hast du heute Nacht vor? Wie amüsierst du dich, wenn die Liktorenpflichten dich nicht belasten? Spielst du lustige Spiele mit denen, deren Alter und Sorgenfreiheit wir auf ewig in die Züge gemeißelt bekamen? Oder ergehst du dich in Würfel- und Kartenspiel der sündigen Erwachsen? Schärfst du deinen Geist mit dem Alquerque oder wie es einem des Hohen Klans geziemt mit dem Schach? Oder," in Parodie einer verführischen, losen Erwachsenen knabberte sie an ihrer Fingerspitze und schaute verrucht zu ihm auf, was aber eher lustig wirkte, kam es doch von einem unfertigen Persönchen, "betreibst du gar Wurfzabel, das in meiner Heimat Trictrac genannt wird und in Badehäusern und Häusern schlechten Rufs gespielt wird?"2
Klugscheißerfußnoten: 1Wirklich wahr in frühmittelalterlicher Zeit! Karl der Große war entsetzt, als er selbst mit seinem miesen Lateinkenntnissen hörte, wie falsch manche Geistliche den Segen sprachen und somit ungewollt ewige Verdammnis über die Gesegneten brachten. ^^
2Der heutige umgangssprachliche Ausdruck "Puff" für Backgammon bedeutet deshalb exakt das. ^^
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Post by Alerio on Dec 15, 2015 22:38:11 GMT
"Ist denn nicht aber der Teufel das böse Gegenstück zu Gott?" fragte er nach und fügte noch an "Einen wahnsinnigen Gott würde ich nicht mal ausschließen. Und verehren tue ich ihn ohnehin nicht. Meinen Glauben kannst du also nicht wirklich beleidigen." "Ja, ich bin der alten Sprache mächtig. Aber wie können irgendwelche einfachen Leute die heilige Schrift predigen, wenn sie Latein genauso wenig verstehen, wie der Priester? " zog er ihre Worte in Zweifel. "Noch dazu, dass nur wenige des Lesens mächtig sind."
Als sie ihn dann nach Spielen fragte, schaute er sie verdutzt an, nicht nur wegen ihres Benehmens. "Ich spiele nicht." Sagte er so als wäre das eine seltsame Annahme. Dann schien er jedoch tatsächlich darüber nachzudenken. "Wenn ich keine Liktorenpflichten habe, habe ich andere Aufgaben. Aber am ehesten noch trifft wohl ersteres zu. Ich umgebe mich tatsächlich mit Kindern."
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Post by Angelique on Dec 16, 2015 8:50:57 GMT
Angelique winkte ab. "Siehst du, genau das ist es, was dem Unwissenden erzählt wird. Die Schrift selbst sagt solche Dinge nur in den gefälschten Versionen des Vatikans. Die Schriften der Christusmörder dagegen sprechen klar von Satan als Diener Gottes. So ist es offensichtlich, dass Satan der Diener des Gottes des Alten Testamentes ist, der diese imperfekte und schmutzige Welt schuf, während der Christos uns durch sein Blut erlöste. Fällt dir die Blut-Symbolik auf und die Auferstehung in der dunkelsten Nacht vor dem Ostermorgen, die insgeheim auf uns Kainiten zielt?"
Sie spielte wieder ihr Hüpfspiel mit den Pflastersteinen der Strasse, als sie fortfuhr: "Oh, im Okzitanischen ist die Bildung und Gelehrsamkeit verbreitet unter den Adligen wie den begüterten Bürgerlichen. Selbst Frauen vermögen bei uns zu lesen und somit mühelos die Schrift den Analphabeten in ihre eigene Sprache zu übertragen. Ungern sehen die Legaten des Papstes diese alte Tradition, aber die fränkischen Herren schätzen sie sehr und auch die hohen Geistlichen ziehen es vor, Bettgespräche mit ihren Ehefrauen und Kebsen über die Weisheit der Altvorderen zu führen, als ein dummes Weib nur der Fleischeslust zu halten, wie es die Italer und Barbaren bevorzugen."
Dann kam sie wieder auf ihr eigentliches Hiersein zu sprechen: "Dann lass mich dir wieder Freude und Lachen lehren, Alerio! Lass uns spielen und rennen und den Augenblick genießen, ohne an verlorenes Vergangenes und zukünftige Sorgen zu denken!"
Offen grinsend hielt sie ihm ihre Hand entgegengestreckt. Sie selbst hoffte auch, das Jammertal, das diese verfluchte Stadt war, in seiner Gegenwart für kurze Zeit zu vergessen.
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Post by Alerio on Dec 16, 2015 21:09:30 GMT
Ihr Glaube klang interessant, sogar auf eine seltsame Weise nachvollziehbar, doch Alerio war ein Skeptiker. Und gerade bei Malkavianern könnte auch alles nur ein Hirngespinst sein. Vor allem ihre Schilderung der Zustände in den Frankenlanden, hielt er für, wenn nicht gänzlich unwahr, zumindest reichlich übertrieben. Andererseits wusste er es auch nicht besser. Er zuckte mit den Schultern. "Ich Interessiere mich nicht wirklich für Religionen. Ich weiss auch vom Christentum nur das, was ich als Mensch mitbekam und eben Kains Geschichte, die mir dann als Vampir erzählt wurde. Es kümmert mich nicht wirklich wer nun der Schöpfer der Welt ist oder nicht."
Er schaute auf ihre Hand hinab, die sie ihm hinhielt, aber nahm sie nicht. Freude und Lachen lehren? War er so verbittert, dass man ihm das beibringen musste?...Doch ja, wann hatte er das letzte mal denn wahre Freude empfunden in diesem Leben? Er war nicht unglücklich, aber wirklich glücklich? Erfüllt mit Freude? War er das jemals? Er konnte es selbst nicht sagen. Er dachte automatisch an die Zeit zurück, als er tatsächlich ein Kind gewesen war, ein Sterblicher im Sonnenlicht...
"Und du glaubst, mit dir zu spielen wie ein Kind, würde mich nicht an Vergangenes erinnern?" Er lächelte wehmütig und wandte den Blick ab. Nach einem Moment des Schweigens schaute er sie wieder an. "Ich mag es zu Klettern." sagte er mit einem leichten verlegenen Lächeln. Erfreut doch etwas gefunden zu haben, was ihm Spaß machte.
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Post by Angelique on Dec 16, 2015 21:42:09 GMT
Angelique strahlte. "Ich auch! Und wie! Wie wäre es, wenn wir gemeinsam klettern? Wie Katzen lautlos in der Nacht über die Mauern und Dächer!"
Ein zweites Mal hielt sie ihm auffordernd die Hand hin. Diesmal lächelte sie leise. "Wenn ich klettere bin ich den Sternen so nahe...," hauchte sie.
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